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www.rhetorik.ch aktuell: (27. Jan, 2011)

Luegen-Flunkern-Taeuschen-Beschoenigen

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Lügner zu entlarven ist nicht einfach. Es gibt Grenzen bei der Lügenerkennung. Am Morgen des 26. Januar 2011 beschäftigte sich DRS 1 im Treffpunkt mit dem Schwerpunktthema "Lügen". Die Sendung wurde mit folgendem Text angekündigt:
Ehrlich währt am längsten? Fünfzig Mal pro Tag sagen wir nicht die Wahrheit. Dies behaupten zumindest verschiedene Studien. Wir flunkern, sagen nicht alles und reden unsere Biographie schön. "Treffpunkt" geht der Frage nach, ob das tatsächlich verwerflich ist. Nicht immer ist die Wahrheit förderlich. Kürzlich hat die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch in einem Interview zugegeben, dass sie fast täglich einmal bereue, in dieses Amt gewählt worden zu sein. Es hagelte Kritik, die sich mit ein wenig Unwahrheit wohl hätte vermeiden lassen. "Treffpunkt" zeigt auch auf, wie wir das Lügen als Kinder lernen und wie Erwachsene mit dem Widerspruch umgehen, dass sie den Kindern verbieten zu lügen, es selber aber dauernd tun.
Ich war im Studio bei dieser Sendung dabei. Wichtig schien mir, schon am Anfang der Sendung den Begriff klar zu machen. Wir reden nur dann von einer Lüge wenn die Falschaussage bewusst gemacht wird, mit der Annahme, dass sie als wahr genommen wird. Bei Unwissen spricht man von Unwahrheit. Ein Kabaretist verdreht Tatsachen, um lustig zu sein.

Menschen lügen vor allem aus Scham, Höflichkeit, aus Angst vor unangenehmen Konsequenzen, aus Unsicherheit oder in Notsituation. Man lügt etwa, um sich oder andere Interessen zu schützen, Konflikten aus dem Weg gehen, aus Unsicherheit, oder um sich einen Vorteil verschaffen oder das eigene Image aufzumöbeln. Es gibt viele Variationen des Lügens:

Die Selbstlüge Das ist die letzte Zigarette!
Die Notlüe Das war ein schöner Abend!
Die Geltungslüge Der kleine bestiegene Hügel wird zum Viertausender
Die Angstlüge Das Abstreiten eines Seitensprungs
Die skrupellose Lüge Ein andere wird einer Tat bezichtigt.


Der Östereichische Soziologe Peter Stiegnitz erforschte als einer der ersten das Lügenverhalten und schaffte so neuen Disziplin Mentiologie. So stellte er Hitlisten von typischen Männer- oder typischen Frauenlügen auf. So soll es bei den Männern das Auto bei den Frauen das Gewicht sein.

Das hat sich heute sicher verschoben. So weist der Psychologe Werner Stangl in seinen Arbeitblättern über das Lügen darauf hin, dass im Zeitalter der sozialen Medien und viel online Präsenz als Selbstschutzmassnahme sehr viel gelogen wird. Man verschweigt etwa sein Alter oder ändert gar das Geschlecht, um anonymer auftreten zu können. Vor allem in Umfragen wird viel gelogen.

Hier sind ein paar Fragen, die ich mir vor der Sendung gestellt habe:

  • Macht uns die Natur nicht vor, dass Täuschung überlebenswichtig ist?
  • Haben Talente der Täuschung in Wirtschaft, Politik oder Juistiz mehr Erfolg?
  • Ziehen Wirtschaftsführer, den Kürzeren, die nie lügen?
  • Welche Signale verraten das Lügenverhalten?
  • Gibt es taugliche Lügendetektoren?
  • Wann ist es etisch verantwortbar zu lügen? Wann darf ein Arzt lügen?
  • Was ist der Unterschied zwischen "Verleugnen" und lügen.
  • Ist es in Ordnung, Kleinkinder mit Osterhasen, Santa Klaus Geschichten anzulügen?


