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www.rhetorik.ch aktuell: (03. Aug, 2013)

1. Augustreden Bundesrat

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
20 Min:



Bundesräte betreiben zuviel Phrasendrescherei

von Hannes von Wyl - Ueli Maurer wartet mit der Bibel auf, 
Doris Leuthard jammert auf hohem Niveau und Didier Burkhalter fällt
mit SVP-naher Rhetorik auf. Eine Festreden-Analyse des Experten Marcus Knill.

1. Augustreden Bundesräte

In den Ansprachen der Bundesräte und -rätinnen spiegeln
sich Ereignisse und Entwicklungen, die die Schweiz prägen. Der
Kommunikationsexperte und Polit-Coach Marcus Knill hat die Festreden
der Landesregierung untersucht und zeigt auf, welches Bild die
einzelnen Bundesräte von der Schweiz zeichnen.  Bildstrecken Die
1.August-Glückwünsche der PromisGSoA-Aktivisten mit Ladehemmung
bei Maurer

Ueli Maurer - David gegen Goliath

Im Fokus der Festrede von VBS-Vorsteher Ueli Maurer steht das
Verhältnis der Schweiz zur EU und den USA. Maurer sieht die Schweiz
dabei von grösseren Nationen "unter Druck gesetzt und erpresst". Dazu
bemüht der SVP-Bundesrat die biblische Geschichte vom kleinen David,
der dem grossen Goliath mutig entgegentritt.

Für Kommunikationsstratege Marcus Knill ist diese Analogie ein
geschickter Schachzug: "Die Schweiz wird als siegreicher Kämpfer
gegen das übermächtige Ausland dargestellt." Das sei zwar
normale SVP-Taktik, komme aber besonders am patriotischen Nationalfeiertag
gut an, sagt Knill. Dabei bestehe aber die Gefahr, komplexe Entwicklungen
und Problemstellungen auf ein simples Schwarz-Weiss-Schema zu reduzieren.

Johann Schneider-Amman - Keine klare Haltung

"Der Vorrat an Gemeinsamkeiten in fundamentalen Fragen droht zusehends, zu
schwinden", stellte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Amman in seiner
Rütli-Rede fest. Dem mit stärkerer Regulierung zu begegnen,
sei aber der falsche Weg. Dazu brauche es Freiheit, die mit Verantwortung
getragen wird. Das sei "echter Liberalismus", so Schneider-Amman.

"Der Widerspruch von Freiheit und Regulierung ist nicht neu", sagt
Knill. "Auch Bundesrat Schneider-Amman kann darauf keine Antwort
geben.  Teamgeist und Solidarität sind zwar schöne Worte, als
Lösung reichen sie aber nicht." Für den Kommunikationsexperten
zeigt sich hier die Schwierigkeiten der FDP, sich klar zu positionieren.

Didier Burkhalter - SVP-nahe Rhetorik

Der Aussenminister Didier Burkhalter betont die Wichtigkeit der
bilateralen Abkommen mit der EU, "die die Eigenständigkeit der
Schweiz sicherstellen." Laut Burkhalter liegt die Entscheidungsgewalt
dabei beim Schweizer Volk. "Einen wie auch immer gearteten Automatismus
wird es nicht geben", sagt der FDP-Bundesrat in seiner Ansprache in der
lettischen Hauptstadt Riga.

Dass der Aussenminister den bilateralen Weg verteidige, sei zu erwarten
gewesen, sagt Marcus Knill. "Das Schweizer Volk aber als einzigen
Entscheidungsträger zu postulieren überrascht. Das ist SVP-nahe
Rhetorik", meint der Kommunikationsberater.

Doris Leuthard - Unoriginell

Gleich wie Bundesrat Schneider-Amman beschwörte auch die Umwelt-
und Verkehrsministerin "die Bereitschaft, für einander da zu sein"
als typisch schweizerische Tugend. Anstehende Reformen sollten mit
Dialogbereitschaft angegangen werden. "Doch dies sei eigentlich Jammern
auf hohem Niveau", bilanzierte die CVP-Bundesrätin.

