Zur Zeit werden der Oeffentlichkeit in zwei Fällen klassische Fehler
der Krisenkommunikation veranschaulicht. Wulff und Hildebrand wurden am
beide auf dem linken Fuss erwischt. Sie tauchten in der Krisensituation
ab und müssen nun im Nachhinein reagieren. Sie haben es verpasst,
rechtzeitig (proaktiv) zu agieren.
- Beide erklärten sich verspätet. Wulff in eine
Kreuzverhör (4. Januar) gegenüber zwei Journalisten.
Hildebrand an einer Pressekonferenz (5. Januar, 1600 Uhr).
- Beide warteten zu lange und nahmen erst
auf Druck von aussen zu den Vorwürfen Stellung. In Krisen gilt es,
die Information aktiv zu führen.
- Beide gaben Informationen nur
scheibchenweise preis.
- Beide überzeugten die Oeffentlichkeit
nicht. Wulff verlangte generell
Besonnenheit. Persönlich verlor er jedoch den Kopf und übte
unbedachterweise Druck aus auf die Medien. Er sieht zwar heute den
Kapitalfehler ein, verärgert auf die Combox des Chefredaktors von
Blick gesprochen zu haben und auf die Medien Druck ausgeübt zu haben.
Hildebrand gab erst auf Druck der Weltwoche die internen Bestimmungen
hinsichtlich Insidergeschäften bekannt.
- Wulff verspielte damit seine moralische Autorität als Bundespräsident.
- Hildebrand liess zu viele Fragen offen. Nicht alle
Widersprüche sind geklärt worden.
20 Min vom 5. Januar
SN vom 5. Januar
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Nachtrag vom 6. Januar, 2012:
20 Min vom 6. Januar
Nachtrag vom 8. Januar, 2012:
Erkenntnisse aus dem Verhalten Wulff/Hildebrand während der Krise
Wer sich für Krisenkommunikation interessiert, kann von den
aktuellen angeschossenen Persönlichkeiten Christian Wulff und Philipp
Hildebrand Einiges lernen. Ich hatte die Zuspitzung der Krise laufend
kommentiert und musste für verschiedenste Medien die angeblichen
Befreiungsschläge (Interview Wulff/ Medienkonferenz Hildebrand)
beurteilen.
Eine Zeitung hatte beispielsweise mein Lob Hildebrands bei der
Präsentationsphase als grosses Lob für den ganzen Auftritt
gewertet, obschon ich in das Lob nur auf den 1. Teil der Präsentation
bezog und nicht auf das Krisenmanagement des Bankratspräsidenten
und die Diskussionsrunde.
Zusammenfassend darf heute festgehalten werden:
Wulff und Hildebrand ist der BEFREIUNGSSCHLAG nicht gelungen, obschon
beide sehr wahrscheinlich in ihrem Amt bleiben können.
Beide haben ihre GLAUBWUERDIKEIT eingebüsst, wenn nicht schon
verloren: Wulff, weil er Transparenz predigte, aber nicht bereit war,
das Tonband publizieren zu lassen, das beweisen könnte, dass er
im Interview die Wahrheit gesagt hat. Weil er als moralische Instanz
versagt hat. Weil er in der Krisensituation die Nerven verloren hatte
(er hatte verschiedenen Medien gedroht).
Hildebrand, weil niemand glauben kann, dass seine Frau
Devisengeschäfte von einer halben Million tätigen kann, ohne
dass er orientiert wurde. Niemand kann ihm glauben, dass in einer Ehe
solche Geschäfte nicht besprochen werden und die Frau den eigenen
Mann über solche Transaktionen vorher informiert.
In beiden Fällen ist derzeit die Glaubwürdigkeit mehr als
nur erschüttert.
In folgender Nachlese fasse ich die wichtigsten Erkenntnisse der
Krisenkommunikation zusammen, die uns Wulff und Hildebrand in ihrer
Krise veranschaulicht haben:
- Glaubwürdigkeit ist etwas vom Wichtigsten. Widersprüchliche
Aussagen oder unglaubwürdige Argumente untergraben die
Glaubwürdigkeit.
- In Krisenzeiten muss RASCH (nicht zu vorschnell), d.h. Bevor das
Feuer lodert informiert werden. Wullf und Hildebrand schweigen zu lange.
Nationalbankpräsident informierte zu spät. Auf die Frage, warum
er erst jetzt orientiere, sagte er. Erst jetzt habe er alle Fakten und der
Druck sei erst jetzt so gross geworden, dass nun informiert werden muss.
Der deutsche Bundespräsident tauchte ebenfalls zu lange ab und
wartete bis der Druck zu gross war-
- Beide reagierten, anstatt die Krisenkommunikation zu führen,
zu managen. Wulff reagierte auf Druck der Medien (Bild). Hildebrand
analog - auf Druck des Weltwocheartikels.
- Widersprüchliche Aussagen ist bei der Krisenkommunikation Gift.
Laufend kam es in beiden Fällen zu Widersprüchen.
- Wer Transparenz fordert, muss auch die Karten offen legen. Philipp
Hildebrand blieb den Beweis schuldig, dass seine Frau ohne sein Wissen
die Transaktionen getätigt hat. Die Anschuldigungen der Weltwoche
räumte er nicht vollständig aus. Wulffs "Blockieren" entspricht
nicht seinem Versprechen, er werde im Internet alle Fragen offen legen.
- Wirksame Krisenkommunikation berücksichtigt von Anfang an
mögliche Gegenspieler, nimmt Vorwürfe vorweg, nimmt Kritik ernst
und liefert vor allem FAKTEN, FAKTEN, FAKTEN. Diesbezüglich agierte
Hildebrand bei der Medienkonferenz zu wenig überzeugend. Auch bei
Wulff bleibt heute nach dem Interview reichlich Nährboden für
Spekulationen und Enthüllungen.
In Krisensituationen dürfen wir keine Eigentore schiessen, indem
beispielsweise offene Fragen nicht unverzüglich geklärt, Zweifel
nicht sofort beseitigt und Transparenz mit Taten hergestellt werden.
Bei Wulff und Hildebrand erträgt es nun keinen Hauch von
Ungereimtheit mehr.