Ein politischer Skandal in Deutschland heisst "Fall Edathy".
Der Fall ist spannend für die Medien, denn es gibt viele
Rätsel: hat der Politiker verbotene Bilder gekauft? Sind
Bilder von nackten Jungen Pornographie? Wo sind die Grenzen?
Sind Bilder wie
diese
heute schon verboten? Hat sich die Staatsanwaltschaft verrannt und vorverurteilt? Waren
Hausdurchsuchungen angebracht? Hat jemand den Politiker vorgewarnt? Hat der Politiker
Material vernichtet?
Wie reagieren Politiker und Kollegen, die eine heisse "Kartoffel" fallen lassen müssen?
Die Sache ist brisant und spannend wie ein Kriminalroman, denn es könnte noch
Überraschungen geben. Der Ausgang der Geschichte ist offen.
Der Spiegel:
Politische Skandale laufen meist nach dem gleichen
Muster ab. Etwas geht schief, es wird irgendwie gemauschelt und
vertuscht. Dann kommt die Sache doch heraus - und alle Beteiligten rufen:
"Rette sich, wer kann!" So ist es auch im Fall Sebastian Edathy zu
beobachten. Jetzt ist der Skandal da - und keiner will es gewesen
sein. Das ist menschlich, führt aber nur zu neuen Fragen und
Widersprüchen. Damit ist eines sicher: Die Affäre Edathy
beginnt jetzt erst. Die Besonderheit dieses Skandals besteht darin,
dass so viele Spitzenleute mehr oder weniger stark davon betroffen
sind. Ja, sie alle haben womöglich Fehler begangen. Das gilt es
jetzt aufzuklären. Es muss genau hingeschaut werden.
Die Staatsanwaltschaft hat schon über den Verdacht berichtet:
der Politiker soll 31 Bilder in Kanada gekauft haben. Edathy legte sein
Mandat nieder, doch Durchsuchungen von seinen Computern haben nichts zu
Tage gebracht. Die Sache ist komplizierter, weil
nach
Spiegel:
Edathy möglicherweise von dem bevorstehenden
Ermittlungsverfahren wusste und deshalb am vergangenen Freitag seinen
Rücktritt aus dem Bundestag erklärte, um einem Verfahren
auf Aufhebung der Immunität zuvorzukommen. Die Frage stellt sich
deshalb, ob und von wem Edathy gewarnt worden sein könnte.
Edathy selbst meint, er sei nicht gewarnt worden und bestreitet die
Vorwürfe, illegales gemacht zu haben.
Spiegel:
SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hat
Kontakte zu Tippgebern bestritten, die ihn vorab über die
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in Kenntnis gesetzt haben
könnten. In einem Interview mit dem SPIEGEL verwies er darauf,
lediglich auf Presseberichte reagiert zu haben. "Mitte November 2013
gab es in der deutschen Medienlandschaft Berichte, wonach eine Firma in
Kanada von dortigen Behörden der Verbreitung illegalen Materials
bezichtigt werde", sagte Edathy. "Da mir erinnerlich war, bei einer
kanadischen Firma, um die es mutmasslich ging, vor etlichen Jahren
Material bezogen zu haben, das ich für eindeutig legal halte,
habe ich einen Anwalt um Beratung gebeten." '
Warum verletzte Friedrich das Dienstgeheimnis? Warum konnte Gabriel den
Mund nicht halten? Warum rief Oppermann beim BKA an? Warum wusste die
Kanzlerin wieder mal von nichts? Aus lauter Angst, Fehler zu machen,
haben Spitzenpolitiker in der Affäre Edathy alles falsch gemacht.
ANZEIGE Ursprünglich ging es hier einmal um eine Einzelperson, um
die deviante Sexualität eines Bundestagsabgeordneten, Bilder von
nackten Jungen, staatsanwaltliche Ermittlungen. Nun erlebt Deutschland
gerade etwas, was man sonst nur aus Ländern kennt, auf die die
Deutschen gewöhnlich herabblicken: eine Regierungskrise. Dafür
ist aber nicht die traurige Neigung des ehemaligen SPD-Abgeordneten
Sebastian Edathy verantwortlich, sondern der Mangel an Führungs-
und Verantwortungsbereitschaft an der Regierungsspitze.
Die Affäre Edathy wirft ein trübes Licht auf die
Beteiligten. Vor allem auf Sebastian Edathy, den unglücklichen
SPD-Politiker, der dem SPIEGEL sagte: "Ich erwarte keine
Besserstellung gegenüber anderen Bürgern, aber ebenso keine
Schlechterstellung." Aber schlechter kann man nicht mehr gestellt sein
als einer, auf dessen Namen der Schatten der Pädophilie fällt.
Kindesmissbrauch ist es auf alle Fälle, wenn in irgendeiner elenden
Ecke im Norden Rumäniens Nacktfilme von kleinen Jungen gedreht
werden und sie dafür ein paar Münzen bekommen. Im neuen SPIEGEL
kann man über die Hinterzimmer in den armseligen Dörfern und
Siedlungen an der Grenze zur Ukraine lesen, wo die Leute keine Arbeit
haben und fünf Euro eine Menge Geld sind. Von da ist es heute nicht
weit bis zum Rechner eines deutschen Bundestagsabgeordneten.
Edathy soll von einer kanadischen Firma nicht-pornografische
Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen gekauft haben. Sexuelle
Handlungen sind offenbar nicht zu sehen, und eine Fokussierung auf den
Genitalbereich liegt wohl nicht vor. In einem internen BKA-Vermerk wird
das Bildmaterial als "strafrechtlich irrelevant" eingestuft. Aber das
spielt schon keine Rolle mehr. Nicht die juristische Dimension macht
den Fall Edathy zur Affäre - sondern der politische Dilettantismus.