Das Regierungsprogramm in 200 Sekunden: François
Hollande hatte im TV-Duell mit Nicolas Sarkozy einen grossen Moment -
vielleicht den entscheidenden vor der Stichwahl am Sonntag. Fast 18
Millionen Franzosen haben am Mittwochabend die TV-Debatte zwischen
Präsident Nicolas Sarkozy und seinem Herausforderer François
Hollande verfolgt. Am Tag nach dem Duell wird immer deutlicher: Der
Sozialist hat dem konservativen Amtsinhaber die Schau gestohlen.
Den meisten Zuschauern ist von dem etwa dreistündigen Disput vor
allem eine Szene in Erinnerung geblieben. Etwas mehr als zwei Stunden
sind vergangen, als Moderatorin Laurence Ferrari fragt: "François
Hollande, was für ein Präsident wären Sie?"
Daraufhin stellt der Herausforderer in knapp 200 Sekunden in groben
Zügen seine Agenda für die Präsidentschaft dar. Hollande
verspricht einen neuen Führungsstil, der sich betont abgrenzen soll
vom sprunghaften und oft abgehoben wirkenden Sarkozy, von dem es auch
heisst, er reisse alles an sich und degradiere seine Kabinettsmitglieder
zu ausführenden Gehilfen. Er erklärt, ein Präsident sein
zu wollen, der sich aus der Parteipolitik heraushält und nicht allein
den Willen des linken Lagers umsetzt. Jeden dieser Punkte leitete Hollande
mit den Worten ein: "Moi, Président de la République" -
"Ich als Präsident der Republik".
Die Übersetzung aus dem Spiegel:
"Ein Präsident, der die Franzosen respektiert, der sie in Betracht
zieht. Ein Präsident, der nicht Präsident von allem sein will,
Chef von allem und tatsächlich verantwortlich sein für nichts.
Ich als Präsident der Republik wäre nicht der Chef der
Mehrheit. Ich würde nicht die Abgeordneten der Mehrheit im
Elysée-Palast empfangen.
Ich als Präsident der Republik würde meinen Premierminister
nicht als Assistenten behandeln.
Ich als Präsident der Republik würde nicht an
Spendensammelaktionen teilnehmen für meine eigene Partei in einem
Pariser Hotel.
Ich als Präsident der Republik würde die Justiz auf
unabhängige Weise arbeiten lassen. Ich würde nicht die
Mitglieder der Staatsanwaltschaft ernennen, wenn der Oberste Rat der
Staatsanwaltschaft dazu eine andere Meinung ausgesprochen hat.
Ich als Präsident der Republik würde mir nicht anmassen, die
Chefs der öffentlichen Fernsehsender zu ernennen. Ich würde
das unabhängigen Instanzen überlassen.
Ich als Präsident der Republik würde dafür sorgen, dass
mein Verhalten in jedem Moment vorbildhaft ist.
Ich als Präsident der Republik würde mir auch zu Herzen
nehmen, dass ich als Chef der Republik kein strafrechtliches Dossier
gegen mich vorliegen habe. Ich würde den strafgesetzlichen Status
des Präsidenten reformieren, so dass Handlungen, die ich vor meinem
Amtsantritt begangen habe, angefochten werden können und ich nach
bestimmten Voraussetzungen der Vorladung des betreffenden Richters
nachkommen oder mich vor den verschiedenen Instanzen verantworten kann.
Ich als Präsident der Republik würde ein Kabinett ernennen,
das zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen besteht.
Ich als Präsident der Republik: Da gäbe es einen ethischen
Kodex für die Minister, die sich nicht in die Situation eines
Interessenkonfliktes begeben dürften.
Ich als Präsident der Republik: Die Minister dürften nicht
gleichzeitig Kabinettsmitglied und Gemeindevertreter sein, weil ich
glaube, dass sie sich voll ihrer Aufgabe widmen sollten.
Ich als Präsident der Republik würde einen Erlass
zur Dezentralisierung verabschieden, weil ich glaube, dass die
Verwaltungsbezirke neue Luft zum Atmen brauchen, neue Kompetenzen,
neue Freiheiten.
Ich als Präsident der Republik würde dafür sorgen, dass die
Sozialpartner und Berufsvertretungen genauso berücksichtigt werden
wie die Gewerkschaften und wir regelmässig darüber diskutieren
können, was das Gesetz regelt und was Verhandlungssache ist.
Ich als Präsident der Republik würde grosse Debatten
anstossen. Wir haben über die Energieversorgung gesprochen, und
das ist eine legitime Debatte, damit es über solche Fragen grosse
Bürgerdiskussionen geben kann.
Ich als Präsident der Republik würde das
Verhältniswahlrecht für die Parlamentswahlen einführen,
nicht für die 2012, sondern 2017, weil ich glaube, dass es gut ist,
die Gesamtheit der politischen Befindlichkeiten abzubilden.
Ich als Präsident der Republik wäre auf Augenhöhe, um die
grossen Linien festzulegen, die grossen Anstösse, und gleichzeitig
würde ich mich nicht um alles kümmern und die Nähe zu
den Franzosen würde mir immer am Herzen liegen.
Ich habe eine normale Präsidentschaft beschrieben. Nichts
ist normal, wenn man Präsident der Republik ist, denn die
Umstände sind aussergewöhnlich. Die Welt durchschreitet eine
enorme Krise, auf jeden Fall Europa. Es gibt Konflikte in der Welt,
auf dem Planeten, die Herausforderungen für die Umwelt durch den
Klimawandel. Natürlich muss ein Präsident auf der Höhe
dieser Themen sein, aber er muss auch nahe am Volk sein, fähig sein,
es zu verstehen."
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Sie schenkten sich gar nichts, und am Ende gab es nach Ansicht der
meisten französischen Medien keinen klaren Sieger. Allein das ist
ein Erfolg für François Hollande - der Herausforderer war
als Aussenseiter in das Fernsehduell vom Mittwoch gegen den vermeintlich
rhetorisch überlegenen Nicolas Sarkozy gestartet. Doch Hollande
parierte nicht nur die Attacken des Präsidenten, er ging selber immer
wieder zum Angriff über. Und sorgte für den wohl markantesten
Moment in der fast dreistündigen Debatte. Sie schenkten sich gar
nichts, und am Ende gab es nach Ansicht der meisten französischen
Medien keinen klaren Sieger. Allein das ist ein Erfolg für
François Hollande - der Herausforderer war als Aussenseiter
in das Fernsehduell vom Mittwoch gegen den vermeintlich rhetorisch
überlegenen Nicolas Sarkozy gestartet. Doch Hollande parierte nicht
nur die Attacken des Präsidenten, er ging selber immer wieder zum
Angriff über. Und sorgte für den wohl markantesten Moment in
der fast dreistündigen Debatte. Auf die Frage, was er als selbst
deklarierter "normaler" Präsident anders machen würde, setzte
Hollande zu einem dreiminütigen, offenbar einstudierten Monolog
an. Nicht weniger als 15 Mal begann er seine Sätze mit der Wendung
"Moi, Président de la République" - als Präsident
der Republik werde er seinen Premierminister nicht wie einen Mitarbeiter
behandeln, die Unabhängigkeit der Justiz garantieren, nicht alles an
sich reissen und für nichts verantwortlich sein, kurzum alle echten
und vermeintlichen Verfehlungen von Nicolas Sarkozy vermeiden, sagte
Hollande. (...)