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www.rhetorik.ch aktuell: (13. Feb, 2012)

Kampfjet Rätsel

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Die geplanten Kampfjets, die in der Schweiz als Tiger Ersatz für luftpolizeiliche Aufgaben geplant sind, sollen laut Testberichten dieser Aufgabe nicht gewachsen sein. Die "SonntagsZeitung" und "Le Matin Dimanche" haben am Testberichte veröffentlicht.

Die Sache ist eher peinlich. Wie kann so etwas passieren? Denkbar wäre, dass der Saab Flieger als Mittel verwendet wurde, um den Preis für einen anderen Flieger wie den Französischen Rafale herunterzudrücken. Das ist auch passiert. Die Franzosen hatten ein günstigeres Angebot gemacht. Solche Verhandlungstricks ("ich habe vom Händler XYX ein besseres Angebot") können wohl beim Autokauf helfen und Reisebüros oder Firmen wie "Priceline" machen aus solchen Verhandlungstechniken ein Geschäft: der Kunde kauft ein Hotelzimmer nicht mehr direkt, der Vermittler sucht das beste Angebot und behält eine kleine Marge für sich.

Gegen eine solche Verhandlungserklärung spricht aber, dass bei einem politisch heiklen Geschäft mit über 3 Milliarden, ein solches Spiel wohl kaum geheim gehalten werden könnte. Hat der Bundesrat tatsächlich die Testberichte nicht gesehen?

Eine andere Möglichkeit wird im Blick diskutiert. Die Möglichkeit, dass die Presseberichte von bezahlten Experten, Spin-doctors plaziert worden sind:

Spin-Doctors sind bezahlte Experten, welche die Öffentlichkeit mit verdeckter Manipulation in die von ihnen beabsichtigte Richtung führen.
Weiter im "Blick":
Res Schmid, früherer Cheftestpilot der armasuisse und heutiger Regierungsrat des Kantons Nidwalden: "Wichtig zu wissen ist, dass ALLE drei Flugzeuge, die getestet wurden, die militärischen Anforderungen der Luftwaffe erfüllen. Alle anderen Aussagen sind aus dem Zusammenhang gerissen. Das ganze Evaluationsverfahren lief korrekt ab. Getestet wurde der Gripen C/D. Die Schweizer Armee will jedoch den Typ E/F beschaffen. Dies wurde jedoch damals in der Evaluation in die Beurteilung mit einbezogen."


Nachtrag vom 13. Februar:

"SF Online" sprach mit dem Schweizer Aviatikexperten über Nutzniesser, Strippenzieher und Lobbyisten.

Max Ungricht, wie am Sonntag bekannt wurde, schnitt der Gripen-Jet bei 2008 durchgeführten Tests nur mässig erfolgreich ab. Die Konkurrenz war wesentlich besser. Sollte man die Anschaffung nicht noch einmal überdenken?

Ich denke nein. Denn beim Kauf von Kampfjets ist das Gesamturteil wichtig und nicht ein Teilurteil. Darin fliessen selbstverständlich nicht nur der Kaufpreis, sondern auch die Kosten für die Wartung, den Unterhalt und die Modernisierung ein. Das, was jetzt lang und breit diskutiert wird, nämlich die Nachteile des Gripen, wussten alle beteiligten Entscheidungsträger schon vorher.

Jetzt ist es doch aber schon so, dass der Gripen gegenüber dem Rafale und dem Eurofighter leistungsmässig objektiv schlechter abgeschnitten hat?

Für Aussenstehende mag ja die Leistung entscheidend sein, aber viel wichtiger ist doch: Wir werden auch in den kommenden Jahren viel Geld ausgeben müssen, um die Jets zu betreiben. Und da ist es nun einfach mal so, dass der Gripen auf 30 Jahre gerechnet, rund drei Milliarden billiger ist als ein zweistrahliges Flugzeug.

Wer billig kauft, kauft doppelt, sagt der Volksmund. War es so gesehen nicht ein Fehler, sich doch wohl vor allem aus Preisgründen für das schwedische Angebot zu entscheiden?

Ich bin ja froh, dass die Schweiz sich einmal gänzlich gegen ihre Natur, nicht für das Beste vom Besten entschieden hat, sondern für das, was sie braucht, und dies in einem vernünftigen wirtschaftlichen Rahmen. Aus meiner Sicht ist der Kauf deshalb richtig. Denn nur reine Leistungsparameter sollten nicht die alles entscheidende Frage beim Kauf sein.

Aber sollten wirklich kaufmännische und betriebswirtschaftliche Überlegungen die alles entscheidende Rolle beim Kauf eines Kampfjets spielen?

Der Gripen schneidet gegenüber zweistrahligen Kampfjets in einigen Belangen schlechter ab, aber das war doch vorher bekannt. Mit nur einem Triebwerk hat sie natürlich Nachteile, die sich unter anderem in der Steigleistung bemerkbar machen. Was aber immer wieder vergessen wird: Die Schweiz wird nicht das Vergleichsmodell erhalten, sondern eine neue Version des Gripen-Jets.

Was kann die, was die bisherige Version nicht kann?

