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www.rhetorik.ch aktuell: (17. Feb, 2013)

72 Millionen Abzocke

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:

Augustulus um 460 AC
72 Millionen Abgangentschädigung! Der goldene Fallschirm führte zu einem Aufruhr in der Schweiz und produzierte viel Wasser in die Mühlen der Abzockerinitiative.

Ein Kommentator meinte, dass 72 Millionen so viel ist, wie eine Durschnittsfamilie in 400 Jahren verdient. Es ist sogar noch extremer: mit etwas weniger als 3934 Franken pro Monat als Medianeinkunft in der Schweiz entspricht das 72,000,000/(47208) = 1525 Jahren Arbeit. Ein Arbeiter müsste also etwa seit dem Tod des weströmischen Kaisers Romulus Augustus geschuftet haben, um diese Menge Geld zu verdienen.

Ist vielleicht an der Zeit, die Dürrenmatt Komödie Romulus der Grosse zu lesen. Dürrenmatt zeigt darin Romulus, der auf seinem Landsitz Hühner züchtet und Spargelwein trinkt.

Vasella um 2010 AC


Die Geschichte hilft der Minder Initiative. Allerdings sind es noch zwei Wochen bis zur Abstimmung. Bis dahin kann die Geschichte wieder vergessen sein. Im Moment würde Minder mit grosser Wahrscheinlichkeit gewinnen, denn die Emotionen des Volkes sind stärker. Ob das bis zum 3.März hinhält, wird sich zeigen.
Spiegel:
Die Bezahlung eines Managers erhitzt in der Schweiz die Gemüter: Der Verwaltungsratspräsident des Pharmakonzerns Novartis, Daniel Vasella, soll nach seinem baldigen Ausscheiden aus dem Konzern weitere sechs Jahre lang stattlich vergütet werden: "Man käme im Laufe von sechs Jahren auf maximal 72 Millionen Franken", hatte Vasella im Schweizer Fernsehen erklärt. Bedingung sei lediglich, dass er nicht für ein Konkurrenzunternehmen arbeite und Novartis berate. Er bestätigte damit einen Bericht des Online-Finanzmagazins Inside Paradeplatz. Viele Schweizer empört diese Summe von umgerechnet rund 58 Millionen Euro. "Das geht über alle Dimensionen des Vernünftigen hinaus", sagte Markus Büchel, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, am Samstag in einem Radio-Interview. Justizministerin Simonetta Sommaruga sagte im Fernsehen, es brodle in der Bevölkerung. Die Wut über masslose Bonuszahlungen sei riesig. Und was über Vasella bekannt geworden sei, mache sie sprachlos. Auch der Präsident der wirtschaftsfreundlichen Partei FDP sagte: "Herr Vasella führt die liberale Schweiz aufs Schafott." Vasellas Ankündigung kommt nur zwei Woche vor der Volksabstimmung über Managerlöhne in der Schweiz. Die sogenannte Abzocker-Initiative sieht vor, dass Aktionäre in Zukunft verbindlich über Managerlöhne abstimmen können. Laut Umfragen hatten die Befürworter der Initiative schon vor der Nachricht zu der Abgangszahlung einen Vorsprung. Politologen und andere Beobachter gehen nun davon aus, dass es den Gegnern unter Führung des Wirtschaftsverbandes nicht mehr gelingen wird, das Blatt zu wenden. "Zu grotesk und dem gesunden Menschenverstand widersprechend waren die Auswüchse von Vasellas Vergütungen in den letzten Jahren", kommentierte die konservative "Neue Zürcher Zeitung"."Und zu stark ist das Empfinden, mit diesen Salären seien die in der Schweiz gültigen gesellschaftlichen Regeln missachtet worden." (...)
Nachtrag vom 19. Februar:

Vasella Wahnsinn, Vasella Gate. Medien in ganz Europe haben über das Konkurrenzverbot von Vasella berichtet (Blick Vasella hat dem Druck nachgegeben und verzichtet auf die 72 Millionen.) Die Proteststürme aus Politik und Wirtschaft waren zu gross.

Nachtrag vom 22. Februar, 2013:
Zum Auftritt Vasellas in Basel Vasella gesteht nur zwei Fehler ein - eine Entschuldigung fehlt. In seiner Rede an der Generalversammlung der NOVARTIS vom 22. Februar in der Jakobshalle in Basel versuchte Vasella, die Wut der Aktionäre und der Oeffentlichkeit zu besänftigen. Er sah ein, dass er zum Wahlhelfer für die Minder-Initiative geworden sei, sagte er in seiner Rede in Basel. Die heftigen Vorwürfe als Folge der Entschädigung sind an ihm keineswegs spurlos vorübergegangen. "Ich habe zwei vermeidbare Fehler gemacht", sagte Vasella. "Der erste Fehler war, diesen Vertrag auszuhandeln." Sein zweiter Fehler sei gewesen, zu glauben, dass eine Spende gesellschaftlich betrachtet etwas Positives sei. "Ich übernehme die Verantwortung für diese Fehler". Wer Vasella an der Versammlung hat live beobachten können, dem musste auffallen, dass die letzten Wochen an ihm gezerrt haben. Für mich sah er sehr mitgenommen aus! Vasella gab zwar zwei Fehler zu, leider zu spät und ich glaube nicht, dass dieser Auftritt viel zur Beruhigung beitragen konnte und der Reputationsschaden behoben ist. Wichtig: er entschuldigte sich mit keinem Wort vor der Versammlung! Ich habe das Verhalten in der Medien Uebertragung genau beobachtet. Der sportliche Manager wirkte hagerer, bleicher, angeschlagen. Das künstliche aufgesetzte Lachen hatte oft Züge von Häme - jedenfalls strahlte er keine echte, natürliche Freundlichkeit aus. Die Gesichtszüge wirkten zu angespannt. Die Mimik, die bleiche Hautfarbe wirkte sogar krank. Der Sprechfluss stimmte nicht. Er sprach zu kontrolliert. Das bewusste Bemühen, ruhig, beherrscht, zurückhaltend und gefasst zu wirken, war zu aufgesetzt. Er wirkte fahrig und nervös, sicher nicht souverän. Generell überzeugte Vasella bei diesem Stressauftritt nicht. Vor allem die Uneinsichtigkeit des Verwaltungsrates konnte niemand nachvollziehen. Die künftigen Zahlen hinsichtlich Beratertätigkeit wurde vom Juristen vernebelt. Es wurde lediglich gesagt: Diese Frage werde noch behandelt und später bekanntgegeben. Novartis hätte mit dieser Frage rechnen müssen und hatte die Chance, mit einer offenen, transparenten, konkreten Information zusätzlichen Schaden zu begrenzen. Ich zweifle an der Kompetenz der Berater Vasellas. Ob er sich von ihnen hat mitreissen lassen?

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