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www.rhetorik.ch aktuell: (17. Feb, 2012)

Rücktritt von Wulff

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Christian Wulff ist zurückgetreten. Er hatte zu viele Fehler gemacht. Unstimmigkeiten führten zu einem Trümmerhaufen. Nicht die Medien brachten ihn zum Straucheln - er selbst stellte sich wiederholt das Bein. Er zog ständig Vorteile aus seinem Amt:
  • Ferien: Wulffs Aufenthalt 2007 im Luxushotel Stadt Hamburg auf Sylt.
  • Haus: Unternehmer Egon Geerkens gab Wulff auch einen Kredit
  • Autos: Audi Q3 zum Probefahren, Skoda Yeti zu super Leasingkonditionen.
  • Flüge: Air-Berlin-Chef Joachim Hunold spendierte ein Upgrade.
Blick:
Jetzt wurde ihm der Druck doch zu gross. Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff hat seinen Rücktritt erklärt. Kanzlerin Merkel kündigt an, unmittelbar einen Nachfolger finden zu wollen. Seit Wochen stand er in der Kritik. Heute zog der deutsche Bundespräsident Christian Wulff die Konsequenz. Um 11.02 Uhr hat er im Schloss Bellevue seinen Rücktritt erklärt. Vier Minute dauerte seine Rücktrittserklärung. Er erklärte, der Bundespräsident müsse sich "uneingeschränkt" seinen Aufgaben widmen können. Er müsse vom Vertrauen einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen werden. Dieses sei "nachhaltig beeinträchtigt". "Aber ich war stets aufrichtig" Er wolle den den Weg für die Nachfolge "zügig" freimachen. "Ich habe Fehler gemacht, aber ich war stets aufrichtig", sagte Wulff. Die Berichterstattung der letzten zwei Monate "haben meine Frau und mich verletzt." Gestern hatte die Staatsanwaltschaft Hannover in einem beispiellosen Schritt die Aufhebung von Wulffs Immunität beantragt, um Ermittlungen gegen ihn einleiten zu können. Gegen Wulff und den Filmunternehmer David Groenewold bestehe der Anfangsverdacht der Vorteilsannahme beziehungsweise Vorteilsgewährung, hatte sie erklärt.Wulff unterstrich in seiner Rücktrittsansprache, er sei überzeugt, dass die rechtliche Klärung der Vorwürfe gegen ihn "zu einer vollständigen Entlastung führen wird". "Er hat wichtige Impulse gegeben" Kanzlerin Angela Merkel meldete sich nur eine halbe Stunde nach Wulff im Kanzleramt zu Wort. "Er hat uns wichtige Impulse gegeben", lobte sie den ehemaligen Bundespräsidenten. Er und seine Frau hätten Deutschland im Ausland "würdig vertreten". "Mit seinem Rücktritt stellt Wulff seine Überzeugung, rechtlich korrekt gehandelt zu haben, hinter den Dienst an die Menschen in unserem Land", sagte sie. Merkel kündigte an: "Wir werden nun auf SPD und Grüne zugehen, um einen gemeinsamen Kandidaten vorschlagen zu können." Vorerst übernimmt der Bundesratspräsident und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer interimsmässig das Amt. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Die Staatsanwaltschaft erklärte gestern, bei den zu untersuchenden Vorwürfen gehe es um Vorgänge während Wulffs Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident (2003 bis 2010). Wegen Vorgängen aus dieser Zeit steht er seit Wochen in der Kritik. Es geht um die Inanspruchnahme eines günstigen Privatkredits über kostenlose Ferien bei wohlhabenden Freunden bis zur staatlichen Finanzierung von Lobby-Veranstaltungen. Wie "Spiegel Online" berichtet, will der Bundestag übernächste Woche entscheiden, ob die Immunität Wulffs aufgehoben wird und damit gegen ihn strafrechtlich ermittelt werden darf.
Kurz und knapp gibt Christian Wulff in Begleitung seiner Frau den Rücktritt bekannt. Ruhig und mit sonorer Stimme macht er deutlich, dass das Vertrauen verloren gegangen ist und so, das Amt nicht mehr richtig ausgeübt werden könne. Wer jedoch die Worte genauer mitverfolgte, erhielt den Eindruck, dass der Ministerpräsident nichts falsch gemacht habe. Er habe sich stets richtig verhalten. -Zwar machte er auch Fehler, doch sei er stets aufrichtig gewesen. Wulff punktete, als er seiner Frau dankte. Dies gab ihm etwas Menschliches. Er verpasste jedoch die Chance, sich zu entschuldigen. Damit ist Wulff sich treu geblieben - in seiner bisherigen Einsichtslosigkeit. Der Entscheid zum Rücktritt war richtig - leider war er nur zu spät erfolgt. Man sollte nun aber auch nicht weiter nachtreten. Doch werden bei der Affaire - durch die Ermittlungen - zwangsläufig alte Geschichten wieder aufgewärmt. Es wird zudem noch ein Gerangel um den Ehrensold geben. Gepunktet hätte der Bundespräsident, wenn er das Verhältnis zu den Medien neu geordnet hätte. Es war keine eigentliche Medienschelte mehr, aber der Unmut - den Medien gegenüber - schimmerte deutlich durch. Wulff hätte heute die Chance nutzen sollen, indem er bei seiner Erklärung den Ehrensold hätte ausschlagen sollen. Mit einer Entschuldigung und dieser Geste hätte er sich in Würde aus dem Amt verabschieden können. Die Rede:
"Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,

