Die Ansprache zum Tag der Kranken von Bundesrat
Johann Schneider-Ammann wurde zu einem grossen Hit. Man verglich sie
mit der Ogi Tännli-Auftritt vor dem Lötschbergtunnel.
Die Mine von Schjneider Ammann war so ernst, dass es
wieder lustig war. Man muss sich also fragen, ob den
Kommunikationsberatern von Schneider-Ammann nicht der grosse
Coup gelungen ist. Hätte der Bundesrag ein Witzchen gemacht
oder falsch gelächelt, dann wäre der Auftritt
erst recht nicht gelungen. Schneider-Ammann war sich selbst
und hat am Tag der Kranken die Nation erheitert. Ziel erreicht.
Das sah man auch im Ausland so:
Sueddeutsche:: Schweizer Bundespräsident redet über das Lachen - und erheitert die Welt.
NZZ:
Schneider-Ammanns grosser Coup Der Kampf
um die komischste Ansprache eines Bundespräsidenten wird nicht
sehr ambitioniert geführt. Bundesrat Johann Schneider-Ammann hat
nun aber einen neuen Massstab gesetzt.
Dass Adolf Ogi eines Tages in Bedrängnis kommen könnte,
was Komik in Bundesratsansprachen angeht, hat man bisher kaum
für möglich gehalten. Dass es Wirtschaftsminister Johann
Schneider-Ammann sein würde, der ihn in dieser Disziplin
herausfordert, noch viel weniger. Dann aber fügte es ein
günstiges Schicksal, dass dem Wirtschaftsminister just in jenem Jahr
die Bundespräsidentschaft anheim fiel, als der Tag der Kranken
unter dem Motto stand: "Lachen verbindet, ist ansteckend, schenkt
Glücksmomente...". Da die fällige Ansprache überdies
auch auf Französisch zu halten war, entstand schliesslich die
Fallhöhe, die den ambitionierten Angriff auf Ogis Spitzenposition
erst ermöglichte.
Und Schneider-Ammann, man muss es ihm lassen, machte seine Sache
prächtig. Wohl im Wissen um die einmalige und vielleicht
einzige Chance, lange über seine Amtszeit hinaus in ruhmreicher
Erinnerung zu bleiben, zog er alle Register: Von Ogis legendärerem
Tännli-Auftritt vor dem Lötschbergtunnel kopierte er den
Kniff, so angestrengt auf die Textvorlage zu starren, dass der Zuschauer
allein dadurch fasziniert in den Bann des Redners gezogen wird. Sonst
aber verzichtete er im Unterschied zu Ogis übermotivierter Gestik
geschickt auf grosses Brimborium, um den raffiniert-spröden Text
voll zur Geltung zu bringen.
In einem Tonfall, der auch zu Pfarrer-Parodien taugte, referierte
Schneider-Ammann entrückt über den "effet thérapeutique
de l' humour", während im Hintergrund ein kleiner Springbrunnen
plätscherte und dem Ganzen einen weihevoll-meditativen Touch
gab. Die sporadisch effektvoll eingestreuten Versprecher und noch ganz
knapp hingebogenen Wörter taten ihr Übriges.
Ob Schneider-Ammann mit diesem Auftritt Ogis Neujahrsansprache 2000 vom
Thron stösst, ist letztlich eine Geschmacksfrage. Aber bestimmt
steht er dieser in Eigenständigkeit und Originalität nicht
nach. Ein grosser Wurf, zweifellos. Und wenn das Lachen wirklich einen
therapeutischen Effekt hat, möge die Rede künftig möglichst
ununterbrochen in den Krankenzimmern dieser Welt laufen. Dass sich
Resistenzen entwickeln könnten, ist derzeit noch schwer vorstellbar.
20 Min:
Dass Schneider-Ammann mit seinem Auftritt zuerst die Twitter-Gemeinde und
nun ganz Frankreich zum Lachen bringt, war wohl nicht beabsichtigt. So
macht sich der Moderator von "Le Petit Journal" unter dem Gelächter
des Publikums über den Bundespräsidenten lustig (ab Minute
23:40 im Video). Er wolle ja über das Lachen reden. "Auf dem Papier
sicher eine gute Idee, doch sie haben wohl vergessen, dass er etwa so
wie ein Bestatter redet."
"Diese vier Minuten über die Lach-Therapie sind auf dem Weg zum
Kult-Video", meint der Moderator. Auch die Belehrung Schneider-Ammanns,
sich über jemanden lustig zu machen, sei nicht die richtige Art
von Lachen, mokiert sich der Moderator und zieht Schneider-Ammann in
den Dreck. "Scheisse! Das ist genau das, was wir gerade machen."
