Rhetorik.ch

Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com
Aktuell Artikel Artikel Inhaltsverzeichnis Suche in Rhetorik.ch:

www.rhetorik.ch aktuell: (22. Dez, 2010)

Wenn Promis Privates preisgeben

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
SN vom 22. Dezember, 2010, [PDF]


Wenn Promis Privates preisgeben 

Von Marcus Knill*

Es gibt genügend Beispiele von Promis und Politikern, die unter dem
Virus Mediengeilheit leiden und keine deutliche Grenze ziehen zwischen
Privatem und der Oeffentlichkeit.

Die Verlockung ist für sie zu gross, wenn Boulevardmedien das
Privatleben ausleuchten wollen. Vielen fällt es dann schwer, NEIN
zu sagen. Ich habe Sportler und Fernsehjournalisten kennen gelernt, die
sich bei Illustrierten und Magazinen recht unbeliebt gemacht haben, weil
sie zwischen Job und Privatleben einen klaren Trennungsstrich gezogen
haben. Als Berater hatte ich Einblick in Briefe von Redaktionen, die
Verweigerer von Homestorys stark unter Druck gesetzt haben - sogar mit
handfesten Drohungen: "Wenn Sie nicht willig sind, dann.....". Doch jene
Profis, die gelernt hatten, Privates nicht ins Schaufenster zu stellen,
sind dank ihrer Standfestigkeit langfristig sehr gut gefahren. Es lohnt
sich, den Verlockungen der Regenbogenpresse zu widerstehen, auch wenn
Politiker und Prominente auf Publizität angewiesen sind.

Ich kenne die Versuchungen der Medienpräsenz und das Phänomen:
"Nur wenn ich in den Medien komme, bin ich jemand". Kurt Felix
sagte einmal treffend: "Früher wollten die Leute in den Himmel,
heute ins Fernsehen." Kamerateams im Bundeshaus bestätigen mir,
dass es immer wieder Politiker gibt, die sich bewusst vor der Kamera
(hinter den Interviewten) positionieren, nur damit sie auf dem Bildschirm
erscheinen. Mediensüchtige Politiker, die vom Fernsehen geschnitten
werden, leiden an Phantomschmerzen, so wie eine Hand , bei der ein Finger
amputiert worden ist.



Es gibt eine ganze Reihe stark vom Virus "Mediengeilheit" befallene Persönlichkeiteiten. Sie sind zu allem bereit sind, nur um den Kopf auf dem Bildschirm zeigen zu können.


