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www.rhetorik.ch aktuell: (13. Mar, 2013)

Der neue Papst

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:

Weisser Rauch. Ein neuer Papst ist gewählt. Für viele ein historischer Moment. Die Spannung wächst. Ein Komiker tweetet:
"Bin gerade noch bei der Anprobe! Komme aber gleich zum Winken 
auf den Balkon... #NeuerPapst"
Liveticker und Livestreams überall, wie auf Spiegel. Wer wird es sein? Kardinalprotodiakon Tauran kommt auf den Balkon und spricht das "Habemus Papam". Der Name ist Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien. Er wird Papst Franziskus I heissen.



Zum ersten Eindruck des neuen Papstes Franziskus:

Bei der Begegnung einer Person urteilen alle Leute sehr schnell, ob jemand sympathisch ist oder nicht. Dieser Entscheid wird innerhalb weniger Sekunden gefällt. Erstaunlicherweise muss man kein Experte sein, um die Wirkung einer ersten Begegnung zu beurteilen. Auch Laien erkennen sofort, ob eine Person authentisch auftritt oder ob sie uns etwas vorgaukelt. Mein Vorgehen: Ich beschreibe jeweils zuerst immer genau das, was ich sehe und achte darauf, wie diese Person auf mich wirkt. Meine Beobachtungen beim Erscheinen des neuen Papstes vor dem Publikum: Franziskus tritt ruhig, sicher und bedacht auf dem Balkon vor der Menschenmasse auf. Aufrecht - in weiss - steht er gut geerdet da und blickt wohlwollend zum Publikum. Eine Hand streicht er - das Volk gleichsam segnend - vor sich waagrecht hin und her. Stabil, mit offenem Blick. Die niedere Lidzahlfrequenz, welche Menschen nicht steuern können, signalisiert trotz verständlicher Spannung innere Lockerheit. Die ungewohnte Begrüssung "guten Abend" wirkt wie ein Eisbrecher. Die Brücke zum Publikum ist errichtet. Die überlange Pause strahlt für mich Sicherheit aus. Franziskus steht sehr lange ruhig da. Die Hände hängen vorerst seitlich am Körper. Kein Schwanken, kein Zittern, keine Signale von Nervosität. Wer sich so präsentiert vor einem Millionenpublikum (den 3800 Journalisten und unzähligen Radio und TV Sendern, die alle auf den neuen Pontifex fokussiert sind), der muss innerlich im Lot sein. Beim "Unser Vater" und während des Ave Marias stelle ich fest: Die Gestik ist natürlich und aussagekräftig, die Stimme auf einer ausgeglichenen Resonanzlage, die Mimik wohlwollend - ab und zu mit einem bescheidenen, sanften Lächeln. Das lange Schweigen, die Demut, die angenehme Zurückhaltung - aber ebenso die stattliche, sichere Haltung, die wohlwollende, natürliche Ausstrahlung, dies alles überzeugt mich. Es stimmt als Ganzes überein. Gesamtwirkung: So eine Person muss sympathisch wirken. Wir haben einen Menschen vor uns, der Bescheidenheit, Intelligenz und Menschennähe in sich vereint. Dieser erste Eindruck von einer schlichten Person, die auf Menschen zugehen kann, ist während den ersten Minuten noch nicht beeinflusst von den zahlreichen nachträglichen Zusatzinformationen aus der Presse, die positive oder negative Vorurteile auslösen könnten. Beispielsweise das Wissen um Herkunft, Vorlieben, Lebensgeschichte usw. Es nimmt mich wunder, ob das Verhalten des neuen Papstes diesen geschilderten ersten Eindruck bestätigt oder ob diese Wahrnehmung später revidiert werden muss. Fazit: Der erste Eindruck ist immer aufschlussreich. Er prägt jedenfalls die Einstellung gegenüber einer Person
Nachtrag vom 16. März, 2013


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