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www.rhetorik.ch aktuell: (30. Jul, 2012)

Tschuemperlin's Vorstoss

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
SP Fraktionschef Andy Tschümperlin hatte in einem Gespräch mit dem Sonntagsblick gemeint, dass man sich einen Bundespräsident auf Kollisionskurs nicht leisten könne.

"Ueli Maurer, so wie er sich bis jetzt verhält, ist nicht die richtige Besetzung für das Bundespräsidium. Die SP muss deshalb gut überlegen, ob Maurer 2013 die Regierung leiten soll. Ich finde nein - und werde mich dafür einsetzen."


Der Beitrag fand in allen Medien grosse Beachtung. Aus der NZZ:
Andy Tschümperlin, Chef der SP-Bundeshausfraktion, will verhindern, dass Ueli Maurer 2013 Vizepräsident des Bundesrats wird. "Diese Attacke nehme ich nicht ernst", sagt SVP-Präsident Toni Brunner. rz. Am letzten Wochenende wirbelte der Schwyzer Nationalrat Andy Tschümperlin Staub auf. Er werde sich persönlich dafür engagieren, dass Verteidigungsminister Ueli Maurer im Dezember nicht zum Vizepräsidenten des Bundesrats gewählt werde. Der SVP-Magistrat sei dieses Amtes nicht würdig, verkündete Tschümperlin via "Sonntags-Blick". Ungeschickt Was meint Toni Brunner dazu? "Ich kann Andy Tschümperlin nicht ernst nehmen", sagte der Präsident der SVP am Freitag am Rande eines Pressegesprächs. Wenn der SP-Fraktionschef tatsächlich plane, Ueli Maurer zu diskreditieren, dann müsste er schon geschickter vorgehen. Eine solche Attacke lanciere man sicher nicht via Boulevardpresse, schon gar nicht Monate vor dem Wahltermin, wenn man erfolgreich sein wolle. Toni Brunner seinerseits dreht den Spiess um: "Ich gehe davon aus, dass sich die SP im Dezember an die usanzmässigen Gepflogenheiten hält und Ueli Maurer zum Vizepräsidenten wählt." Zudem erwarte er, so Brunner, dass die Sozialdemokraten der SVP bei nächster Gelegenheit endlich einen zweiten Sitz in der Regierung zubilligten. "Sonst wüsste ich nicht, was die SVP noch im Bundesrat verloren hat." Erledigt Andy Tschümperlin habe sich mit seiner sommerlichen Aktion schlicht verrant, lautet das Urteil des SVP-Präsidenten. Diese Einschätzung hat einiges für sich. In den letzten Tagen haben mehrere SP-Fraktionskollegen auf Tschümperlins Offensive sehr reserviert reagiert. Ob sich der Schwyzer Nationalrat innerhalb seiner eigenen Fraktion isoliert hat, wie Toni Brunner zu glauben weiss, bleibt abzuwarten. Der SVP-Präsident jedenfalls ist nicht gewillt, den Fehdehandschuh aufzugreifen. "Für mich ist die Sache erledigt."
Eine Wahlverhinderung wäre der Coup des Jahres geworden. Man fragte sich, ob die Aussagen Andy Tschümperlins Taktik war oder ob sie für die SP zum Bumerang werde. War Tschümperlins Vorprellen lediglich bewusste Taktik, damit man von der SP spricht - oder nur eine billige Retourkutsche, um Micheline Calmy-Rey zu rächen, die 2010 von der SVP kaum eine Stimme bekam? Die Presse ging davon aus, dass der angekündigte Plan des Fraktionschefs selbstverständlich als SP-Plan geplant ist. Es gab nirgends eine Klärung; die Verlautbarung sei lediglich eine persönliche Gedankenskizze.

Dann wurden allmählich kritischen Stimmen verschiedender SP Politikern bekannt. Es zeigte sich dass der Plan von der Parteispitze nicht abgesegnet worden war. Tschümperlin hatte keine Rückendeckung in der eigenen Partei. Erst nach ein paar Tagen liess die Geschäftsstelle der SP Bern gegenüber der Aargauer Zeitung verlauten, es sei nur ein persönlicher Gedanke Tschümperlins gewesen. "Die Aussagen im SonntagBlick hätten alleine Tschümperlins Meinung wiederspiegelt. Die brisante Verlautbarung des Fraktionschefs nach ein paar Tagen plötzlich als persönliche Meinung zurückzustufen, machte Medien und Oeffentlichkeit stutzig. Die Partei will nun offensichtlich den Schaden begrenzen. Wohl wissend, dass Tschümperlins Plan kaum gelingen kann. Der SP Fraktionspräsident versuchte seinerseits, nachträglich, dem SonntagsBlick den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben. Im Gespräch mit dem Journalisten habe er nur seine persönliche Meinung gesagt, betonte er ebenfalls viel zu spät.

Die SP machte den Fehler, zu lange mit der Berichtigung zu warten Man hätte schon am Montag die Sache richtig stellen müssen. Die rechtzeitige Klärung wurde verpasst.