Beispielsweise war für mich völlig unbegreiflich, dass sich die Medienprofis Katja Stauber und Florian Inhauser in der "Schweizer "Illustrierten" Nr. 49 / 2010 bereit erklärten, eine höchst private Angelegenheit - eine Krankengeschichte mit persönlichen Details - mehrseitig publizieren zu lassen. Auch der Auftritt von Filippo Leutenegger bei Giaccobbo und Müller (am 12. Dezember) war für mich nicht nachvollziehbar. Wenn sich ein erfahrener Nationalrat und Medienprofi dazu hinreissen lässt, vor dem Publikum "O Sole Mio" zu singen, ist dies nicht mutig, sondern höchstens peinlich. Leutenegger wusste ganz genau, worauf er sich einliess. Das Konzept seiner Medienkollegen kannte er bestens und wusste, dass man dort keine ernsthafte Diskussion führen kann, sondern aufs Glatteis geführt wird. Sicherlich hatte sich Medienprofi Leutenegger vor dem Auftritt viel überlegt, beispielsweise: - Ich kann mich bei dieser Unterhaltungssendung beliebt machen. - Medienauftritte sind immer eine Chance. - Die Mutprobe "Ein Lied zu singen" könnte mir politisch nützen und zusätzliche Stimmen bringen. - Mein Bekanntheitsgrad steigt. - Währenddem ich singe, können mich Giaccobbo oder Müller immerhin nicht "in die Pfanne hauen". usw. Leuteneggers nachträgliche Selbstschutzbehauptung spricht für sich: "Ich wollte nur die Lebensfreude ausdrücken. Ich wollte mich nicht anbiedern." Diese Antwort überzeugt mich nicht. Solche Auftritte (z.B. Calmy-Rey, Berlusconi oder Putin, die sich auch als Sänger exponiert hatten) sind grundsätzlich fragwürdig. Ein Politiker sollte sich mit seinem Tun profilieren. All diesen inszenierten Auftritten wirken immer als Anbiederung und werden so empfunden. Diese fragwürdigen Selbstdarstellungen werden erstaunlicherweise erst im mittleren Alter gemacht. Die Erklärung dieses Phänomens überlasse ich jenen Psychologen, die sich mit "Midlife Crisis" auseinandergesetzt haben. Wenn Filippo Leutenegger im privatem Rahmen an einem Party, in einer kleinen Runde oder in der Badewanne "O Solo Mio" singt, ist dies seine Privatsache. Doch auch hier gilt zu bedenken: Wenn der Kreis etwas grösser wird, besteht heute schon die Möglichkeit, jemanden blosszustellen (indem jemand mitfilmt und das dann ins Netz stellt). Also heisst es auf jeden Fall: Aufgepasst! Es sind nicht die Experten, welche zu beurteilen haben, ob so ein Auftritt peinlich ist. Entscheidend ist und bleibt das Urteil des Publikums. Meine Umfragen beim Auftritt Filippo Leuteneggers waren eindeutig. Beim grössten Teil der kontaktierten Zuschauerinnen und Journalisten kam der Politiker schlecht weg: - Leutenegger habe einige Töne falsch intoniert, d.h. es hat oft falsch geklungen. - Gestört hat mitunter die gepresste Stimme. Fazit: Wenn ein Politiker das Unprofessionelle zelebriert, schadet er sich und seinem Ruf. Der Spruch "Schuster bleib bei deinem Leisten" gilt auch für Medienprofis. Es gibt wenige Ausnahmen, aber eben, es sind Ausnahmen. Man muss etwas schon ausserordentlich gut können, damit es dann auch wirklich als gut empfunden wird vom Publikum. Und dann ist entscheidend, wo man seine seine "Fähigkeiten" zeigt. Den Zuschauern ist bei Filippo Leutenegger aufgefallen, dass er immer wieder mit der linken Hand in die Jackentasche gegriffen hat. Dieses sonderbare Verhalten wurde mehrmals vermerkt. Ich habe mir den Auftritt genau angesehen. Tatsächlich greift Leutenegger 17 Mal in seine linke Jackentasche - ohne Grund. Leutenegger müsste wissen: Bei Medienauftritten lenken Marotten ab. Das permanente eigenartige Taschengreifen wirkte so, als suche er ein Präsent, das er am Schluss den Gesprächspartnern als Ueberraschung überreichen möchte. Das war aber nicht der Fall. Aus meiner Sicht war die Griffmarotte ein pures Verlegenheitsverhalten (meist bei heiklen Fragen oder Situationen). Dieses Detail - wie auch das Fingerspiel - machten bewusst, dass es dem Duo Giaccobbo/Müller gelungen war, den ehemaligen Dompteur in der ARENA zu stressen und zu destabilisieren. Erkenntnis: Prominente Persönlichkeiten sind gut beraten, wenn sie ihre Privatsphäre der öffentlichen Neugier vorenthalten. Das Interesse des Publikums Promis in einem ungewöhnlichen Umfeld zu sehen, ist gross und verständlich. Aber das Interesse des Publikums und das eigene Interesse sind 2 paar Schuhe. Auf der anderen Seite muss man sagen: Es gibt halt einfach unverbesserliche Promis, die sich von ihrer Lust am Darstellen zu vielen dummen Sachen hinreissen lassen. Da ist Mitleid nicht nötig. SF-Börsen-Moderatorin Patrizia Laeri ist auch so eine Kandidatin. Sie ist momentan dabei, sich vor lauter Inszenierungen (Fotoshootings in vielen Heften/ständig Aussagen zu ihrer Schönheit/als singender Engel in Happy-Day usw.) einen irreparablen Image-Schaden zu holen. Fazit: Wer den Privatbereich der Klatschpresse preisgibt, hat es zwar am Anfang einfacher. Die Geschichten werden von den Machern geschätzt. Doch langfristig wirkt sich das "mediengeile" Verhalten kontraproduktiv aus. Man kann später nicht mehr zurück. Es sieht so aus, als käme - wieder einmal - aus den USA der Trend zu unseren Politikern, ihre Familie, ihr Privatleben mit dem "Dienst am Volk" zu verbinden. Was zeigen soll, dass sie immer und rastlos auf dem Posten sind. Mit dem Risiko, dass es dann, wenn sie erkennen, dass es ein Fehler war, in der Regel für Besserung zu spät ist. Was können wir daraus lernen? Alle haben es selbst in der Hand, die Trennungslinie zwischen Privatem und der Oeffentlichkeit zu ziehen. Viele Medienopfer sind selbstverschuldet Opfer geworden, weil sie nicht den Mut hatten, NEIN zu sagen. Jeder Mensch kann selbst entscheiden, wie weit zu gehen ist mit dem Offenlegen der Privatsphäre in den Medien. Aus meiner Erfahrung hat sich jedenfalls Zurückhaltung immer bewährt.

Beim Preisgeben privater Informationen ist es, wie beim Auspressen einer Zahnpastatube: Es ist einfach, eine Tube auszudrücken. Doch ist es nachher beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, den ausgepressten Inhalt wieder in die Tube zurückzubringen.



Rhetorik.ch 1998-2011 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com