In einem Telefonmitschnitt soll der türkische Premier
mit seinem Sohn über einen zehn Millionen Dollar Deal
gesprochen haben. Ist das ein Beweis für Korruption oder eine
Schmutzkampagne? Schlimm ist es jedenfalls für den Premier.
Das Youtube Dokument wurde
4 Millionen mal gesehen.
Hier ist ein Ausschnitt:
Am späten Mittwochabend lud erneut ein anonymer Nutzer ein Video
auf YouTube hoch und kündigte es per Twitter an. Die Whistleblower
nennen sich "Haramzadeler", wörtlich "sündige Herrschaften",
und bereiten der Regierung von Erdogan seit Wochen Kopfschmerzen.
In dem neuesten Video sprechen zwei Männer auf Türkisch knapp
eine Minute lang miteinander, es sind die Stimmen eines älteren
und eines jüngeren Mannes zu hören - eben angeblich Erdogan
und sein Sohn. Der Ältere sagt zum Jüngeren, er solle eine
Zahlung über zehn Millionen Dollar ablehnen.
Der Zeitung "Today's Zaman" zufolge geht es dabei um Geld von Sitki Ayan,
einem Geschäftsmann aus der Ölbranche, dem die Regierung die
Genehmigung für neue Leitungen zwischen Iran und der Türkei
gegeben hat. Der angebliche Erdogan sagt, die Summe sei zu niedrig.
"Nimm es nicht. Er soll liefern, was auch immer er uns versprochen hat.
Wenn er das nicht zahlt, brauchen wir es nicht", ist zu hören. "Die
anderen zahlen. Warum tut er es nicht? Was denken die, was das für
ein Geschäft ist?" Am Ende beruhigt er den Jüngeren: "Aber
keine Sorge, am Ende fällt es uns in den Schoss."
Es ist das zweite Video in dieser Woche, das Erdogan in Erklärungsnot
bringt. Am Montagabend waren Mitschnitte von Telefonaten aufgetaucht,
in denen der Ältere dem Jüngeren befiehlt, mehrere Millionen
Euro, Dollar und türkische Lira in Sicherheit zu bringen. Diese
Gespräche sollen ausgerechnet am 17. und 18. Dezember geführt
worden sein, als die Korruptionsaffäre begann und Ermittler Razzien
bei hochrangigen Politikern und Geschäftsleuten durchführten. In
dem fünften Gespräch sagt der angebliche Sohn, es seien immer
noch 30 Millionen Dollar nicht beiseite geschafft worden.
Seit Beginn der Affäre steht auch Bilal Erdogan im Verdacht, in
Korruption verwickelt zu sein. Anfang Februar wurde er in Istanbul von der
Staatsanwaltschaft befragt, nachdem seine Vernehmung durch die vorherige
Strafversetzung von Ermittlern verhindert worden war. Der Vorwurf lautet,
er habe als Chef einer Stiftung, die Studenten- und Schülerwohnheime
baut und betreibt, Vorteile bei der Vergabe von Grundstücken
und Baurechten bekommen. Geschäftsleute, die ebenfalls unter
Korruptionsverdacht stehen, sollen der Stiftung grosszügig Land
zur Verfügung gestellt oder kostenlos für sie gearbeitet haben.
Türkischen Zeitungsberichten zufolge wurde Bilal Erdogan monatelang
abgehört und beschattet. Der Staatsanwaltschaft hätten demnach
Protokolle von Telefongesprächen sowie Fotos vorgelegen - nach
Ansicht von Premier Erdogan illegale Dokumente, da die Ermittler kein
Recht gehabt hätten, seinen Sohn abzuhören. Die Regierung
wirft den Staatsanwälten ohnehin vor, bis zu 7000 Politiker,
Geschäftsleute, Journalisten und Künstler unrechtmässig
belauscht zu haben.
Die Regierung weist die immer neuen Mitschnitte als "Fälschungen"
zurück. Das seien "unmoralische Montagen", sagt Erdogan, ein
"dreckiges Komplott" seiner Gegner, um ihn zu stürzen. Damit meint er
seinen einstigen Weggefährten Fethullah Gülen und sein Netzwerk,
mit dem er sich einen erbitterten Machtkampf liefert. Erdogan ist in der
Defensive. Am Dienstag sprach er von einer "Roboterlobby", die am Werk
sei. Ein früher veröffentlichtes Telefonat mit einem Manager
des Nachrichtensenders Habertürk, in dem der Regierungschef in die
Berichterstattung eingreift, hatte der Regierungschef eingeräumt. Er
sei da aber nur gegen "Beleidigungen" vorgegangen, sagte er.
Der bizarre Kampf um die Aufnahmen wird vor allem im Internet
geführt. Auf Twitter und Facebook posten Erdogan-Anhänger
angebliche Beweise, wonach die Mitschnitte gefälscht sind. Seine
Gegner wiederum verbreiten ihre Ansicht, wonach die Aufnahmen echt
sind. Selbst neutrale Beobachter sind sich uneinig. Manche weisen
darauf hin, dass eine Verwicklung der Familie Erdogan in das Gesamtbild
passe. Andere wiederum verweisen darauf, dass die Gespräche wie
abgelesen klingen und Erdogan, der selbst in einem der Gespräche
darauf verweist, man werde abgehört, solche Telefonate niemals
führen würde.
Für die Opposition sind sie so oder so ein Geschenk - sie nutzt sie,
um damit Wahlkampf zu machen. Am 30. März sind Kommunalwahlen, von
denen eine Richtungsentscheidung erwartet wird. Bis dahin dürften
weitere Videos auftauchen.