Kommentar zum "Gespräch"
im Schaffhauser Fernsehen vom 10. August.
Das Gespräch führte
Claudio Della Giacoma
Wir müssen uns bei dieser Thematik mit allen Formen der Kommunikation
von politischen Akteuren befassen, die zur Erreichung ihrer Ziele extreme
Mittel einsetzen. Bei allen Formen des Extremismus, ob von links oder
rechts, von Fundamentalisten und religiösen Fanatikern gilt es
zu unterscheiden, ob das extreme Gedankengut verbal mit gängigen
Beeinflussungsmethoden verbreitet wird oder ob die Heilslehre mit Gewalt
durchgesetzt wird, indem sogar Gegner getötet werden.
"Terrorismus muss erkannt und bekämpft werden - unabhängig von
seinen ideologischen Wurzeln. Die Wurzeln gilt es früh zu beachten,
um einer allfällige Bedrohung vorzubeugen.
Jeglicher Extremismus, jeder Fanatismus, jedes fundamentalistische
Gedankengut ist gefährlich.
Vor allem dann, wenn mit Gewalt eine Gesellschaft amgeblich gerettet,
verbessert oder verändert werden will. Dies gilt für ALLE
terroristische Vorgehensweisen, ob sie von rechts, links, vom Islam oder
von anderen fundamentalistischen Gruppierungen kommen.
In einer offenen Gesellschaft müssen wir Diskussionen immer zulassen.
Doch dürfen Meinungen nie mit Gewalt durchgesetzt werden.
Auseinandersetzungen gilt es verbal auszutragen. Nach einer
terroristischen Handlung folgen sofort Schuldzuweisungen und es besteht
die Gefahr von Ueberreaktionen. Nach einem Anschlag von Oekoterroristen
könnten beispielsweise grüne Anliegen mundtot gemacht
werden. Anschläge von fanatischen Vertretern des heiligen Krieges
führten zu einer Sippenhaft aller Islamisten und Amerika konnte
neue einschneidende Ueberwachungsmassnahmen einführen. Auch nach dem
Anschlag in Norwegen war der Ruf nach dem Verbot rechtextremer Parteien
zu hören, wie auch die Forderung, Killerspiele zu verbieten, weil
sie der Massenmörder konsumiert hatte. Wir müssen aufpassen,
dass wir nach extremen Situationen nicht mit extremen Massnahmen wie
Verboten, Fichen anlegen, Kontrollen usw. überreagieren und
wie in totalitären Ueberwachungsstaaten die Meinungsfreiheit
einschränken.
Auch Leser, die nicht zu den Weltwochelesern zählen, fanden folgende
Aussage des Weltwoche - Chefredaktors hilfreich:
"Wer kritisch über Zuwanderung redet, ist noch kein Breivik,
sondern einfach ein besorgter Mensch, der die Probleme nicht unter den
Teppich gekehrt haben möchte."
Und ergänzte:
"In der Schweiz können Leute über Minarette abstimmen und
müssen nicht zu anderen Methoden greifen."
Mit dieser Formulierung hat Köppel bei der Thematik "Wahnsinnstat und
Politik" bewusst gemacht, dass wir nach dem Verbrechen eines Psychopathen
nicht plötzlich alle gebrandmarkt werden die sich islamkritisch
äussern.
Es gilt generell, Worte vermehrt ernster zu nehmen.
Das Klima in der politischen Landschaft ist eindeutig
härter geworden. Dies ist aber nicht neu. Doch werden die
Bilder und Formulierungen zunehmend martialischer (unverfrorener,
streitbarer). Medien mit der zunehmenden Boulevardisierung, der Tendenz
zum Personifizieren, Emotionalisieren unterstützen diesen Trend. Ob
Medien oder Parteien. Alle wünschen letztlich Aufmerksamkeit.
Dieser Trend hat einen Nachteil: Der Dialog und die gesunden Streitkultur
kann vergiftet werden. Worte müssten wir deshalb in allen Belangen
wieder viel ernster nehmen. Das gilt überall - in den Familien,
im Beruf und in Schulen. Wer unbedacht übers Ziel hinausschiesst,
rechtfertigt seine Ueberzeichnung meist damit, indem gesagt wird:
- Es war ja nicht so gemeint. - Ich musste provozieren, um etwas
zu bewegen. Schon der Talmud meinte:
Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden zu Worten. Achte auf Deine
Worte, denn sie werden zu Handlungen. Achte auf Deine Handlungen, denn
sie werden zu Gewohnheiten. Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden
Deinen Charakter. Achte auf Deinen Charaketer, denn er wird Dein Schicksal.
Respekt und Wertschätzung sind gefragt
Obwohl es zulässig ist, Klartext zu reden und Auseinandersetzungen
nicht ausgewichen werden soll, gilt für alle Exponenten extremer
Meinungen: Trotz klarer Position müssen die Gegner stets
mit Respekt behandelt werden. Gefragt ist: Wertschätzung des
Gegenübers. Nach dem Harvardprinzip: Ich verstehe Dich, doch ich
bin mit Deiner Meinung gar nicht einverstanden.
Grundsätzlich ist politische Kommunikation martialischer
geworden. dies ist jedoch keine neue Entwicklung, aber in den letzten
Jahren hat sich der Trend nochmals verschärft. Was sicher gesagt
werden kann: Der Massenmörder Breivik ist kein Resultat dieser
Kommunikation allein. Bei ihm haben viele Faktoren mitgespielt. Er ist
zum guten Teil ein Psychopath.
Heute greifen Linke und Rechte den Gegner hart an. Zum Teil werden Grenzen
überschritten. Vor allem dort, wo andersdenkende Menschen in ihrer
Würde verletzt werden. Eine gewisse politische Inkorrektheit in
Ehren. Wenn jedoch der Respekt gegenüber dem "Gegner" völlig
verloren geht, wird es gefährlich. Es wird dadurch legitimiert,
dass man gewisse Menschen angreifen (zerstören) kann. Der Weg von
der verbalen zur handfesten Gewalt wird somit kürzer.
Politiker, die hart austeilen, dürfen sich nicht aus der
Verantwortung stehlen. Tragen sie doch auch zu einem destruktiven Klima bei.
Wir müssen unbedingt klare Grenze ziehen - zwischen harten
Voten einerseits und verbaler, physischer, psychischer Gewalt
anderseits. Terror ist immer abzulehnen. Diese Differenzierung wird
leider zu wenig gemacht.
Ich bin mir bewusst, dass eine Diskussion länger dauern müsste,
wenn man auch noch die notwendige Gewalt gegen Terroristen oder
Diktatoren beleuchten müsste.