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www.rhetorik.ch aktuell: (18. Okt, 2011)

Zoff um Zottel

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Eine Politglosse um "Zottel", Geissbock und seineszeichens stolzes Maskottchen der SVP, erschüttert derzeit die Schweiz. Zottel ist entführt worden. Ihm droht eine Verurteilung:


Schibli, der Besitzer von Zottel
Aus 20 Min vom 16. Oktober:

Seit zwei Tagen ist Zottels Stall im zürcherischen Otelfingen leer. Zusammen mit seinem Artgenossen Mimo wurde der Geissbock in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus dem Stall von SVP-Nationalrat Ernst Schibli entführt. "Ich bin sehr traurig. Seit zehn Jahren lebt Zottel bei mir - ich habe eine Beziehung mit dem Tier aufgebaut. Wenn Zottel nicht bald auftaucht, rechne ich mit dem Schlimmsten", sagt Schibli und blickt bedrückt in die leere Tierbox, in der nun Pferdedame Sweety alleine zurückbleibt. Auch sie leide, so Schibli. Bereits im Sommer habe er ein anonymes Schreiben erhalten, worin Unbekannte mit der Schlachtung des Tieres drohten - doch nie hätte er gedacht, dass sich so etwas bewahrheiten könnte. Sweety bleibt verlassen zurück Sweety bleibt verlassen zurück Besitzer Ernst Schibli ist bedrückt. Besitzer Ernst Schibli ist bedrückt. Im Internet bekennt sich seit Samstag die Antifaschistische Aktion zur Entführung. "Wir haben letzte Nacht Zottel besucht und mitgenommen ...", heisst es. Für Juso-Präsident David Roth ist dies jedoch eine reine Farce. "Die SVP hat die Entführung selbst inszeniert. Es ist ein letzter, verzweifelter Versuch vor den Wahlen, Aufmerksamkeit zu erregen", sagt Roth und distanziert sich gleichzeitig von der Aktion. Wo sich Zottel und Mimo aber auch immer befinden, für Corinne Geiser von Vier Pfoten gehören Zottel und Mimo zurück nach Otelfingen. "Ein abrupter Standortwechsel bedeutet für die Tiere viel Stress und kann im späteren Leben Schäden bewirken."
Leser Kommentare reichen bis zu Verschwörungstheorien
"Noch ein Werbegäg Angesichts der Lustlosigkeit der SVP-Wahlkampagnen scheint es nicht abwegig den Zottel vorübergehend verschwinden zu lassen. Das erregt Aufmerksamkeit..."
Die Meldung der "Antifaschistische Aktion" lässt Schlimmstes befürchten:

Seit der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 2011 befindet sich Zottel in unserer Gewalt! Heute wurde die Voruntersuchung im Fall Zottel abgeschlossen. In folgenden Punkten wird gegen ihn Anklage erhoben. Als Mitglied der SVP in folgenen Punkten:
  1. Mitverantwortung der Förderung rassistischer Paranoia.
  2. Mitverantworung für die verschleierte wie offene Forcierung des Neoliberalismus in seinen extremsten Formen.
  3. Mitverantwortung für den Aufbau eines umfassenden Polizei- und Überwachungsstaates.
  4. für die aktive Teilnahme und Förderung einer "Bezahldemokratie" zwecks direkter Durchführung des Klassenkampfes von oben.
  5. der generellen Feindschaft zum Proletariat. Als Privatbock in folgendem Punkt:
    Der Ausübung des bescheuerten Maskottchentums für eine Piss-Partei ersten Grades.
Der Prozess wird in Kürze vor einem Volksgericht statt finden. Das Urteil wird im Anschluss eröffnet.

Antifaschistische Aktion, Zürich, 17. Oktober 2011
20 Min vom 17. Oktober, 2011:

Die Antifaschistische Aktion hat "Anklage" gegen die entführten SVP-Geissen erhoben. Derweil erlauben sich Trittbrettfahrer einen "Gag" und bieten eine Zottel-Wurst zum Kauf an.

Die Posse um das SVP-Maskottchen geht in die nächste Runde: Drei Tage nach der Entführung von Zottel und seinem Artgenossen Mimo hat die Antifaschistische Aktion auf der Aktivisten-Seite indymedia.ch eine Anklageschrift publiziert. Darin wird dem Tier unter anderem die "Förderung rassistischer Paranoia" und die "Ausübung eines bescheuerten Maskottchentums" vorgeworfen. Feedback Hinweise, Anregungen oder Informationen? Mail an: feedbackminuten.ch Ganz in Taliban-Manier kündigen die Verfasser an, der Prozess finde in Kürze vor einem "Volksgericht" statt. Das Urteil werde anschliessend veröffentlicht. Wo sich der SVP-Geissbock befindet, bleibt weiter unklar.

Das Bangen für Zottel-Besitzer Ernst Schibli geht also weiter: "Es ist primitiv und gemein, eine Anklage gegen ein unschuldiges und wehrloses Tier zu erheben", erklärt der SVP-Nationalrat. Er appelliert mit aufgewühlter Stimme an die Entführer, die Geissen endlich freizulassen. Das Schicksal von Zottel bringt auch erste Trittbrettfahrer auf den Plan: Auf zottel-wurst.ch kann man bereits eine "delikate Ziegenrohwurst" bestellen. Webseiten-Betreiber Benedikt Vogel weiss allerdings auch nicht, wo sich der Original-Zottel aufhält: "Wir erlauben uns nur einen kleinen Gag, um die Leute mit Humor auf die bevorstehenden Wahlen aufmerksam zu machen", sagt der HSG-Absolvent. Der Gag scheint aber reichlich unausgegoren. Ob und zu welchem Preis tatsächlich eine Wurst geliefert wird, kann Vogel nicht sagen.
NZZ:: Happy End. Zottel ist wieder gefunden. Aus 20 Min:

Die SVP hat ihr Maskottchen zurück: Geissbock Zottel wurde am Dienstag im Zürcher Stadtteil Witikon von einer Passantin gefunden. Seine Entführer hatten ihn an einen Baum angebunden und mit schwarzer Farbe versprayt.

Wie ein Sprecher der Zürcher Stadtpolizei auf Anfrage sagte, wurden die Tiere von einer Passantin entdeckt. Diese habe sofort die Polizei informiert, worauf man ein Foto von Zottel gemacht und dieses seinem Besitzer geschickt habe. Schibli habe dann bestätigt, dass es sich bei dem Tier um Zottel handle.
Schlussbemerkung:

Die Entführung des SVP Maskottchens erfüllte alle Voraussetzungen einer Medienstory. Typische Marketingmerkmale haben geholfen, sie in die Schlagzeilen zu bringen: Die Geschichte weckte Emotionen, entweder durch Mitleid oder Schadenfreude. Auch werden Tier-und Kindergeschichten gerne gelesen. Die aussergewöhnliche Geschichte hatte wenig Tiefgang und verbreitet sich so auch durch Weitererzählen. Die Gretchenfrage ist: Wem nützte die Story? Tatsache ist, dass Zottel in der Endphase des Wahlkampfes der SVP zu erneuter Aufmerksamkeit verholfen hat. Deshalb wurde von Juso Seite auch vermutet, die Geschichte sei selbstinszeniert, um einen Werbeeffekt zu erreichen. Verschwörungstheorien hin oder her und trotz aller Groteskheit der Episode: Die Story könnte der SVP dank Medienwirbel zusätzliche Stimmen zugescheffelt haben.

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