Lügen ist kognitive Schwerstarbeit und stresst den Körper. Beim Lügenprozess können oft typischen Körpersignale erkannt werden, die sich bei Ueberraschungs-, Stress-Situationen ebenfalls zeigen. Beispiele sind Lautstärke variationen beim Sprechen, reduzierte Gestik, Ausweichen mit dem Blick, Erröten, sonderbares Pausenverhalten, erhöhter Schweissaustrieb, Unstimmigkeit in der Stimme- übertriebenes Verhalten, erhöhte Lidschlagzahl, Pupillen vergrösserung, Puls erhöhung, reduzierte Atmung, trockener Mund. Wirtschaftführer beschönigen Negatives etwa in der "Wir" Form statt in der ich-Form. Oder es werden extrem übertriebene Worte gebraucht wie brillant, phantastische Resultate ... obschon es der Firma schlecht geht.

Doch gilt es, dass die jeweilige Situation und der Kontext bei der Analyse berücksichtigt wird. Alle Versuche, Lügen über körpersprachliche Signale zu entlarven sind nicht eindeutig. Experimente mit Lügendetektoren zeigen das. Samy Molche meint, dass wer Lügen erkennen will, zuerst alles, was wahrgenommen wird, präzis beschreiben muss. Dies setzt eine gute Wahrnehmungsfähigkeit voraus.

Doch all das kann getäuscht werden. Manager, die gelernt haben, professionell zu lügen, machen sich beim Training dieser Erkenntnisse zu nutzen, indem sie sich bewusst entspannen und die falschen Geschichten verinnerlichen. Sie lernen auch, sich nie ins Gesicht zu greifen, mit angemessener Gestik den Druck abzubauen und dem Gegenüber offen in die Augen zu schauen.

In der Radiosendung "Treffpunkt" verwies die Erziehungswissenschafterin Marlise Küng auf die Lüge im Zusammenhang mit den sozialen Konventionen. Sie erklärte, wie Eltern bei Konventionsverletzungen intervenieren könnten. Sie wies auch auf die Bedeutung der Sensitivität der Mutter beim Säugling hin und machte bewusst, dass die Lüge eine kognitive Leistung ist.

Urs Zeiser machte deutlich, dass man Menschen nicht auf Grund eines Signales entlarven kann. Für ihn kann ein Mensch in Bezug auf die Gefühle nicht lügen. Er kann zwar die Gefühle zurückhalten. Diese Zurückhaltung erzeugt immer Spannungen, die sich auf den Körper auswirken. So zum Beispiel im Knie oder auch im Kiefergelenk.

Im Umgang mit Medien ist besonders wichtig, dass nicht alles Wahre auch gesagt werden muss. Doch soll alles Gesagte auch wahr sein. Es gilt die jeweilige Situation mit zu berücksichtigen. Ein Kellner, der lächelt, obschon er traurig ist, lügt nicht. Im Gericht gibt es Fragen, bei denen gelügt werden darf und Fälle, bei denen die Lüge strafbar ist. Die Wahrheit sollte dem Gegenüber nie wie ein nasses Tuch ins Gesicht geschlagen werden. Das Wie und vor allem der Ton ist bei Kritikgesprächen wichtig.

Eine Lüge kann irreparablen Schaden anrichten. Der Hauptgrund ist sicher der Vertrauensverlust.

Ein Hörer Dieter Schmalfuss wies auf das folgende Zitat von Machiavelli an Mächtige hin: Ein kluger Machthaber kann und darf sein Wort nicht halten, wenn ihm das zu Schaden gereicht und wenn die Gründe weggefallen sind, die ihn zu seinem Versprechen veranlasst haben. Wären die Menschen alle gut, so wäre dieser Vorschlag nicht gut; da sie aber schlecht sind und das gegebene Wort auch nicht halten würden, hast du auch keinen Anlass, es ihnen gegenüber zu halten. Auch hat es einem Herrscher noch nie an rechtmässigen Gründen gefehlt, seinen Wortbruch zu bemänteln. Quelle: Niccolo Machiavelli 1469 - 1527 in "Macht und Lüge sind unzertrennlich. Ulrich Greiner DIE ZEIT Nr. 8 vom 17.2.2000 Zum Schluss ein Zitat von Max Frisch: "Die sicherste Tarnung ist noch immer die blanke Wahrheit. Die glaubt niemand."

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