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www.rhetorik.ch aktuell: (24. Jan, 2014)

Zwanghaft wiederholte Quatschfragen

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Die Sendung Markus Lanz zeigte einen Mderator, der durch penetrante und peinliche Frageunterbrechungen die Zuschauer verärgerte. Es wurde gar eine Online petition gestartet. Der Spiegel nannte die Moderationsart

"Zwanghaft wiederholte Quatschfragen".


Aus dem Spiegel
Markus Lanz hat sich wie ein wildgewordener Kleinbürger benommen, er war unhöflich, aufdringlich und laut, er war grenzüberschreitend und dabei von einem vorgetäuschten Willen zur politischen Härte und Aufklärung getrieben. Er beleidigte nicht nur seinen Gast Sahra Wagenknecht, er desavouierte gleich auch noch sein Studiopublikum, er unterbrach Wagenknecht mit kindischer Penetranz und nannte sie dafür am Ende "frech", was im geschmacksverstärkten Gebührenfernsehen ja ein Moment der tragischen Schönheit und der Wahrheit hätte sein können; alle Masken unten, alle Menschen nackt - wenn dieser Auftritt nicht viel zu armselig und damit auf unangenehme Weise erhellend gewesen wäre. Eine Art rhetorischer Zangenübergriff von Lanz gemeinsam mit Hans-Ulrich Jörges, der das Wort "Stuss" so heftig hervorstiess, dass es wie eine Form der Schnappatmung wirkte.

So weit also nichts Neues aus der Vorhölle des deutschen Fernsehens. Und es wäre auch das ganz normale ZDF-Donnerstagabend-Fiasko geblieben, ein bisschen Verwunderung über die Farce, die einem dort geboten wird, ein bisschen Verärgerung über das Geld, dass sie dafür bekommen, ein bisschen vorgespielte Zerknirschung aus dem Apparat heraus, wenn es nur um Markus Lanz gegangen wäre. Aber die Wut, die sich an diesem einen symptomatisch missglückten Interview entlud, ist ja eben mehr als die Wut auf einen Moderator, der verlässlich versagt. Es ist die Wut auf einen Sender und auf ein System, das einen wesentlichen Teil seiner Zuschauer seit Jahren mit Verachtung straft und diese Verachtung nun in Form einer zornigen Online-Petition zurück bekommt.

Denn das war der Kern, das Motiv, das eigentlich Verstörende an dem Auftritt von Markus Lanz - die Art und Weise, wie er sein Denken als das Denken der Mehrheit und als das einzig vernünftige und mögliche und wahre Denken präsentierte, alles auf die Spitze getrieben in der bekenntnishaften und zwanghaft wiederholten Quatschfrage an Sarah Wagenknecht: Für Europa oder gegen Europa, sind Sie für oder gegen Europa, sagen Sie schon, im Ernst, ernsthaft, kommen Sie schon, für oder gegen Europa!? Was sich anhörte wie: Sind Sie für uns oder gegen uns? Machst du mit oder bist du ein Verräter?
Aus dem Tagi:
Schwer vorstellbar, dass Markus Lanz am Samstag in "Wetten, dass..?" seinen Gästen - der Sängerin Yvonne Catterfeld, dem Komiker Atze Schröder und dem "Bergdoktor" Hans Sigl mit unbequemen Fragen auf den Leib rücken wird. Sein Pensum an kritischem Journalismus hat er in der nach ihm benannten Talkshow am 16. Januar bereits übererfüllt, als er Sahra Wagenknecht nach charmanter Anmoderation ("die schönste Linke aller Zeiten") einmal so richtig zeigte, dass er nicht nur nette Seiten hat. Er deckte die Linken-Politikerin mit dümmlichen Unterstellungen und inquisitorischen Fragen ein und fuhr ihr bei jedem Antwortversuch lächelnd über den Mund. (...)

Markus Lanz, die Allzweckwaffe des ZDF, hat es derzeit nicht leicht. Die Quoten von "Wetten, dass..?" rauschen in den Keller; selbst Hollywood lacht angeblich schon über die Schokoladenduschen, Sackhüpfspiele und Schleimereien des Gottschalk-Nachfolgers. Lanz-Bashing ist in: Auf dem Twitter-Hashtag #Lanz wird nach Herzenslust gepöbelt, der Facebook-Daumen senkt sich bedrohlich über dem Gladiator in der Arena. Web-Sites wie Hat-markus-lanz-etwas-aufgedeckt.de und Medienkritiker wie Stefan Niggemeier bezweifeln die journalistische Kompetenz des 44-jährigen Südtirolers. (...)

"Wenn der Shitstorm kommt", sagte Lanz einmal, "müssen Sie in der Lage sein, gedanklich einfach mal die Spültaste zu drücken." Jetzt steht er knietief im Shitsturm und kann sich mit jedem Wort nur noch tiefer hineinreiten. Sein Schweigen könnte da die Rettung sein. Der Wirbel um das Gabriel-Interview der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka kürzlich zeigte, wie gereizt das Klima in der Mediendemokratie inzwischen ist.

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