Zur Rolle der Medien im Wahlkampf
Rhetorik.ch Artikel zum Thema: |
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Im Kommunikationsviereck Medien - Parteien - Kandidaten - Publikum
müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie Parteien und
Politiker Themen sensibilisieren oder visualisieren, wie sich die Stimmberechtigten
mobilisieren und personifizieren, um Sieger auszumachen.
Bei der jüngsten Arena mit Chefredakteuren wurde der Wahlkampf 11 als "zu
langweilig" bezeichnet. Der "Blick am Abend" hatte sogar den Titel "Gähn langweilig".`
Die Frage "Warum ist der aktuelle Wahlkampf so lau?" stand am Anfang im Zentrum der Diskussion.
Wer jedoch die Medienaktivitäten in diesem Wahlkampf betrachtet, stellt fest, dass in
diesem Jahr ein grosser Aufwand betrieben wurde.
Es wurde in diesem angeblich lauen Wahlkampf für Auftritte von
Parteien und Kandidaten enorm viel Platz eingeräumt. Vom Berner Bundesplatz
konnten wir täglich Interviews mit Exponenten der Politik vernehmen. Alle
Medien räumten diesem Wahlkampf aussergewöhnlich viel Platz ein. Selten
wurde so viel gemacht. Die Aktivitäten der Medien waren somit alles andere als lau.
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Warum suchten die Medien diese Nähe zu den Politikern?
Woher kommt das enorme Interesse am Kontakt mit Exponenten der Politik?
In einem Votum an der Elephantenrunde mit Chefredaktoren begründete ich
die enorme Medienaktivität mit:
- Die Medien wollen und müssen informieren und haben einen Informationsauftrag.
- Die Medien wollen Einschaltquoten. Es wäre nicht normal, wenn für einen
Chefredakteur die Auflagezahlen kein Thema wäre.
Die Medien brauchen und wollen Geld. Nicht nur hinsichtlich Inserate.
Elektronische Medien erhalten auch Konzessionen. Der Kontakt zum
politischen Personal wird bewusst gesucht. Deshalb ist die Tendenz zur Nähe
zur Politik und Politiker verständlich. Der aussergewöhnliche Aufwand in
diesem Herbst ist somit sicherlich auch politisch geprägt.
- Die Medien schätzen Auseinandersetzungen. Kämpfe oder gar Streit sind
wichtige Treiber und "Wecken der Aufmerksamkeit" und förern somit die Einschaltquoten.
Bekanntlich verkauft sich Ausserwöhnliches bei den Konsumenten immer besser
als emotionslose Fakten und Botschaften. Die Medien haben somit ein Interesse
an ungewöhnlichen Geschichten. Diese werden vom Publikum geschätzt.
- Medien profitieren vom gekaufen Raum. Wenn die SVP in der Schlussphase
mit Inseraten nochmals die Bürger mobilisiert und beispielsweise mit
grossen Inseraten vor einem Geheimplan warnen, so kann dies den Printmedien nur
recht sein.
Dieser Hinweis löste bei einzelnen Journalisten etwas aus, denn diese
Zusammenhänge werden nicht immer gerne gehört. Ein Chefredakteur
wollte mir sogar während der Sendung unterstellen, ich hätte gesagt,
die Medien würden nicht zwischen gekauftem Raum und redaktionellem Teil trennen.
Meine Analyse gehe davon aus, dass sich Journalisten durch die Inserenten beeinflussen lassen.
Von einer Beeinflussung war aber nicht die Rede. Es wurde lediglich die Rolle der Medien
im Wahlkampf beleuchtet und bewusst gemacht, dass Medien einen lebendigen
Wahlkampf lieben, bei dem die Fetzen fliegen. Es wäre durchaus nachvollziehbar, falls
Journalisten Auseinandersetzungen im Wahlkampf sogar bewusst schüren.
Einmal mehr bestätigte sich ein Kommunikationsphänomen:
Menschen hören selektiv, interpretieren und glauben das gehört
zu haben, was man meint, gehört zu haben. Das heisst, viele hören
das, was sie gehört haben wollen.
Der Wahlkampf war aus der Sicht der Medien weniger lau als es
einzelne Redakteure empfunden haben. Ich zweifle jedenfalls daran, dass
dieses Jahr weniger Bürger mobilisiert werden konnten. Die Stimmbeteiligung
wird kaum einknicken.
Eine der Kernfragen der Sendung war:
Wer wird siegen?
Aus kommunikativer Sicht punkten jene Politiker, die eine Botschaft, verständlich,
überzeugend und glaubwürdig vermitteln können, die
Botschaften visualisieren können, die Verbündete finden, sich vernetzen und
die Wähler mobilisieren können. Diese werden siegen. Die Botschafter der
Parteien sind ausschlaggebend. Eine wissenschaftlichen Untersuchung
der Uni Zürich hatte bestätigte, dass das Image einer Person oft die
Fakten schlägt.
Nachtrag vom 23. Oktober:
Der Spiegel:
Die SVP hat bei den Parlamentswahlen in der Schweiz schlechter
abgeschnitten als erwartet - bleibt aber wohl stärkste Partei. Zu
den Gewinnern gehören die Bürgerlich-Demokratische Partei und
die Grünliberalen. Insgesamt haben die Wähler Parteien der
politischen Mitte gestärkt.
20 Min:
SVP und Gruene, FDP 4, CVP 3 verlieren. Die SP gewinnt einen Sitz.
BDP und Grünliberale legen sensationelle 9 Sitze zu.
Nachtrag vom 26. Oktober, 2011
Nach Wahlen werden immer auch Gründe für die Resultate gesucht.
Vor allem aus dem Verliererfeld. So auch dieses Jahr. Im viel besprochenen
Tischinterview
von
Christoph Blocher bei diesen Wahlen bei dem er vom einem
Berater auf den Tisch gestellt worden ist, um zu reden, hat Blocher
die zu
starken Vorumfragewerte der SVP kritisiert.
Diesmal wurden aber vor allem die
Hochrechnungen am Wahlabend
selbst kritisiert.
Aus dem
Tagi:
Alle vier Jahre, wenn sich der Pulverdampf des
Wahlkampfes langsam verzieht, entlädt sich der Unmut der
Wahlverlierer über das Schweizer Fernsehen. Das ist auch 2011
nicht anders. Nur haben die Parteien diesmal auch tatsächlich
Grund für ein paar Beanstandungen: Die für die Hochrechnungen
zuständige Arbeitsgemeinschaft Projections 2011 hat Endergebnisse
aus einem Kanton falsch zugeordnet. Dies hat die zweiten und dritten
Hochrechnungen des Schweizer Fernsehen verfälscht.
Fehler in Hochrechnungen sind immer zu erwarten. Sie beeinflussen
die Wahl aber nicht mehr, denn die Wahllokale sind dann ja schon
geschlossen. Bei Umfragen ist es anders, aber auch nicht klar, wem
das hilft. Wird von einer Partei durch Umfragen prognostiziert, dass sie
einbricht, kann dies zur Folge haben, dass Stimmberechtigte vom sinkenden
Schiff abspringen. Umgekehrt kann es auch Waehler motivieren, an die
Urnen zu gehen. Wir kennen das Phänomen an einer Gemeindeversmmlung,
bei der offen abgestimmt wird. Steht mehr al die Hälfe der
Anwesenden auf, folgen plötzlich die Unentschlossenen, weil sie
unbewusst auch zu den Siegern gehören. Es kann aber auch sein,
dass Leute nicht mehr zur Urne geht, weil der Sieg schon prognostiziert
wird und sie denken, dass die Stimme nicht mehr gebraucht wird.