Joachim Gauck musste wegen eines Fehlers im Text die Weihnachtsansprache
zwei mal halten:
Morgenpost:
Es ist ein politisches Ritual: Die Weihnachtsansprache des
Bundespräsidenten. Er lässt das Jahr Revue passieren und gibt
einen Ausblick auf das, was im kommenden Jahr zu erwarten ist.
Ausgestrahlt wird die Rede am ersten Weihnachtsfeiertag abends nach den
Nachrichten - aufgezeichnet wird sie aber schon einige Tage früher.
Damit der Bundespräsident selbst Weihnachten feiern kann.
Dieses Mal ging allerdings einiges schief. Denn Joachim Gauck
hat zunächst die falsche Rede gehalten, wie die "Bild"
berichtet. Zumindest eine, in der ein Fehler enthalten war. Der fiel
zwar auf - allerdings erst recht spät.
Auf dem Teleprompter, von dem Gauck die Ansprache ablas, stand
ein fehlerhafter Text. "Wir erinnern uns an die schreckliche
Flugzeugkatastrophe in den Pyrenäen...", las Gauck während
der Aufzeichnung, die am vergangenen Dienstag nachmittags in
Schloss Bellevue in Berlin stattfand. Die Germanwings-Maschine war
im März allerdings nicht in den Pyrenäen abgestürzt,
sondern in den französischen Alpen. Bei dem Unglück, das der
Copilot absichtlich herbeigeführt hatte, starben alle 150 Menschen
an Bord. Die Pyrenäen liegen an der Grenze zu Spanien - die Alpen
an der Grenze zu Italien.
Der Fehler war vorher niemandem aufgefallen - und das, obwohl der
Redetext in der Regel von mehreren Stellen im Bundespräsidialamt
gelesen und geprüft wird. Auch während der Aufzeichnung war
niemand irritiert. Der Dreh wurde beendet, Gauck fuhr nach Hause.
Erst am nächsten Tag und damit kurz vor der
Vorabveröffentlichung der Rede fiel der Fehler doch noch
auf. Wem und warum, ist unklar. Fakt ist: Die Rede musste noch einmal
aufgezeichnet werden. Das hat das Bundespräsidialamt der "Bild"
bestätigt.
Bild:
Die Ansprache ist
hier zu lesen:
Guten Abend aus dem Schloss Bellevue,
ein frohes Weihnachtsfest wünsche ich Ihnen allen.
Ein frohes Weihnachtsfest - so wünschen wir es einander jedes
Jahr. Aber vielen von uns fällt es in diesem Jahr nicht leicht,
in weihnachtlicher Stimmung zu sein. Zwar hat sich die Mehrzahl der
Deutschen mit Freude und Dank daran erinnert, dass wir nun schon seit 25
Jahren in einem wiedervereinigten, freien und demokratischen Land leben.
Aber das Jahr war doch in hohem Mass gekennzeichnet von Unglück,
von Gewalt, Terror und Krieg. Wir erinnern uns an die schreckliche
Flugzeugkatastrophe in den französischen Alpen. Wir rufen
die zahlreichen Krisen auf, die sich überlagerten, fast alle
andauern und bei zahllosen Menschen Unsicherheit, oft auch Angst
auslösen. Ich nenne nur die Finanzkrise und die zunehmenden
Differenzen in der Europäischen Union, ich nenne die intensiven
Debatten um die Zukunft Griechenlands. Ich denke auch an die Ukraine,
Syrien, Afghanistan, die vom Terror bedrohten Gebiete Afrikas. Und heute,
Weihnachten, denke ich besonders an Menschen, die wegen ihres christlichen
Glaubens verfolgt werden. Dankbar grüsse ich die zivilen Helfer, die
inmitten von Hunger, Not und Bürgerkrieg unermüdlich tätig
sind. In gleicher Weise grüsse ich die Soldatinnen und Soldaten,
die im gefährlichen Kampf gegen die Wurzeln des Terrors, der vor
kurzem unter anderem auch in Paris gewütet hat, eingesetzt sind.
