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Christian Wulff ist zurückgetreten.
Er hatte zu viele Fehler gemacht. Unstimmigkeiten
führten zu einem Trümmerhaufen. Nicht die Medien brachten
ihn zum Straucheln - er selbst stellte sich wiederholt das Bein.
Er zog ständig Vorteile aus seinem Amt:
- Ferien: Wulffs Aufenthalt 2007 im Luxushotel Stadt Hamburg auf Sylt.
- Haus: Unternehmer Egon Geerkens gab Wulff auch einen Kredit
- Autos: Audi Q3 zum Probefahren, Skoda Yeti zu super Leasingkonditionen.
- Flüge: Air-Berlin-Chef Joachim Hunold spendierte ein Upgrade.
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Blick:
Jetzt wurde ihm der Druck doch zu gross. Der deutsche Bundespräsident
Christian Wulff hat seinen Rücktritt erklärt. Kanzlerin Merkel
kündigt an, unmittelbar einen Nachfolger finden zu wollen.
Seit Wochen stand er in der Kritik. Heute zog der deutsche
Bundespräsident Christian Wulff die Konsequenz. Um 11.02 Uhr
hat er im Schloss Bellevue seinen Rücktritt erklärt. Vier
Minute dauerte seine Rücktrittserklärung. Er erklärte,
der Bundespräsident müsse sich "uneingeschränkt" seinen
Aufgaben widmen können. Er müsse vom Vertrauen einer breiten
Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen werden. Dieses sei
"nachhaltig beeinträchtigt". "Aber ich war stets aufrichtig"
Er wolle den den Weg für die Nachfolge "zügig" freimachen. "Ich
habe Fehler gemacht, aber ich war stets aufrichtig", sagte Wulff. Die
Berichterstattung der letzten zwei Monate "haben meine Frau und mich
verletzt."
Gestern hatte die Staatsanwaltschaft Hannover in einem beispiellosen
Schritt die Aufhebung von Wulffs Immunität beantragt, um Ermittlungen
gegen ihn einleiten zu können. Gegen Wulff und den Filmunternehmer
David Groenewold bestehe der Anfangsverdacht der Vorteilsannahme
beziehungsweise Vorteilsgewährung, hatte sie erklärt.Wulff
unterstrich in seiner Rücktrittsansprache, er sei überzeugt,
dass die rechtliche Klärung der Vorwürfe gegen ihn "zu einer
vollständigen Entlastung führen wird". "Er hat wichtige
Impulse gegeben"
Kanzlerin Angela Merkel meldete sich nur eine halbe Stunde nach Wulff
im Kanzleramt zu Wort. "Er hat uns wichtige Impulse gegeben", lobte
sie den ehemaligen Bundespräsidenten. Er und seine Frau hätten
Deutschland im Ausland "würdig vertreten". "Mit seinem Rücktritt
stellt Wulff seine Überzeugung, rechtlich korrekt gehandelt zu haben,
hinter den Dienst an die Menschen in unserem Land", sagte sie.
Merkel kündigte an: "Wir werden nun auf SPD und Grüne zugehen,
um einen gemeinsamen Kandidaten vorschlagen zu können." Vorerst
übernimmt der Bundesratspräsident und bayerische
Ministerpräsident Horst Seehofer interimsmässig das Amt.
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft erklärte gestern, bei den zu untersuchenden
Vorwürfen gehe es um Vorgänge während Wulffs Amtszeit als
niedersächsischer Ministerpräsident (2003 bis 2010). Wegen
Vorgängen aus dieser Zeit steht er seit Wochen in der Kritik. Es
geht um die Inanspruchnahme eines günstigen Privatkredits über
kostenlose Ferien bei wohlhabenden Freunden bis zur staatlichen
Finanzierung von Lobby-Veranstaltungen.
Wie "Spiegel Online" berichtet, will der Bundestag übernächste
Woche entscheiden, ob die Immunität Wulffs aufgehoben wird und
damit gegen ihn strafrechtlich ermittelt werden darf.
Kurz und knapp gibt Christian Wulff in Begleitung seiner Frau den
Rücktritt bekannt. Ruhig und mit sonorer Stimme macht er deutlich,
dass das Vertrauen verloren gegangen ist und so, das Amt nicht mehr
richtig ausgeübt werden könne. Wer jedoch die Worte genauer
mitverfolgte, erhielt den Eindruck, dass
der Ministerpräsident nichts falsch gemacht habe. Er
habe sich stets richtig verhalten. -Zwar machte er auch Fehler,
doch sei er stets aufrichtig gewesen.
Wulff punktete, als er seiner Frau dankte. Dies gab ihm etwas Menschliches.
Er verpasste jedoch die Chance, sich zu entschuldigen.
Damit ist Wulff sich treu geblieben - in seiner bisherigen Einsichtslosigkeit.
Der Entscheid zum Rücktritt war richtig - leider war er nur zu
spät erfolgt. Man sollte nun aber auch nicht weiter nachtreten. Doch
werden bei der Affaire - durch die Ermittlungen - zwangsläufig
alte Geschichten wieder aufgewärmt. Es wird zudem noch ein Gerangel
um den Ehrensold geben. Gepunktet hätte der Bundespräsident,
wenn er das Verhältnis zu den Medien neu geordnet hätte. Es
war keine eigentliche Medienschelte mehr, aber der Unmut - den Medien
gegenüber - schimmerte deutlich durch. Wulff hätte heute die
Chance nutzen sollen, indem er bei seiner Erklärung den Ehrensold
hätte ausschlagen sollen.