Leuthard stelle Wilhelm Tells Aussage "Der Starke ist am mächtigsten
allein" in Frage, sagt Experte Knill. "Das ist ein deutlicher
Wink mit dem Zaumpfahl gegen alle politischen Kräfte, die eine
Isolationspolitik huldigen." Stattdessen solle man am gleichen Strick
ziehen und zusammenstehen. "Die Schweiz, ein einig Volk. Das ist schon
lange kein originelles Motiv mehr", so der Kommunikationsprofi.

Simonetta Sommaruga - Trotz neuer Frisur die Gleiche

Veränderung führe nicht automatisch zur Auflösung von
Identität, stellte die Justizministerin in ihrer Ansprache fest. Sie
habe sich unter anderem mit einer neuen Frisur persönlich stark
verändert, "und doch bin ich kein anderer Mensch geworden." Dasselbe
gelte für die Schweiz und ihre Bewohner.

Auch Sommaruga stellt sich mit ihrem Aufruf zu mehr Offenheit gegen die
isolationistische Rede Maurers, stellt Knill fest. Der Politberater weist
aber darauf hin, dass Wandel nur gut sei, wenn er zu Verbesserungen
führe. "Ob das beim von der Bundesrätin angeführten
Niedergang des Bankgeheimnisses so ist, ist zumindest fraglich",
sagt Knill.

Alain Berset - Tritt ans Schienbein der SVP

Der SP-Bundesrat sieht "Fortschritt und Beharren, Veränderung und
Kontinuität" als die Pfeiler, auf denen das Selbstverständnis
der Schweizer beruht. Berset plädiert in seiner Festrede für
einen pragmatischen Dialog mit der EU in Bezug auf den Finanzplatz. Dabei
gäbe es "keinen Grund, eine Wagenburg zu bilden." Vielmehr solle
die Schweiz selbstbewusst und pro-aktiv auftreten, so der Vorsteher des
Departementes des Innern (EDI).

"Berset verknüpft geschickt Tradition und Fortschritt", sagt
Knill. "So fühlen sich konservative Kräfte und progressive Leute
gleichermassen angesprochen." Der Aufruf zu einem pragmatischen Dialog
mit der EU widerspreche dabei der Haltung der SVP diametral. Mit dem Satz
"verharren und beharren, bis es nicht mehr geht - das ist eine Haltung,
die schlicht unter dem Niveau der Schweiz ist" kritisiere Berset direkt
die Starrhalsigkeit der Volkspartei, so Knill.

Eveline Widmer-Schlumpf - Verteidigt sich selbst

Die Erfolgsgeschichte der Schweiz könne mit Offenheit,
Realitätssinn, Selbstbewusstsein und Mut fortgeschrieben werden,
sagte die Finanzministerin. Dazu müsse man zusammen arbeiten, "denn
die Schweiz geht uns alle etwas an, auch wenn wir nicht alle gleich sind
und gleich denken."

Die Ansprache der BDP-Bundesrätin sei klar eine Verteidigungsrede,
stellt Knill fest. "Sie betont, dass man der Realität ins
Auge sehen müsse. Das heisst, dass sie die Tatsachen erkennt,
während andere träumen", sagt er. "Mit den Schlagwörtern
Selbstbewusstsein und Mut versucht sie sich wahrscheinlich nach den
politischen Attacken der letzten Monate selber aufzubauen."

Wenig Fleisch am Knochen

Bei den wenigsten Zuschauern dürfte wirklich etwas hängen
geblieben sein, bilanziert der Kommunikationsexperte Marcus Knill. "Es
wird zuviel Phrasendrescherei betrieben." Von einer Festrede eines
Bundesrats am Nationalfeiertag erwarte er Antworten auf drängende
Fragen, sagt Knill.  "Das ist aber gar nicht das Ziel der Reden. Die
Landesregierung will bei der Bevölkerung einfach ein wohliges
Wir-Gefühl erzeugen."

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