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www.rhetorik.ch aktuell: (13. Mai, 2014)

Recht auf Vergessen?

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Gibt es ein Recht auf Vergessen? Ein Europäisches Gericht in Spanien hat beschlossen, dass Suchmaschinen unter Umständen Links zu personenbezogenen Daten löschen muss. Das heisst nicht, dass das Material verschwinden muss. Es heisst nur, dass es schwieriger zu finden ist. Funktioniert das? Es ist zu bezweifeln:

  • Die Information kann auf anderen Suchmaschinen oder in anderen Ländern immmer noch gefunden werden.
  • Zensierte Information wird wahrscheinlich noch stärkere Aufmerksamkeit erlangen. Die Information über Mario Costeja Gonzlez zum Beispiel wurde nun in allen Medien bekannt. Jederman weiss nun, dass er wegen Steuerschulden sein Haus verloren hatte. Und der Link auf der Zeitung ist nun erst recht zu finden. [PDF des Artikels] Diese Information ist jetzt erst recht verewigt. Es ist der Streisand Effekt.
  • Die Option, Links von sich zum Veschwinden zu bringen, wird nur für Leute mit erheblichen Kapital erschwinglich sein. Es braucht Anwälte und deshalb Geld und Zeit. Die Option ist nur was für Leute mit Vermögen, die sich den Aufwand leisten können.


Was tatsächlich passieren könnte ist, dass Vorstösse, Information zum Verschwinden zu bringen, die Information erst recht ins Rampenlicht stellt.

Der Spiegel meint: Auf den ersten Blick sinnvoll, auf den zweiten Kosmetik.:
Google ist unser Fenster ins Web. Mit einem Marktanteil von über 90 Prozent bestimmt die Suchmaschine, welche Informationen wir finden. Was nicht in den Google-Treffern auftaucht, hat in der Wahrnehmung vieler zunächst nicht stattgefunden. Künftig sollen Nutzer mitreden können, was dort über sie selbst auftaucht. Unter Umständen, hat der Europäische Gerichtshof entschieden, muss Google Einträge löschen. Die grossen Fragen lauten: Wie reagiert der Konzern, wenn Zehntausende Menschen unliebsame Treffer entfernt haben wollen, weil diese nicht mehr relevant sind, nicht mehr aktuell, oder schlicht unangenehm? Lässt es Google dann jeweils auf ein Gerichtsverfahren ankommen? Oder wird das Unternehmen fragliche Einträge nach eigener Prüfung lieber löschen? Für Google sind das keine grundsätzlich neuen Fragen. Schon jetzt darf der Quasi-Monopolist nicht einfach abbilden, was seine Roboter im Netz alles finden. Schon jetzt beseitigt Google regelmässig Treffer. Finden Rechteinhaber illegale Kopien, zum Beispiel von Filmen oder Musikalben, können sie Google den Link zur Entfernung übermitteln. Ganz so, wie es das US-Copyright vorsieht. Google lässt solche Links nach einer Prüfung verschwinden. Was für illegale Kopien gilt, soll nun auch für Personen gelten: Sie sollen ihr in der Europäischen Union verbrieftes Recht durchsetzen können. Um es klar zu sagen: Die Inhalte fehlen in der Ergebnisliste der Suchmaschine, sie sind viel schwerer zu finden. Doch gelöscht sind sie nicht. Auf den ersten Blick ist das Google-Urteil eine ebenso überfällige wie sinnvolle Entscheidung. Entsprechend gross ist der Jubel. Grünen-Politiker und selbst die Piratenfraktion in Schleswig-Holstein freuen sich über das Recht auf Informationssperren. Es sind Vertreter jener Parteien, die einst "Löschen statt Sperren" gefordert haben.
Pressestimmen zitiert die Times:
Webnutzern wird der Zugang zu öffentlich verfügbaren Informationen verweigert. Personen können dunkle Kapitel ihrer Vergangenheit einfach verschwinden lassen. Der Gerichtshof hat mit diesem Urteil unser wichtigstes Recht auf Meinungsfreiheit beschädigt."
Aus der Netzwoche:
Eine Frage, die das Urteil nicht klärt, ist, wann ein Suchergebnis sensibel genug ist um gelöscht zu werden. Der EuGH schreibt hierzu in seinem Urteil, dass dieser Zeitpunkt gegeben ist, wenn "die Informationen in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Zwecken der in Rede stehenden Verarbeitung durch den Suchmaschinenbetreiber nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen." Mehrere Kommentatoren, wie zum Beispiel die deutsche Website Golem, kritisieren diesen Satz als "schwammig". Sie zitiert den deutschen Rechtsanwalt Christian Solmecke, der eine Flut von Prominenten-Klagen kommen sieht, die versuchen werden, ihnen unangenehme Links entfernen zu lassen. Die Arbeit von Journalisten könnte so drastisch eingeschränkt werden, da für diese das Internet heute zum wichtigsten Recherchetool geworden ist. Ein Problem entstehe vor allem dann, wenn Personen Suchmaschinenergebnisse nach eigenem Belieben manipulieren könnten. Noch sei es aber alles andere als klar, dass es soweit kommt.
Aus der NZZ:
Erstens betrifft das Urteil zwar alle Suchmaschinenbetreiber, nicht aber soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter, die ihrerseits personenbezogene Daten archivieren. Zweitens ist das nun gefällte Urteil insofern bedingt, als dass nur "unter bestimmten Voraussetzungen" Links zu heiklen Inhalten gelöscht werden müssen. Ob diese Bedingungen erfüllt sind, ist im Einzelfall zu prüfen; Informationen zu Personen des öffentlichen Lebens etwa könnten ausgenommen sein. Drittens bewirkt das EuGH-Verdikt nicht, dass die Inhalte selbst gelöscht werden - sie werden nur nicht mehr durch Suchmaschinen indexiert.
Das Urteil PDF:




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