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www.rhetorik.ch aktuell: (06. Jan, 2012)

Wulff's Fernsehinterview

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Youtube Das von Millionen mitverfolgte Interview hätte einen Meinungsumschwung in der Bevölkerung bewirken sollen. Wulff versuchte das Beste zu geben und sein Vorgehen zu verteidigen. Vor allem gelang es ihm, mit dem Interview, Mitleid zu wecken: Wulff appellierte geschickt ans Mitgefühl: "Da fühlt man sich hilflos", "Trotzdem ist man Mensch und macht Fehler", "Man wird auch demütiger." Der Bundespräsident sprach meist in der störenden Man - form statt von Ich, von sich. Er betonte ferner, er habe nichts Unrechtes getan zu haben und trete nicht zurück.


Er zeigte sich auch einsichtig und räumte ein, es sei ein schwerer Fehler gewesen, dem "Bild"- Chefredakteur am Telefon gedroht zu haben. Er versprach Transparenz und sicherte zu, er wolle später alle Details im Internet veröffentlichen.

Dann bestritt Wulff, mit seinem Anruf versucht zu haben, die Berichterstattung zu unterbinden. Es sei ihm nur darum gegangen, den Artikel über die Umstände der Kreditaufnahme um einen Tag - bis zur Rückkehr von einer Auslandreise - zu verschieben.

Der Präsident bat eindringlich, sein Vorgehen menschlich zu verstehen - vor dem Hintergrund der Belastung für seine Familie.

Soweit so gut. Der Auftritt bewirkte tatsächlich, dass die Stimmung zu Gunsten Wulffs kippte. Es schien vorerst: Der Appell an das Mitgefühl habe sich für den Bundespräsidenten gelohnt.

Trotz dem gut vorbereiteten Auftritt war das Interview ein Bumerang - nicht weil Christian Wulff während des Interviews angespannt war und zu schnell redete und sich daher verhaspelte - Wullf stellte sich selbst das Bein.

Die Bildredaktion liess in eigener Sache verlauten, Wulffs Behauptung entspreche nicht den Tatsachen. Die Aufzeichnungen auf der Combox beweise, dass er in Drohtelefon den kritischen Beitrag eindeutig verhindern wollte. Von Aufschieben - wie es Wulff im Interview gesagt habe - sei keine Rede gewesen.

Mit der Ruhe war es nun vorbei. Alle wollten das Band hören, um zu sehen, welche Version stimme. Was nun folgte, ist für jeden Kommunikationsberater unverständlich:

Wulff wehrte sich gegen eine Klärung und sperrte die Publikation der effektiven Aussage. Das ist zwar rechtlich möglich, weil jeder Mensch die Veröffentlichung einer Telefonaussage - ohne Einwilligung - verhindern kann. Diese Blockade weckte Vermutungen und Zweifel.

Medienfachleute prognostizierten nach diesem sonderbaren Verhaltens Wulffs, der im Interview noch völlige Transparenz versprochen hatte: Früher oder später würde jemand das Band publizieren. Eventuell auf illegalem Weg.

Der Krimi nahm nun seinen Lauf. Die Bildredaktion schickte Wulff das Band, in der Hoffnung, ersehe seine Falschaussage ein und äussere sich dazu.

Trotz Teilerfolg beim Interview kam es zu einem Gesinnungswandel. Der selbstverschuldete Medienwirbel führte dazu, dass die Glaubwürdigkeit des Bundespräsidenten erneut bröckelte.

Für Politiker, Medien und Öffentlichkeit wirkt Wulff nun angeschlagen. Warum verhinderte er die Klärung? Es wird vermutet, Wulff habe nicht die Wahrheit gesagt und im Interview seinen verbalen Ausbruch am Telefon beschönigt?