Sie erhält ein wesentlich stärkeres Triebwerk, grössere Tanks und ein neues Radar, dass keinen Vergleich scheuen muss. Zudem wird die neue Version mehr Last tragen können. Von den Leistungsmerkmalen wird sie dann zu 90 Prozent das können, was Eurofighter und Rafale schaffen. Gripen oder Rafale ("Rundschau", 08.02.2012)

Gut, aber eine Lücke klafft da immer noch und zehn Prozentpunkte können letztlich entscheidend sein?

Da haben Sie natürlich Recht, aber der Gripen ist sehr nah an den Konkurrenzmodellen dran. Er wird aber auch in der neuen Version nicht die Leistung der anderen erreichen - das stimmt. Aber braucht man wirklich immer einen Rolls-Royce und kann man den sich am Ende auch leisten? Ueli Maurer steht unter Beschuss. (Tagesschau, 13.02.2012, 19.30)

Brauchen nicht unbedingt, aber bei der Sicherheit sollte man doch eigentlich keine Abstriche machen, oder?

Lassen Sie es mich es so sagen: Für eine vierköpfige Familie reicht ein Audi-Kombi aus. Wenn Sie genügend Geld haben, können Sie natürlich auch einen Bentley-Kombi kaufen. Das ist #nice to have#, aber zum einen bezahlt man das natürlich sehr teuer und zum anderen bleibt die Frage: Ist das auch wirklich notwendig? Ich meine: Nein! - und genau so sehe ich das auch bei den Kampfjets.

Aber noch einmal: Warum soll die Schweiz die Billigvariante kaufen, wenn sie doch für einen ähnlichen Preis auch ein zweistrahliges Flugzeug haben könnte?

Wenn die Franzosen jetzt für die Rafale-Jets ein derartiges Billigangebot machen, so ist dies nach meinem Dafürhalten Augenwischerei. Das, was man da jetzt möglicherweise beim Einkauf spart, wird man später für Modernisierungen ausgeben müssen. Denn anders als beim Gripen, wo sich die Kosten für den Unterhalt schon heute bis auf den letzten Rappen berechnen lassen, kann das für die Rafale-Jets keiner seriös vorhersagen, geschweige denn genau beziffern.

Ist das der einzige Haken am Dumpingpreis der Franzosen?

Nein, der viel grössere Pferdefuss wäre eine Abhängigkeit von Frankreich. Denn der Rafale ist für eine ausschliesslich französische Bewaffnung gebaut. Die Schweiz müsste also zusätzlich Lenkwaffen aus Frankreich einkaufen, was die Kosten erhöhen und die Logistik der Luftwaffe verteuern würde.
Nachtrag vom 16. Februar:

Tagi:
Nachdem die Evaluationsberichte aus den Jahren 2008 und 2009 am vergangenen Sonntag an die Öffentlichkeit gelangt waren, erklärte der Verteidigungsminister Ueli Maurer am Dienstag unter anderem: Auch der Bundesrat sei zum Gripen-Entscheid gekommen. "Der Bundesrat hatte von allen Typen alles Zahlenmaterial zur Verfügung. Er entschied in Kenntnis der Sachlage." Mit anderen Worten: Maurer erweckte den Eindruck, der Bundesrat habe Einsicht in alle Unterlagen zu allen drei getesteten Typen - Rafale, Eurofighter, Gripen - gehabt. Dem war aber offenbar nicht so, wie gut unterrichtete Quellen gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnet erklären. Maurer habe dem Bundesrat eine Benotung aus der Evaluation gezeigt, die nicht mehr als zwei A4-Seiten umfasst haben soll. Dazu habe der Verteidigungsminister eine zehn Seiten lange Zusammenfassung eines 250-seitigen Berichtes ausgehändigt. Mehr Unterlagen hatte der Bundesrat für seinen Typenentscheid nicht. Von den Evaluationsberichten 2008 und 2009 sollen die anderen Bundesräte aus der Presse erfahren haben, heisst es weiter. Darum seien die anderen sechs Bundesräte ungehalten darüber gewesen, dass Maurer den Eindruck erweckt habe, die anderen Bundesräte hätten alle Unterlagen gesehen. Der Verteidigungsminister habe sich bei der Bundesratssitzung am Mittwoch deswegen auch Vorwürfe gefallen lassen müssen. Die VBS-Sprecherin Silvia Seidle erklärte, als Entscheidungsgrundlage habe dem Gesamtbundesrat ein Aussprachepapier sowie eine Zusammenstellung der Noten und Kosten der Kandidaten vorgelegen. Die Frage könnte auch im Parlament noch zum Thema werden - spätestens dann, wenn sich die Sicherheitskommission (SIK) am 21. Februar wieder mit der Kampfjetbeschaffung befasst. Der Chef der SIK-Subkommission, welche den Gripen-Entscheid unter die Lupe nimmt, der Schaffhauser SVP-Nationalrat Thomas Hurter, hat bereits angekündigt, dass er "genau" wissen wolle, über welche Unterlagen der Bundesrat beim Kampfjetentscheid verfügt hatte. Es war das erste Mal, dass der Bundesrat den Entscheid zu einem Kampfjet-Typ fällte. In der Vergangenheit wählte die Armee den Typ aus. Der Bundesrat hatte sich diesmal aber den Entscheid vorbehalten, weil er auch politische Aspekte einfliessen lassen wollte, wie Maurer am Dienstag sagte. Dazu gehörte auch das Verhältnis zu jenen Nachbarländern, welche mit eigenen Kampfjetofferten im Rennen waren.

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