Blick:
Die französische TV-Ansprache von Bundespräsident Johann
Schneider-Ammann zum Tag der Kranken schaffte es unfreiwillig ins
französische TV und sogar in die "Washington Post". Der FDP-Bundesrat
sprach so ernst über das Lachen am Krankenbett und las den Text
so konzentriert vom Teleprompter ab, dass seine Rede zu internationalen
Lach-Therapie avancierte. Respekt! Johann Schneider-Ammann schaffte es
in die grosse US-Zeitung "Washington Post".
Doch bisher von der Weltöffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen
wurde die italienischsprachige Version der Rede. Auch dieser Ansprache
pflegt der Berner durchgehend ein Stakkato und eine klassisch
deutschschweizerische Aussprache mit falschen Betonungen. Doch
Schneider-Ammann wirkt entspannter, als auf Französisch. Man
spürt, dass er im Tessin oder in der Toskana schon die eine oder
andere Sommerferien verbracht hat.
20 Min:
Herr Ogi, Ihre Neujahrsansprache aus dem Jahr 2000 ist Kult. Nun
haben Sie Konkurrenz von Johann Schneider-Ammann bekommen, dessen
stoische TV-Ansprache über das Lachen rund um den Globus ging.
Moment. Ich möchte vorausschicken, dass man die Ansprachen nicht
vergleichen kann: Ich war vifer mit den Händen, auch von der Mimik
und Gestik her war das anders. Die Neujahrsansprache habe ich vor dem
Lötschbergtunnel in Kandersteg neben einem Tännlein gehalten.
Es hat geschneit, der Teleprompter war etwas weit weg und ich war in Eile,
da ich an eine Feier für die Bundeskanzlerin musste. So habe ich
die erste gerufene Rede gehalten. Inhaltlich war sie hervorragend. Sie
ist auch sehr gut angekommen: Ich erhielt gut und gern 2000 Dankesbriefe.
Was sagen Sie denn zur Rede des Bundespräsidenten? Ach,
ein Lapsus kann jedem passieren. Der Ausrutscher ist morgen wieder
vergessen. Es ist nichts kaputtgegangen und unserem Land kein Schaden
entstanden. Johann Schneider-Ammann sollte sich nicht verunsichern lassen,
aber intern analysieren, was schiefgelaufen ist. Er war offensichtlich
nicht gut betreut. Gleichzeitig muss man berücksichtigen, dass ein
Bundespräsident unter unglaublichem Zeitdruck steht. Für Reden
sollte man sich jedoch Zeit nehmen, denn sie sind wichtig. Der gleiche
Fehler ist mir bei meiner Neujahrsansprache auch passiert.
Was macht eine gute Rede aus? Die Botschaft muss gut sein. Und eine
Rede ist keine Schreibe. Ich habe meine Schreiber persönlich im
Verfassen von Reden geschult. Hinzu kommt der Vortrag: Wie man sich
hinstellt, die Mimik und Gestik. Wichtig ist bei einer TV-Ansprache
auch der Hintergrund. Auf Anraten meiner Frau bin ich als Erster nach
draussen gegangen. Bei der Rede von Bundesrat Schneider-Ammann konnte
ich die Umgebung auf den ersten Blick nicht mit dem Thema in Verbindung
bringen. Eine Rede muss meiner Meinung nach aber nicht perfekt sein -
man kann sogar mit kleinen Fehlern spielen.
Zum Beispiel? Nachdem sich die Presse auf meine Akkusativ-Fehler
eingeschossen hatte, baute ich hin und wieder einen kleinen Fehler ein,
wenn ich von einem Thema ablenken wollte. Dann konnte ich sicher sein,
dass der Fehler in den Zeitungen thematisiert wurde. Ich konnte auch
nicht so schlecht Englisch. Sagte ich einen Satz aber absichtlich holprig,
war das gleich ein Thema und der Inhalt der Botschaft ging verloren.
Johann Schneider-Ammann kommt nicht zum ersten Mal wegen seiner
rhetorischen Fähigkeiten unter die Räder. Nimmt sich ein
Bundesrat diese Art von Kritik zu Herzen? Es kommt immer darauf an,
was es für eine Kritik ist. Wenn solche Kommentare auf einen
einprasseln, ist das nicht einfach zu verarbeiten, vor allem abends,
wenn man alleine ist und einschlafen möchte. Aber nochmals: Er
sollte es abhaken und nicht an sich nagen lassen.