Falls sich erweist, dass Wulff im Interview Tatsachen verdreht hat, sieht es nicht gut aus für Wulff. Die wichtigste Kommunikationsregel in Krisen lautet bekanntlich: Alles was Du sagst, muss wahr sein!
Wulff Interview
Nach dem Fernsehinterview von Christian Wulff bleiben Zweifel an der Wahrheit seiner Aussagen. Die "Bild"-Zeitung widerspricht der Darstellung des Bundespräsidenten - und will die umstrittene Mailbox-Nachricht veröffentlichen. Doch das lehnt Wulff nun ab.
Welt::
Es sollte ein grosser Befreiungsschlag werden: Demütig präsentierte sich Christian Wulff am Mittwochabend im Fersehinterview von ARD und ZDF. Er habe schwere Fehler gemacht, wolle aber nicht zurücktreten sagte der Präsident. Der Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann sei falsch gewesen, er habe sich in diesem Moment als Opfer gesehen. Wulffs Auftritt trifft bei norddeutschen SPD-Politikern auf wenig Verständnis: Der niedersächsische SPD-Fraktionschef Stefan Schostok warf dem Präsidenten Verschleierungstaktik vor. Wulff sei in seinem Fernsehinterview vom Mittwoch "vage" geblieben und scheine nicht mehr in der Lage zu sein, seinem Amt Würde und Glaubwürdigkeit zurück zu geben, sagte er dem "Hamburger Abendblatt" (Freitagausgabe). Für die von Wulff erbetene weitere Einarbeitungszeit in sein Amt habe die SPD "zunehmend weniger Verständnis". Das Interview habe keinerlei neue Erkenntnisse gebracht. "Die Fragen, die den niedersächsischen Landtag berühren, sind offen geblieben. Die Aufarbeitung ist noch nicht beendet", sagte er. Auch die SPD in Schleswig-Holstein sieht die Amtsautorität des Bundespräsidenten weiterhin infrage gestellt. "Ein Bundespräsident, der hauptsächlich damit beschäftigt ist, Schaden von sich selbst abzuwenden - und nicht vom Volk, wie es in seinem Amtseid heisst - wird es sehr schwer haben, die für sein Amt notwendige Autorität zurückzugewinnen", sagte SPD-Landesvorsitzender Ralf Stegner. Der Bundespräsident sei für Orientierung zuständig. Die Bürger erwarteten Urteilskraft und Umsicht von ihrem Staatsoberhaupt. "Der Umgang mit der Affäre zeigt seit Wochen, dass Wulff die Orientierung in seinen eigenen Angelegenheiten vollständig verloren hat", sagte Stegner. Auch von den Grünen kommt Kritik: "Christian Wulff ist der Entschuldigungspräsident. Permanente Entschuldigung für permanentes Fehlverhalten", sagte Robert Habeck, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein. Die Piratenpartei hielt Wulff vor, sich allzu stark als Opfer stilisiert zu haben. "Es ist ein Trauerspiel, von einem Bundespräsidenten hätte ich mehr erwartet", sagte Torge Schmidt, Spitzenkandidat der Piratenpartei für die Landtagswahl am 6. Mai. "Er wird seine Glaubwürdigkeit nicht mehr zurückgewinnen, es bleibt ein mieser Beigeschmack." Rückendeckung kommt von den Liberalen. FDP-Landtagsfraktionschef Wolfgang Kubicki: "Der Bundespräsident hat jetzt zu allen Vorwürfen klar Stellung bezogen. Ich respektiere seine Darstellung der Ereignisse, und das sollten alle anderen auch", meinte Kubicki in einer Pressemitteilung der FDP-Fraktion zu dem am Mittwochabend von ARD und ZDF ausgestrahlten Interview. Hinzu komme, dass sich Wulff für seinen Anruf beim Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, Kai Diekmann, entschuldigt und dieser die Entschuldigung auch angenommen habe. "Damit ist die Sache in meinen Augen aus der Welt geräumt", meinte Kubicki. Er glaube, dass Wulff seinen Fehler zutiefst bereue - "niemand von uns ist gefeit vor Fehltritten, vor allem, wenn es um den Schutz der eigenen Familie und von sehr engen Freunden geht. Ich unterstreiche ausdrücklich, dass auch Politiker in höchsten Ämtern Freundschaften haben, unterhalten und pflegen sollten", erklärte der FDP-Politiker.
Nachtrag vom 7. Januar: Proteste gegen Wulff vor Schloss Bellevue. Spiegel: Wulff hat auch Springer Chef gedroht.
Nachtrag vom 13. Januar: Wulff ist bereits ein dankbares Fastnachtssujet


Wulff kann nicht entlassen werden - Er will die Krise unbedingt aussitzen - Machtmensch Merkel stützt ihn zur Zeit noch - aber wie lange? Solange Merkel den angeschlagenen Bundespräsidenten stützt, kann sich Wulff alles leisten. Wulff machte viele Fehler und hat widerholt das Wort nicht gehalten. Es tauchen immer neue Fragen auf- nicht nur zur fragwüdigen Finanzierung seines Hauses, den Einladungen von Personen, die vom Bundespruäsidenten profitieren und seinem unprofessionellen Umgang mit Medien. Angela Merkel möchte unbedingt einen zweiten Fall Köhler vermeiden. Sie macht alles, damit Wulff die Kanzlerin nicht in Strudel hineinziehen kann. Sie weiss genau, wie sie die eigene Haut retten kann. Angela Merkel ist Meisterin der Machtspiele: Heute sagt sie, Wulff habe auf viele Fragen eine Antwort gegeben. "Sollte es neue Fragen geben, wird er sie genau so beantworten." In dieser Aussage Merkel schimmert durch: Wulff hat nicht auf alle Fragen geantwortet." Merkel hofft lediglich, dass er sie noch beantwortet wird. Wenn nicht, dann...?

Wulff möchte mit aller Kraft zur Normalität zurükkehren. Die Affaire ist aber noch nicht ausgestanden. Zur Zeit dreht sich der Wirbel um sein Versprechen, sämtliche Journalistenfragen zu veröffentlichen und das Versprechen nicht einlösen will. Wie oft kann er diese Versprechen einfach zu ignorieren? Je länger die Krise rund um Wulffs Pannen andauert, kann die Geschichte Angela Merkel doch noch schaden. Merkel stützt Wulff nur noch so lange, als sie selbst nicht unter seinen Fehlleistungen leiden muss.

Wulff's Antworten waren leider selten glaubwürdig. Er versprach Transparenz und hielt immer wieder das Wort nicht. Er blockierte den Wortlaut des Textes der Comboxdrohung. Wulff stellt sich laufend selbst das Bein.

Er versprach jüngst - anlässlich seiner Entschuldigung-, er werde alle Antworten auf 400 Fragen ins Internet stellen. Dies war wiederum ein Versprechen, das Wulff nicht einlösen will. Sein Anwalt publizierte nur eine Zusammenfassung einzelner Fragen. Der Rest bleibt unter dem Vorwand der Schweigepflicht unpubliziert.

Bei Wulff kann nicht von einer Hetzjagd oder Medienkampagne gesprochen werden. Die Medien haben das Recht und müssen sogar am Ball bleiben, wenn er Fragen nicht beantwortet. Ein Journalist schrieb jüngst: Die Geschichten sind ein Schrecken ohne Ende. Besser wäre: Ein Ende ohne Schrecken. Bereits wurden heute Namen von Nachfolgern Wulffs gehandelt.

Bundespräsident Christian Wulff steht weiter stark unter Druck. Neben der Kredit- und Medienaffäre wurden heute neue Vorwürfe gegen ihn laut. Erstmals gibt es auch Gegenwind für Wulff aus CDU-Reihen.

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