Rhetorik.ch

Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com
Aktuell Artikel Artikel Inhaltsverzeichnis Suche in Rhetorik.ch:

www.rhetorik.ch aktuell: (16. Jul, 2011)

Macht das Internet dumm?

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Macht das Internet dumm? Psychologen haben das Vorurteil untersucht. Die Frage ist noch nicht geklärt. Eine These sagt, dass sich das Gedächtnis dem Internet anpasst, wie auch andere Medien adaptiert worden sind. Die neuen Technologien erlauben es, besser Zusammenhänge zu sehen. Andererseits könnte das Verständnis auch oberflächlicher werden. Aus der Zeit:
Die These besagt, dass die zunehmende Informationsflut durch Nachrichtenwebsites, Twitter, Facebook und Youtube uns ablenkt, uns weniger aufnehmen und nachdenken lässt - dass sie uns schlicht macht. Welche Auswirkungen das Internet tatsächlich auf unser Gedächtnis hat, wurde bislang aber nicht empirisch erforscht. Erste Experimente dazu hat nun die Psychologin Betsy Sparrow von der Columbia University durchgeführt und im Fachblatt Science veröffentlicht, wie das Magazin Technology Review berichtet. Sparrow teilte dazu Studenten in zwei Gruppen ein und liess sie kurze Statements lesen und am Computer aufschreiben. Der einen Gruppe wurde im Vorfeld gesagt, dass die abgetippten Statements anschliessend gespeichert würden, während der anderen erzählt wurde, dass man die Texte dann löschen werde. Der Hälfte jeder Gruppe wurde ausserdem aufgetragen, sich neben dem Abtippen die Statements bewusst einzuprägen. Dabei stellte sich heraus, dass die Studenten, die wussten, dass die Statements wieder gelöscht werden, sich besser an sie erinnern konnten. Und zwar unabhängig davon, ob sie den Auftrag hatten, sich die Informationen bewusst zu merken oder nicht. In einem zweiten Experiment wurde einem Teil der Studenten gesagt, dass die abgetippten Statements in einem bestimmten Ordner auf dem Computer gespeichert würden. Bei der Auswertung zeigte sich, dass die Studenten sich besser an den Ort erinnern konnten, an dem die Information zu finden ist, als an die Information selbst. Daraus leitet das Forscherteam um Sparrow ab, dass wir uns wahrscheinlich weniger gut Fakten einprägen, wenn wir wissen, dass wir sie leicht nachschauen können. Der Ordner auf dem Computer kann dabei durchaus gleichgesetzt werden mit beispielsweise dem Internet. Diese Theorie erweitert die bislang geltenden Modelle, wie wir Zugang zu unserem Gedächtnis finden. Daniel Wegener, Psychologe an der Harvard Universität und Co-Autor der neuen Studie, schlug bereits vor 30 Jahren die Idee vom transactive memory vor, von einem kollektiven sozialen Gedächtnis. Artikel: Die Theorie betrachtet das Gedächtnis als ein Team von Kollegen. Auch in diesem weiss nicht jeder alles, sondern das gemeinsame Wissen ist eine Summe der Dinge, die jeder Einzelne weiss. Wir merken uns dabei vor allem die Meta-Information: Wer etwas weiss. Die Idee von Sparrow und Wegner ist, dass das Internet - dank Suchmaschinen wie Google - eine ähnliche Funktion hat: dass es also eine Erweiterung unseres Gedächtnisses sein kann. Schliesslich googeln wir auch alte Schulfreunde, suchen nach Artikeln oder schauen den Namen des Schauspielers nach, der uns auf der Zunge liegt - schliesslich sind solche Informationen dank Suchmaschinen nur einen Klick entfernt. "Sparrows Studie zeigt, wie flexibel unser Gehirn ist, wenn es um die Anpassung an unsere Werkzeuge geht", zitiert Technology Review den Autor Nicolas Carr, dessen Buch The Shallows: What the Internet Is Doing to Our Brains gerade für den Pulitzerpreis nominiert ist. Allerdings sieht Carr diese Anpassung nicht positiv: "Es ist wirklich wichtig, dass es einen Unterschied zwischen externem und internem Gedächtnis gibt", sagt er. "Wenn man etwas nicht verinnerlicht, dann wird das Verständnis weniger persönlich, weniger unverwechselbar und in letzter Konsequenz oberflächlicher." Sparrow selbst sieht diesen Prozess hingegen positiv. Unser Gedächtnis passe sich dem Internet an, genau wie es sich in der Vergangenheit auch an andere "Technologien" angepasst habe, beispielsweise an das geschriebene Wort. Sie arbeitet nun daran, mögliche Vorteile des Internets als externes Gedächtnis mit weiteren Experimenten zu überprüfen. Dabei hat sie folgende Theorie: Wenn wir wissen, dass Details später noch irgendwo abrufbar sind, konzentrieren wir uns mehr darauf, den Kontext von Informationen zu erkennen. Solche Zusammenhänge würden uns entgehen, wenn wir uns in Details verzetteln. Doch gibt es auch Kritiker der Ergebnisse. Technology Review zitiert Mary Potter, Psychologin am Massachusetts Institute of Technology. Sie sagt, Sparrows Studie unterstütze zwar die verbreitete Ansicht, dass wir Menschen Werkzeuge wie Zettel oder Festplatten nutzen, um uns Informationen zu merken. Jedoch seien die Ergebnisse der Studie nur gerade eben statistisch signifikant. Als gesicherten Fakt solle man sie daher nicht ansehen, sondern nur als eine Möglichkeit. Ausserdem merkt Potter demnach an, dass es nicht unbedingt ein psychologisches Phänomen sein müsse, was Sparrow da beobachtet habe, es könne auch ein soziologisches sein: "Wenn ein Freund sein Smartphone hervorholt, um Informationen zu einer Band nachzuschauen", könne er das auch tun, "weil es Spass macht" und nicht, weil unser Gehirn sich verändert hat und nun anders Informationen speichert.

Rhetorik.ch 1998-2011 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com