Tagesanzeiger:
Herr Knill, nach langem Schweigen erklärt sich Uli Hoeness in einem
grossen Interview in der "Zeit". Gelingt es dem als Steuersünder
entlarvten Moralisten, Sympathien zurückzugewinnen? Hoeness zeigt
Reue und räumt Fehler ein. Er sagt, dass er einen Riesenmist gebaut
habe, den er so gut wie möglich korrigieren wolle. Dabei betont er,
dass er trotz allem kein schlechter Mensch sei. Eigentlich will er sagen,
dass alle Menschen Fehler machen. Das Eingeständnis von Fehlern
ist zwar grundsätzlich der richtige Weg in solchen Situationen. Das
Fehlereingeständis von Hoeness kommt allerdings zu spät.
Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt gewesen? Hoeness hätte
nach den ersten Medienberichten am 20. April sofort reagieren
müssen. Solche Skandalgeschichten über prominente Personen
entwickeln sich zu Selbstläufern - nicht zuletzt wegen der
Beschleunigung durch die Internetberichterstattung. Es entsteht rasch
eine Eigendynamik, die von den Betroffenen kaum noch gestoppt werden
kann. Wie der Fall des früheren deutschen Bundespräsidenten
Christian Wulff zeigte, kann ein stark beschädigtes Image kaum noch
repariert werden. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt der Grundsatz:
Das Image schlägt die Fakten. Strafrechtlich ist praktisch nichts
an Wulff hängengeblieben, dennoch ist der Mann erledigt.
Im "Zeit"-Interview räumt Hoeness nicht nur Fehler ein. Er sagt auch,
dass sein Leben seit der Hausdurchsuchung im März zur Hölle
geworden sei. Und er betont auffallend oft, wie sehr er an der Sache
leide. Wie beurteilen Sie solche Aussagen? Hoeness macht auf Mitleid, das
ist ganz klar. Er erzählt, wie er sich nachts im Bett wälzt und
nicht schlafen kann. Immerhin: Dieses Leiden ist nicht gespielt. Hoeness
ist im Moment wirklich am Boden. Das spürt man an seinen Aussagen im
"Zeit"-Interview. Das sieht man aber auch an aktuellen Fernsehbildern,
die ihn mit hochrotem Kopf zeigen.
Im Interview äussert sich Hoeness ausführlich über sein
fast schon krankhaftes Zocken an der Börse, aber eher wenig über
Steuerbetrug. Kann ein Spielsüchtiger mit mehr Nachsicht rechnen
als ein Steuerbetrüger? Die Grundaussagen von Hoeness sind: Ich
war ein Zocker, bin es aber nicht mehr. Ich bin weder ein kranker noch
ein schlechter Mensch. Das Ganze ist aber blöd gelaufen. Was seine
Steuervergehen anbelangt, bleiben aber viele Fragen offen.
Sie haben den Fall Hoeness mit dem Fall Wulff verglichen. Steht
es wirklich so schlimm um die Glaubwürdigkeit des
Bayern-Präsidenten? Hoeness steht extrem am Pranger, er wird seit
über zwei Wochen öffentlich fertiggemacht. Hohe Politiker, die
sich bisher gerne mit ihm zeigten, haben sich von Hoeness abgewendet. Das
Image von Hoeness ist derart angeschlagen, dass er in absehbarer Zeit ein
Buhmann bleiben wird. Wasser predigen und Wein trinken: Das mögen
die Menschen gar nicht, weder bei Politikern noch bei Managern, zu denen
auch Hoeness zählt. Der Schriftsteller Günther Grass war viele
Jahre das Gewissen der deutschen Nation - bis publik wurde, dass er als
junger Mann der Waffen-SS angehört hatte. Hoeness hat im Moment
insofern Glück, als dass der FC Bayern derzeit sehr erfolgreich ist
und begeisternden Fussball spielt. Die damit verbundenen Sympathien und
der sportliche Erfolg fallen auch auf Hoeness zurück - schliesslich
ist Hoeness der FC Bayern.
Was würden Sie Hoeness raten, wenn er Ihr Klient wäre? Ruhe
bewahren, Distanz gewinnen und zur Situation stehen. Bei künftigen
Interviews darf Hoeness sein Fehlverhalten in der Steueraffäre weder
beschönigen noch rechtfertigen. Gleichzeitig muss er versuchen, das
Aufwärmen alter Geschichten zu stoppen. Etwa im folgenden Sinne:
"Ich habe doch längst gesagt, dass ich Mist gebaut habe. Sind wir
denn im Mittelalter? Muss mir noch der Kopf abgehackt werden?" Daneben
könnte sich Hoeness auf neue Projekte fokussieren. Als sozial
engagierter Mensch dürfte ihm dies nicht schwerfallen. Nicht zuletzt
muss Hoeness - wie bei einem Aufstehmännchen - die Energie, die
selbst bei einem solch tiefen Fall entsteht, zu nutzen versuchen.
Und wie kann ihm das gelingen? Hoeness kann neue Energie
schöpfen, indem er zum Beispiel das Familienleben und gute
Freundschaften pflegt oder auch Medien als Partner nutzt und mit
diesen zusammenarbeitet. Schliesslich sollte sich Hoeness nicht mehr
über das Geld definieren, sondern über sich selbst - als
Mensch. (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)