Mit einer Entschuldigung und dieser Geste hätte er sich in Würde
aus dem Amt verabschieden können.
Die Rede:
"Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,
gerne habe ich die Wahl zum Bundespräsidenten angenommen und mich
mit ganzer Kraft dem Amt gewidmet. Es war mir ein Herzensanliegen,
den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken. Alle sollen sich
zugehörig fühlen, die hier bei uns in Deutschland leben, eine
Ausbildung machen, studieren und arbeiten, ganz gleich, welche Wurzeln
sie haben. Wir gestalten unsere Zukunft gemeinsam.
Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland seine wirtschaftliche und
gesellschaftliche Kraft am besten entfalten und einen guten Beitrag zur
europäischen Einigung leisten kann, wenn die Integration auch nach
innen gelingt.
Unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, braucht einen
Präsidenten, der sich uneingeschränkt diesen und anderen
nationalen, sowie den gewaltigen internationalen Herausforderungen
widmen kann.
Einen Präsidenten, der vom Vertrauen nicht nur einer Mehrheit,
sondern einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger
getragen wird.
Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass
dieses Vertrauen, und damit meine Wirkungsmöglichkeiten, nachhaltig
beeinträchtigt sind.
Aus diesem Grund wird es mir nicht mehr möglich, das Amt des
Bundespräsidenten nach innen und nach aussen so wahrzunehmen,
wie es notwendig ist.
Ich trete deshalb heute vom Amt des Bundespräsidenten zurück,
um den Weg zügig für die Nachfolge freizumachen.
Bundesratspräsident Horst Seehofer wird die Vertretung
übernehmen, Bundeskanzlerin Angela Merkel wird auf der so wichtigen
Gedenkveranstaltung für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt am
Donnerstag der kommenden Woche sprechen.
Was die anstehende rechtliche Klärung angeht, bin ich davon
überzeugt, dass sie zu einer vollständigen Entlastung
führen wird. Ich habe in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt
mich verhalten. Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig.
Die Berichterstattungen, die wir in den vergangenen zwei Monaten erlebt
haben, haben meine Frau und mich verletzt.
Ich danke den Bürgerinnen und Bürgern, die sich für
unser Land engagieren, ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
im Bundespräsidialamt und allen anderen Behörden, die ich als
exzellente Teams erlebt habe.
Ich danke meiner Familie, vor allem danke ich meiner Frau, die ich als
eine überzeugende Repräsentantin eines menschlichen und eines
modernen Deutschland wahrgenommen habe. Sie hat mir immer, gerade auch
in den vergangenen Monaten, und auch den Kindern, starken Rückhalt
gegeben.
Ich wünsche unserem Land von ganzem Herzen eine politische Kultur,
in der die Menschen die Demokratie als unendlich wertvoll erkennen und
sich vor allem, das ist mir das Wichtigste, gerne für die Demokratie
engagiert einsetzen.
Und ich wünsche allen Bürgerinnen und Bürgern, den ich
mich vor allem verantwortlich fühle, eine gute Zukunft und schliesse
Sie alle dabei ausdrücklich mit ein.
Vielen Dank."
Der neue Bundespräsident braucht nun vor allem Integrität.
Beim neuen Bundespräsidenten müsste man von
den Erfahrungen aus Wulffs Verhalten lernen: Beim Anforderungsprofil des
neuen Bundespräsidenten besteht die Gefahr, dass wir nach Wulff zu
viel verlangen. Wir benötigen nicht unbedingt einen Politiker. Ein
breites Parteienprofil ist zwar erwünscht. Die neue moralische
Instanz sollte vor allem kein Täuscher und Trixer sein und nicht
im Zwielicht stehen. Es geht beim neuen Bundespräsidenten somit
um um eine redliche, verlässliche Person mit Haltung. Wichtig ist
seine Charakterstärke und sein Charisma, der dem höchsten Amt
keinen Schaden mehr zufügen kann, wie Wulff.
Der Rücktritt Wulffs könnte nun aber Merkels Beliebtheitsgrad ankratzen.
Die Werte der Kanzlerin waren gestiegen, während
das Image des Bundeskanzlers in den Keller fiel. Auf internationalem
Parkett konnte sich Merkel profilieren. Als Machtfrau wusste sie immer
ganz genau wer ihr gefährlich werden könnte. Konkurrenten
verstand sie weg- oder hinauf zu befördern.
Mit Horst Köhler und Christian Wulff hat sie nun bereits zwei
Bundespräsidenten "verschlissen", die von ihr persönlich
ausgewählt worden waren. Beide traten mehr oder weniger freiwillig
von ihrem Amt zurück.
Einen weiteren Fehlgriff kann sich Merkel nun wohl kaum mehr leisten.
Sie hat deshalb Gespräche mit SPD und Grünen angekündigt,
um einen "gemeinsamen Kandidaten" für die Nachfolge zu suchen.
Auch bei der Wahl Theodor von Guttenbergs glänzte Angela Merkel
nicht. Man kann bei Machtfrau Merkel nachweisen, dass sie eine geschickte
Hand hat, wenn es darum geht Politiker auszuschalten. Sie weiss genau,
wer ihr als Konkurrenten gefährlich werden könnte und weg-
oder hinaufbefördert werden muss.