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www.rhetorik.ch aktuell: (03. Apr, 2012)

Aufruhr um Grass Gedicht

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Es ist nicht das erste Mal, dass wir das Verhalten von Günter Grass kommentiert haben. Wo bleibt die Selbstkritikfähigkeit eines so intelligenten Mannes? Wie bei der Waffen- SS Geschichte spricht er auch bei dieser jüngsten Kritik in den Medien von einer Kampagne, von einer Gleichschaltung der Presse.
Aus dem Spiegel:
Günter Grass sorgt mit seinem Gedicht zum Iran-Konflikt für Empörung. Israel sei eine Bedrohung für den Weltfrieden, schreibt der 84-Jährige, weil das Land offen mit einem Militärschlag gegen Iran drohe. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hat dem Schriftsteller ein "durchschaubares Schmierentheater" vorgeworfen.
Literaturkritiker Von Matt antwortet im Tagi:
Ist die Zeit der moralischen Instanz Günter Grass nach dieser Kontroverse definitiv passé? Grass' Nimbus ist ja nun schon seit mehreren Jahren angeschlagen, seit bekannt wurde, dass er verschwiegen hat, einst die Uniform der Waffen-SS getragen zu haben. Aber Grass ist weiterhin ein Autor, der angehört werden sollte. Und eines sollte nicht vergessen werden: Wenn dieses Gedicht und die laufende Diskussion darüber nun tatsächlich die Wahrscheinlichkeit eines Erstschlags verringern sollten, dann hätte es - trotz mancher Bedenken - seine unbestreitbare Bedeutung.
Aus der ZEIT:
Grass hatte in dem in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Gedicht. Israel vorgeworfen, als Atommacht den Weltfrieden zu gefährden "Wenn Grass sich mit seiner magischen Brille im Spiegel anblickt, sieht er heute den Literaturnobelpreisträger oder einen alten Waffen-SSler?", fragt Klarsfeld in ihrer Mitteilung. Grass hatte erst 2006 in seinen Memoiren öffentlich gemacht, dass er als Jugendlicher Mitglied der Waffen-SS gewesen war. Klarsfeld wies darauf hin, der Iran drohe ständig damit, den Staat Israel auszulöschen, und arbeite an der Entwicklung einer Atombombe. "Der jüdische Staat ist verpflichtet, diese Drohungen ernst zu nehmen. Nachdem gleiche Drohungen gegen neun Millionen europäische Juden ausgesprochen wurden, hat Nazi-Deutschland es nicht geschafft, zwei Drittel von ihnen zu vernichten?"
Fazit: Grass ist erstaunlich uneinsichtig. Er spielt nach jeder öffentlichen Kritik den Beleidigten. Weshalb reagiert ein intelligenter Mensch so realitätsfremd? Persönlich war er beim Austeilen gar nicht zimperlich.

Aus 20 Min:
Kritik aus der Politik, Verteidigung aus der Kunst: Das jüngste Werk des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass bewegt die Gemüter. Der aussenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, sagte, er halte Grass' Gedicht über Israel und den Iran für einseitig. "In dem Text geht die Gefahr ausschliesslich von der Atommacht Israel aus", sagte Mützenich dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstagausgabe). "Die Gefahren, denen sich der jüdische Staat gegenübersieht, werden hingegen verschwiegen."Mützenich kritisierte, Grass verharmlose den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad als Maulhelden. Grass sei aber kein Antisemit. Zumindest einen Hauch von Verständnis äussert der israelische Historiker Tom Segev im Deutschlandradio Kultur: "Er ist kein Antisemit, er ist nicht anti- israelisch." Trotzdem habe er den Eindruck, dass Grass vor allem von seinem eigenen langen Schweigen über seine Vergangenheit bei der Waffen-SS getrieben sei, so Segev in einem weiteren Interview mit Spiegel Online. Zudem verdrehe Grass die Tatsachen. "Der Unterschied ist, dass Israel im Gegensatz zu Iran noch niemals erklärt hat, dass es irgendein Land von der Weltkarte streichen will, während Iran Tag und Nacht verspricht, dass man Israel aus der Welt schaffen will", sagte Segev in Anspielung auf Aussagen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.

Scharfe Kritik dagegen gab es unter anderem vom Publizisten Henryk M. Broder. Er warf Grass vor, im fortgeschrittenen Alter zu seinen Anfängen zurückgekehrt zu sein: "Damals war er ein SS-Mann, heute schreibt er wie einer", sagte Broder dem Saarländischen Rundfunk. Der Text wäre in der rechtsradikalen "National-Zeitung" "gut platziert" gewesen, empörte sich auch der deutsch-jüdische Historiker Michael Wolffsohn im Interview mit Spiegel-Online. In dem Gedicht stehe "so ziemlich jedes antisemitische Klischee darin, das man aus der rechtsextremen Ecke kennt". Grass hatte am Mittwoch unter anderem in der "Süddeutschen Zeitung" das Gedicht "Was gesagt werden muss" veröffentlicht. Darin heisst es: "Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden." Sich selbst bezichtigte der Autor, zu lange dazu geschwiegen zu haben, und fuhr fort: "Ich schweige nicht mehr."

Politiker, jüdische Organisationen und Intellektuelle warfen Grass vor, die Verhältnisse auf den Kopf zu stellen. Nicht Israel, sondern das iranische Mullah-Regime bedrohe den Weltfrieden. Der Zentralrat der Juden in Deutschland nannte den Text "ein aggressives Pamphlet der Agitation". Der Publizist Ralph Giordano nannte es einen "Anschlag auf Israels Existenz". Grass hatte sich 2006 dazu bekannt, dass er als 17-Jähriger am Ende des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS war. Kritiker warfen ihm vor, seine SS-Zugehörigkeit jahrzehntelang verschwiegen zu haben, während er andere immer wieder wegen ihrer NS-Vergangenheit öffentlich kritisierte. Manch einer sprach ihm die moralische Integrität ab.
Auch in deutschen Tageszeitungen gingen etliche Kommentatoren mit Grass hart ins Gericht.

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