Der SP Fraktionschef muss sich deshalb nicht wundern, wenn ein Journalist die leide Geschichte wie folgt titelt: "Tschümperlin oder Stümperlin?"

Mehr über Tschümperlin

Nach der überraschend gewonnen Wahl attestierte damals Tschümperlins Vorgängerin Wyss, der neue Fraktionschef habe ein politisches Gespür, er sei befähigt, die Fraktion geeint zu führen. Beim jüngsten Eklat scheint nun der neue Fraktionschef weder das politische Gespür zu haben, noch fähig zu sein, die Fraktion geeint zu führen. Der verspätete Rückzieher könnte der SP Geschäftsstelle in Bern der Partei imagemässig schaden. Wenn Tschümperlin nach der Publikation eindeutig geklärt hätte, seine Idee sei nur als Diskussionsgrundlage für die Partei gedacht, so wäre der Medienwirbel versandet. Der publizierte Coup mit dem zu späten Rückzieher, ist insoweit auch kontraproduktiv, als das Lavieren bei Kommunikationsprozessen die Glaubwürdigkeit immer beeinträchtigt. Zudem könnte es bei der Wahl des Bundespräsidenten auch noch zu einem Mitleideffekt für Maurer kommen. Wir dürfen nicht vergessen: Die erfolgreiche - aber hinterhältige Nacht- und Nebelaktion vor der Abwahl Blochers - steckt immer noch viele Volksvertretern in den Knochen. Meist überzeugt Tschümperlin durch einfache, verständliche Formulierungen. Wenn er auftritt, ist immer gut geerdet. In der Arena sprach er mediengerecht, oft recht bildhaft z. Bsp: "Damit lassen wir den Wirtschaftmotor brummen". Seine erkennbare Pausentechnik signalisiert Sicherheit. Als Person wirkt der Politiker bei der freien Rede natürlich und glaubwürdig. Gestik und Inhalt stimmen dann überein.

Tschümperlin ist ein Politiker, der noch vor seiner überraschenden Wahl zum Fraktionschef der SP im Radio DRS gesagt hatte, er sei kein Softi Politiker. Mit dem brisanten Appell zur Verhinderung der Wahl Maurers zum Bundespräsidenten bewies nun Tschümperlin, dass er tatsächlich kein Softi Politiker ist.

Er denkt mit seiner Forderung weit voraus - bis zum Dezember. Dann nämlich wählt die Bundesversammlung den neuen Bundespräsidenten. Mit der vorschnellen Verlautbarung wollte er vielleicht nur zeigen: Ich bin der neue Fraktionspräsident! Ich mache Nägel mit Köpfen. Der Plan war brisant, weil er mit der bisherigen Tradition bricht. Parteiinterne Gespräche liefen bereits, behauptete Tschümperlin. Es suche nur noch Verbündete bei den Mitteparteien. Allein könnten die Genossen den Verteidigungsminister nicht bodigen. Der SP Politiker führte in der Begründung verschiedene Argumente an, weshalb der Tabubruch bei Maurer nicht nur angemessen, sondern notwendig sei. Maurer habe seine Rolle als Bundesrat auch nach mehreren Jahren im Amt nicht gefunden: "Maurer führt sich wie ein Parteipräsident auf und hat keine Achtung vor den politischen Gegnern." So habe er kurz nach der Widerwahl von Eveline Widmer-Schlumpf im Dezember 2011 das Bundesratszimmer verlassen - um seinen Frust darüber mit Parteikollegen kundzutun. "Unwürdig" für einen Bundespräsidenten, fand der neue SP Fraktionschef.

Ebenso unwürdig sind - nach Auffassung des ehemaligen Lehrers - diverse Interview-Aussagen Maurers - wie kürzlich erst im deutschen Meinungsblatt "Die Zeit". Dem sagte der SVP-Magistrat: "Heute will ja niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, in die EU." Die SP protestierte gegen die Unterstellung, EU-Befürworter hätte nicht alle Tassen im Schrank.

Im Parlament hingegen liest er seine Voten zu oft ab. Es fehlt dann jedoch der echte Blickkontakt, die "Brücke zum Du". Man fühlt sich jedenfalls nicht angesprochen. Ich habe Auftritte gesehen (z.Bsp. beim Auftritt anlässlich der Initiative für 6 Wochen Ferien). Da stimmt der rhythmische Akzent nicht. Die Betonungen sind aufgesetzt. Es wirkt so, als würde Tschümperlin den Text eines Ghostwriters rezitieren. Vor der Wahl - während der Wahl und nach der Wahl wiederholte  Tschümperlin bei allen Interviews seine Dachbotschaften  vorbildlich: "Ich nehme die Leute ernst und will eine Partei für ALLE vertreten, nicht nur für EINZELNE." Dies in Anlehnung an die treffende Parteibotschaft: "Für ALLE, statt für WENIGE!". Es fällt auf, dass Andy Tschümperlins Stimme in der jüngsten Phase der Rechtfertigung angespannter und damit auch höher klingt. Dies reduziert die Glaubwürdigkeit der Aussagen.

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