gerne habe ich die Wahl zum Bundespräsidenten angenommen und mich mit ganzer Kraft dem Amt gewidmet. Es war mir ein Herzensanliegen, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken. Alle sollen sich zugehörig fühlen, die hier bei uns in Deutschland leben, eine Ausbildung machen, studieren und arbeiten, ganz gleich, welche Wurzeln sie haben. Wir gestalten unsere Zukunft gemeinsam. Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Kraft am besten entfalten und einen guten Beitrag zur europäischen Einigung leisten kann, wenn die Integration auch nach innen gelingt. Unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, braucht einen Präsidenten, der sich uneingeschränkt diesen und anderen nationalen, sowie den gewaltigen internationalen Herausforderungen widmen kann. Einen Präsidenten, der vom Vertrauen nicht nur einer Mehrheit, sondern einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen wird. Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass dieses Vertrauen, und damit meine Wirkungsmöglichkeiten, nachhaltig beeinträchtigt sind. Aus diesem Grund wird es mir nicht mehr möglich, das Amt des Bundespräsidenten nach innen und nach aussen so wahrzunehmen, wie es notwendig ist. Ich trete deshalb heute vom Amt des Bundespräsidenten zurück, um den Weg zügig für die Nachfolge freizumachen. Bundesratspräsident Horst Seehofer wird die Vertretung übernehmen, Bundeskanzlerin Angela Merkel wird auf der so wichtigen Gedenkveranstaltung für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt am Donnerstag der kommenden Woche sprechen. Was die anstehende rechtliche Klärung angeht, bin ich davon überzeugt, dass sie zu einer vollständigen Entlastung führen wird. Ich habe in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt mich verhalten. Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig. Die Berichterstattungen, die wir in den vergangenen zwei Monaten erlebt haben, haben meine Frau und mich verletzt. Ich danke den Bürgerinnen und Bürgern, die sich für unser Land engagieren, ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundespräsidialamt und allen anderen Behörden, die ich als exzellente Teams erlebt habe. Ich danke meiner Familie, vor allem danke ich meiner Frau, die ich als eine überzeugende Repräsentantin eines menschlichen und eines modernen Deutschland wahrgenommen habe. Sie hat mir immer, gerade auch in den vergangenen Monaten, und auch den Kindern, starken Rückhalt gegeben. Ich wünsche unserem Land von ganzem Herzen eine politische Kultur, in der die Menschen die Demokratie als unendlich wertvoll erkennen und sich vor allem, das ist mir das Wichtigste, gerne für die Demokratie engagiert einsetzen. Und ich wünsche allen Bürgerinnen und Bürgern, den ich mich vor allem verantwortlich fühle, eine gute Zukunft und schliesse Sie alle dabei ausdrücklich mit ein. Vielen Dank."
Der neue Bundespräsident braucht nun vor allem Integrität. Beim neuen Bundespräsidenten müsste man von den Erfahrungen aus Wulffs Verhalten lernen: Beim Anforderungsprofil des neuen Bundespräsidenten besteht die Gefahr, dass wir nach Wulff zu viel verlangen. Wir benötigen nicht unbedingt einen Politiker. Ein breites Parteienprofil ist zwar erwünscht. Die neue moralische Instanz sollte vor allem kein Täuscher und Trixer sein und nicht im Zwielicht stehen. Es geht beim neuen Bundespräsidenten somit um um eine redliche, verlässliche Person mit Haltung. Wichtig ist seine Charakterstärke und sein Charisma, der dem höchsten Amt keinen Schaden mehr zufügen kann, wie Wulff.

Der Rücktritt Wulffs könnte nun aber Merkels Beliebtheitsgrad ankratzen. Die Werte der Kanzlerin waren gestiegen, während das Image des Bundeskanzlers in den Keller fiel. Auf internationalem Parkett konnte sich Merkel profilieren. Als Machtfrau wusste sie immer ganz genau wer ihr gefährlich werden könnte. Konkurrenten verstand sie weg- oder hinauf zu befördern. Mit Horst Köhler und Christian Wulff hat sie nun bereits zwei Bundespräsidenten "verschlissen", die von ihr persönlich ausgewählt worden waren. Beide traten mehr oder weniger freiwillig von ihrem Amt zurück. Einen weiteren Fehlgriff kann sich Merkel nun wohl kaum mehr leisten. Sie hat deshalb Gespräche mit SPD und Grünen angekündigt, um einen "gemeinsamen Kandidaten" für die Nachfolge zu suchen.

Auch bei der Wahl Theodor von Guttenbergs glänzte Angela Merkel nicht. Man kann bei Machtfrau Merkel nachweisen, dass sie eine geschickte Hand hat, wenn es darum geht Politiker auszuschalten. Sie weiss genau, wer ihr als Konkurrenten gefährlich werden könnte und weg- oder hinaufbefördert werden muss.
Nachtrag vom 18. Februar, 2012: Das Warten geht nun los FAZ: eine Nachfolge zu finden scheint nicht leicht. Der Verfassungsgerichts-Präsident Vosskuhle soll ebenso abgesagt haben wie Bundestagspräsident Lammert.

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