Was uns gegenwärtig jedoch besonders umtreibt, ist die Frage: Wie
sollen wir mit den vielen Flüchtlingen umgehen, die in unserem Land
Bleibe und Zukunft suchen?
Wir standen und stehen vor einer besonders grossen Herausforderung. Wo die
Behörden an ihre Grenzen kamen, haben Sie, liebe Mitbürgerinnen
und Mitbürger, die Menschen willkommen geheissen. Spontan und wie
selbstverständlich. Tausendfach haben Sie Essen und Trinken, Decken
und Kleidung gebracht, Sprachkurse organisiert und Unterstützung
bei Behördengängen geleistet.
Sie alle sind zum Gesicht eines warmherzigen und menschlichen Landes
geworden.
Auch von Berufs wegen haben Unzählige getan, was in ihren
Kräften stand: in Landratsämtern und Stadtverwaltungen, in
Sozial- und Gesundheitsbehörden, in Schulen und Kindergärten,
bei den Landespolizeien und der Bundespolizei, in Bundesämtern
und Ministerien.
Ob haupt- oder ehrenamtlich: Wir haben gezeigt, was in uns steckt
- an gutem Willen und an Professionalität, aber auch an
Improvisationskunst. Und wir haben gesehen: Der Einzelne wie auch die
Gesellschaft können sich beständig neu entdecken und wachsen. So
kann sich das Land erkennen in den Herausforderungen, die es annimmt und,
da bin ich zuversichtlich, auch meistern wird.
Gegenwärtig belastet viele zwar die Heftigkeit der Debatte. Aber
lassen Sie mich daran erinnern: Der Meinungsstreit ist keine Störung
des Zusammenlebens, sondern Teil der Demokratie. Lassen Sie uns einen Weg
beschreiten heraus aus falschen Polarisierungen. Gerade die solidarischen
und aktiven Bürger und Bürgermeister sind es ja oft, die auf
ungelöste Probleme hinweisen.
Eines allerdings ist klar: Gewalt und Hass sind kein legitimes Mittel
der Auseinandersetzung, Brandstiftung und Angriffe auf wehrlose Menschen
verdienen unsere Verachtung und verdienen Bestrafung.
Genauso klar ist: Nur mit offenen Diskussionen und Debatten können
wir Lösungen finden, die langfristig Bestand haben und von
Mehrheiten getragen werden. Wir sind es, die Bürger und ihre
gewählten Repräsentanten, die entwickeln und verteidigen werden,
was dieses unser liberales und demokratisches Land so lebenswert und
liebenswert macht. Wir sind es, die Lösungen finden werden, die
unseren ethischen Normen entsprechen, und den sozialen Zusammenhalt nicht
gefährden. Lösungen, die das Wohlergehen der eigenen Bürger
berücksichtigen, aber nicht die Not der Flüchtlinge vergessen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
das Weihnachtsfest erinnert uns daran, dass wir Menschen Kraftquellen
benötigen, um unser Leben immer wieder zu meistern - im Politischen
wie im Privaten.
Für unzählige ist es die Familie, die ihnen Geborgenheit und
das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Bei anderen sind es Freunde
und Wahlverwandte, die sie motivieren, stützen und tragen.
Aber es ist doch auch das Weihnachtsfest selbst mit seiner Botschaft,
die uns in schwierigen Zeiten hilft, Wege der Mitmenschlichkeit zu finden.
Die Heilige Schrift der Christen erzählt davon, dass sich im
Weihnachtsgeschehen die Menschenfreundlichkeit Gottes zeigt. Es ist
schön, von dieser Menschenfreundlichkeit umfangen zu werden. Aber
noch schöner ist es, diese Menschenfreundlichkeit selbst zu leben
und in unsere Welt hinein zu tragen.
Mit dieser leisen Ermutigung wünsche ich uns allen, dass wir ein
frohes und gesegnetes Weihnachten feiern können und miteinander in
ein neues gutes Jahr gehen.