Das neuste Buch "Der kleine Lügendetektor"
von Joe Navarro listet 216 Verhaltensweisen auf, die Lügen aufzeigen
sollen. Früher jagte Navarro Spione fürs FBI. Heute berät
er Pokerspieler.
Nach Navarro ist es nicht nur das Gesicht, das Personen
als Lügner entlarvt: "Die meisten Leute haben ihre Miene unter
Kontrolle. Oft sind es die Füsse, die das Lügen verraten."
Es zeigte sich bei Verhören des FBI, dass der Befragte
bei einer überraschenden Schlüsselfrage die Füsse abrupt
zurück gezogen hatte oder sich um die Stuhlbeine schlangen.
Doch: Wer mehr übt, ist besser. So schneiden
Geheimdienstler bei Befragungen besser ab. Seit Millionen
Jahren kommunizieren wir nonverbal. Die Köpersprache wird vom
limbischen System gesteuert. Babys können das Sich-wölben der
Augenbrauen bereits mit vier Wochen erkennen. Begegnet ihm ein Mensch
mit starrem Gesicht, beginnt es zu weinen. Wir haben unzählige
Verhaltensweisen verinnerlicht und verfügen über ein gutes
Navigationsgerät um Lügner zu erkennen. Leider haben viele
Menschen ihre Wahrnehmungsfähigkeit vernachlässig oder es
wurde im Alltag zugeschüttet. Lügendetektoren sind nach der
amerikanischen Akademie der Wissenschaften unwissenschaftlich.
Methoden, die in Krimis gesehen werden, taugen nach Navarro nicht viel.
Auf den Tisch hauen oder den Thermostat aufdrehen, damit der Verhörte
schwitzt sind kontraproduktiv. Wir sehen das natürliche Verhalten
nicht mehr. Es lohnt sich das Verhalten der befragten Person genau
zu beobachten und zu protokollieren. So werden beim FBI
"Ventilatoren" bemerkt: bevor die Person antwortet, zupft sie das Hemd oder
die Bluse weg vom Körper. Der Körper reagiert auf die unbequeme
Frage, indem er aufheizt, und die Person will sich Luft verschaffen.
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Hier sind einige Punkte aus dem Buch (das im Wesentlichen aus einer Checkliste
besteht):
"Ohrläppchen massieren, Kopf kratzen, Finger durch
die Haare, mit Haaren spielen, Nicken, Haare glattstreichen,
Schweiss, Stirnrunzeln, Augenbrauen zusammenkneifen, Stirn massieren, Stirn anspannen,
Hut in stirn ziehen, Hand an die Stirne pressen, Augenbrauche hochziehen, Erweiterte
Puillen, Augenflatten, Augen bedecken, Weinen, Starren, Versohlener Blick, Wegsehen,
Blinzelfrequenz, Augenbrauenzucken, Unruhiger Blick, starre Augen, Nasenzupfen,
bebende Nasenflügel, Nase rümpfen, erhobene Nase,
Fingerspitzen an die Lippen, in die Lippen beissen, Lippen lecken, schmale Lippen,
Lippenbeben, Husten, Unterbrechungen, Laut und kurz ausatmen,
nervöses Lächeln, Falsches Lächeln, Zunge hin und herbewegen,
Luft anhalten, Kaugummikaufrequenz erhöhen, Mundwinkel entspannen,
Tonlage ändern, Gesichtszuckungen, Kiefer anspannen, Wange kratzen,
Mundwinkel und Wange zusammenkneifen, Kinn anziehen, Kinn berühren, mit
der Halskette spielen, Halsgrube bedecken, Nacken massieren, Nacken drehen, schwer schlucken,
erröten von Geicht, hohe schulten, Schlüsselbein reiben, Massieren
der Brust, verschränkte Arme, sich selbst umarmen, mit Gegenständen
spielen, Händeringen, Finger spreizen, am Stuhl festhalten, Nägelkauen,
Fingernägel schnippen, steife Sitzhaltung, Beine reiben, mit Füssen scharren,
erstarrte Füsse".
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Ob das "Praxisbuch" auch brauchbar ist, muss sich noch zeigen, denn viele der Körpersignale
die in der "Checkliste" angegeben werden, schliessen sich gegenseitig aus. Checklisten sind im
Allgemeinen fraglich. Wenn jemand etwa
nicht die Füsse bewegt, dann ist das verdächtig, (erstarrte Füsse), wenn aber
die Füssen bewegt werden, dann ist das auch verdächtig (Füsse scharren).
Eine solche Checkliste in Buchform macht solche Clues auch sofort unbrauchbar.
Die Navarro Checkliste wird deshalb auch eher nur Möchtegern Detektive oder Krimi
Drehbuch Autoren nützlich sein.
Navarro ist nicht der einzige Guru in Sachen Lügensprache. Und
andere Experten haben andere Meinungen. Psychologen sind am Phenomen Lügen interessiert.
So erwähnt
ein Artikel eine
Studie in einer
Fachzeitschrift, die zeigt, dass das menschliche Gehirn mehr Mühe
mit Lügen hat, wenn die mentale Belastung zunimmt. Wenn etwa
eine Geschicht rückwärtz erzählt werden muss, dann ist
es leichter, die Wahrheit zu finden. Und die Produzenten einer TV Show "NCIS"
brauchen Erkenntnisse aus solchen Fachartikeln schon: Der Agent Jethro Gibbs braucht
die Rückwärtsmethode.
Das widerspricht klar der Navarro Aussage, dass "Methoden,
die in Krimis gesehen werden, nicht viel taugen." Krimiautoren kennen
sowohl Bücher fürs allgemeine Publikum also auch Fachliteratur.
Natürlich ist auch diese "Waffe" wirkungslos, wenn die Person dies weiss
und das "Rückwärz erzählen" trainiert hat, wie auch darauf achtet,
nicht an der Nase oder Bluse zu zupfen, oder mit den Füssen zu scharren.
Die Kunst, Lügen zu entdecken, ist und bleibt eine "schwarze Kunst"
als auch eine Arena für Scharlatane.
Hier sind Seiten aus einem Buch von Navarro über Poker: