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www.rhetorik.ch aktuell: (19. Aug, 2011)

Das Treffen von Sarkozy und Merkel

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Persönlichkeiten können nicht auf Grund nur einer Momentaufnahme beurteilt werden. Die Beurteilung durch Stimme, Wortwahl, Aspekten der Körpersprache, muss die Situation, der Kontext, die Gesamtwirkung der Person mitberücksichtigen. Schon bei der Beurteilung von Angela Merkel aufgrund zahlreicher Schwarzweiss Portraits für das Museum für Gestaltung hat sich gezeigt, dass auf diese Weise keine präzise Analyse möglich ist. Momentaufnahmen sind immer fragwürdig. Wenn beispielsweise Merkel zum Himmel schaut, so sind unterschiedlichste Interpretationen möglich: Sieht sie in die Zukunft, oder ist sie ärgerlich? In Wahrheit könnte sie nur einem Heli zuschauen. Die Interpretationen können bewusst machen, was ein einzelner Zuschauer aus dem Verhalten der Politiker ablesen kann. Beobachtungen von verschiedenen Personen zeigen, dass solche Übungen der Wahrnehmungsfähigkeit immer subjektiv sind. Schauspieler machen bewusst, wie einfach die Fassade zu manipulieren ist. Unterhaltsam ist die Augurentätigkeit allemal. Bilder wie dieses Juni Bild oder Bundesratsfotos zeigen das. Hier ist ein neues Beispiel, gemacht für den Tagesanzeiger.

Aus dem Tagi:

Sarkozy und Merkel wirken wie zwei Kampfhähne. Sarkozys Handflächen beschwichtigen. Merkel weicht dem Blickkontakt aus und öffnet die Handflächen, als sage sie:'Ich nehme einmal deine Idee entgegen - aber nur unverbindlich.'"
"Sarkozy ielt mit der pistolengeformten Hand und zugekniffenen Augen auf das Gegenüber. Doch Angela Merkel lässt sich nicht kleinkriegen. Sie kontert mit erhobenem Zeigefinger."
"Merkel scheint alle Kräfte des Himmels zu beschwören. Denkt die Pfarrerstochter:'Alles Gute kommt von oben'? Sarkozy scheint die deutsche Kanzlerin zu beschwichtigen und wieder auf den Boden zu holen."
"Beide berühren das Gegenüber. Merkel legt beschwichtigend die rechte Handfläche auf Sarkozys linke Schulter. Diese Geste von oben ist bei zwei gleichwertigen Partnern fragwürdig. Merkels Gesicht ist alles andere als freundlich. Die Berührung Sarkozys wirkt aufgesetzt - für die Presse gestellt: Wir mögen uns!"
"Obschon die Wirkung des Auftrittes darauf ausgelegt ist, Harmonie und vertrauliche Nähe zu vermitteln, ist die Assoziation'Liebespaar' mit der gewünschten Aussage'Wir mögen uns' eine bewusste Show. Die Vermutung kommt auf: alles für die Presse inszeniert. Merkels Hand - wiederum von oben - signalisiert Überlegenheit. Die Hände der beiden berühren sich zwar leicht, scheinen aber ins Leere zu greifen."
"Hier sagt das Minenspiel viel aus. Merkel scheint etwas sagen zu wollen. Beide blicken mit verschlossenem Mund nach unten. Ohne den Kontext dieser Aufnahme zu kennen, spricht aus der zugeneigten Kopfhaltung und der Mimik Übereinstimmung: Wir beide haben es geschafft! Selbstgefällig?"
"Sarkozy in seiner typischen Macho-Haltung. Mit einem übersteigerten Selbstwertgefühl, der Partnerin erklärend, wo es langgeht. Merkel nimmt das Gehörte kritisch entgegen. Die Augen schielen nachdenklich - vielleicht sogar belämmert und betroffen - hinüber. Doch signalisiert die selbstbewusste Kanzlerin:'Vorsicht, die Kanzlerin wird nicht klein beigeben, sondern bei nächster Gelegenheit ihre Sicht der Dinge kundtun.'"
"Eine typische Aufnahme für die Presse. Gespielte Einigkeit. Reine Fassade."
Aus dem Tagi:

Was die auffällige Körpersprache über Merkel und Sarkozy verrät

Von Matthias Chapman Liebespaar, Macho-Gehabe und Himmels-Anbeterin: Was die beiden Staatsleute am gestrigen Treffen inszenierten, analysiert für Tagesanzeiger.ch/Newsnetz Kommunikationsexperte Marcus Knill. Experte für Medienrhetorik, Coach und erfahrener Analytiker von Persönlichkeiten. "Ich bin mir bewusst, dass mein Eindruck täuschen kann, denn ich beurteile eine Blitzlichtsituation. Dennoch ist die Wirkung, jede Wahrnehmung eines Bildes spannend und aufschlussreich." Der Euro wackelt und mit ihm die Regierungen der Eurostaaten. Fast wöchentlich treffen sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy zum Thema, um einen weiteren Absturz der Einheitswährung zu verhindern. Nicht immer kommt dabei Wesentliches heraus. So geschehen zum Beispiel gestern. Umso wichtiger scheint für die beiden, dass sie wenigstens ein gutes Bild abgeben. Will heissen, zusammenstehen, kämpfen, beruhigen und vorwärtsschauen. Dass dabei die Bilder, welche in alle Welt verbreitet werden, von besonderer Bedeutung sind, versteht sich von selbst. Das ist auch den Protagonisten klar. "Beide Staatschefs versuchen, homogen zu wirken, die Bewegung der Hände und die Mimik scheinen synchron zu verlaufen", sagt dazu der Experte für Medienrhetorik, Marcus Knill. Und weiter: "Beide sind auf Wirkung bedacht. Ich weiss von Merkel, dass sie keine Bilder publiziert haben will, die sie nicht abgesegnet hat. Dennoch verraten die Aufnahmen mehr, als die beiden Akteure wahrhaben wollen. Die These des österreichischen Pantomimen Samy Molcho trifft zu: Der Körper kann weniger leicht lügen." Für Tagesanzeiger.ch/Newsnetz hat Knill eine Serie von acht Bildern (siehe Bildstrecke inklusive Bildlegende) des gestrigen Treffens analysiert. Trotz offensichtlicher Bemühung, einheitlich zu wirken, gelinge das den beiden nicht perfekt, erklärt Knill weiter: "Die Demonstration der völligen Übereinstimmung wird durch die Körpersignale korrigiert. Wir können davon ausgehen , dass Merkel wie Sarkozy berechnend, ehrgeizig und darauf bedacht sind, die Differenzen mit inszenierten Bildern der Harmonie zu überdecken. Dennoch gelingt es ihnen nicht immer."
Ich gebe allen Skeptikern recht, die Vorbehalte haben gegen Interpretationen einzelner Beobachtungspunkte oder Signale, die angeblich schlüssig verraten sollen, was Sache ist. Ich finde, dass solche Blitzlichtanalysen dennoch spannend sein können, weil wir uns bewusst werden, dass eigentlich jedes Bild eine Wirkung hat und von jedem Beobachter automatisch individuell interpretiert wird. Wir werden auf diese Weise hinsichtlich Beurteilung der Körpersprache noch keine Wahrseher. Aus meiner Tätigkeit bei meinen Analysen bei Medienassessments weiss ich, dass eine Persönlichkeit nicht nur auf Grund eines Bildes, einer Bewegung, einer Stimmanalyse, eines graphologischen Gutachtens oder seiner Kleidung schlüssig beurteilt werden kann. Dies wäre eine Anmassung. Blitzlichtanalysen allein genügen nie. Für eine ganzheitliche Beurteilung benötigt man verschiedene Beobachtungskriterien. In meinen Analysen will ich deshalb immer wissen, ob Botschaft, Stimme, Formulierung, Körpersprache mit der Person und ihrer Rolle übereinstimmt und zwar adressaten- und situationsgerecht.

Karikatur von Martin Sutovec, Slovakia auf dem Tagi.

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