Wenn Promis Privates preisgeben
Von Marcus Knill*
Es gibt genügend Beispiele von Promis und Politikern, die unter dem
Virus Mediengeilheit leiden und keine deutliche Grenze ziehen zwischen
Privatem und der Oeffentlichkeit.
Die Verlockung ist für sie zu gross, wenn Boulevardmedien das
Privatleben ausleuchten wollen. Vielen fällt es dann schwer, NEIN
zu sagen. Ich habe Sportler und Fernsehjournalisten kennen gelernt, die
sich bei Illustrierten und Magazinen recht unbeliebt gemacht haben, weil
sie zwischen Job und Privatleben einen klaren Trennungsstrich gezogen
haben. Als Berater hatte ich Einblick in Briefe von Redaktionen, die
Verweigerer von Homestorys stark unter Druck gesetzt haben - sogar mit
handfesten Drohungen: "Wenn Sie nicht willig sind, dann.....". Doch jene
Profis, die gelernt hatten, Privates nicht ins Schaufenster zu stellen,
sind dank ihrer Standfestigkeit langfristig sehr gut gefahren. Es lohnt
sich, den Verlockungen der Regenbogenpresse zu widerstehen, auch wenn
Politiker und Prominente auf Publizität angewiesen sind.
Ich kenne die Versuchungen der Medienpräsenz und das Phänomen:
"Nur wenn ich in den Medien komme, bin ich jemand". Kurt Felix
sagte einmal treffend: "Früher wollten die Leute in den Himmel,
heute ins Fernsehen." Kamerateams im Bundeshaus bestätigen mir,
dass es immer wieder Politiker gibt, die sich bewusst vor der Kamera
(hinter den Interviewten) positionieren, nur damit sie auf dem Bildschirm
erscheinen. Mediensüchtige Politiker, die vom Fernsehen geschnitten
werden, leiden an Phantomschmerzen, so wie eine Hand , bei der ein Finger
amputiert worden ist.
Es gibt eine ganze Reihe stark vom Virus "Mediengeilheit" befallene
Persönlichkeiteiten. Sie sind zu allem bereit sind, nur um den
Kopf auf dem Bildschirm zeigen zu können.
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Beispielsweise war für mich völlig unbegreiflich, dass sich
die Medienprofis Katja Stauber und Florian Inhauser in der "Schweizer
"Illustrierten" Nr. 49 / 2010 bereit erklärten, eine höchst
private Angelegenheit - eine Krankengeschichte mit persönlichen
Details - mehrseitig publizieren zu lassen.
Auch der Auftritt von Filippo Leutenegger bei Giaccobbo und Müller
(am 12. Dezember) war für mich nicht nachvollziehbar. Wenn sich
ein erfahrener Nationalrat und Medienprofi dazu hinreissen lässt,
vor dem Publikum "O Sole Mio" zu singen, ist dies nicht mutig, sondern
höchstens peinlich. Leutenegger wusste ganz genau, worauf er sich
einliess. Das Konzept seiner Medienkollegen kannte er bestens und wusste,
dass man dort keine ernsthafte Diskussion führen kann, sondern aufs
Glatteis geführt wird. Sicherlich hatte sich Medienprofi Leutenegger
vor dem Auftritt viel überlegt, beispielsweise:
- Ich kann mich bei dieser Unterhaltungssendung beliebt machen. -
Medienauftritte sind immer eine Chance. - Die Mutprobe "Ein Lied zu
singen" könnte mir politisch nützen und zusätzliche
Stimmen bringen. - Mein Bekanntheitsgrad steigt. - Währenddem
ich singe, können mich Giaccobbo oder Müller immerhin nicht
"in die Pfanne hauen". usw.
Leuteneggers nachträgliche Selbstschutzbehauptung spricht für
sich: "Ich wollte nur die Lebensfreude ausdrücken. Ich wollte mich
nicht anbiedern." Diese Antwort überzeugt mich nicht.
Solche Auftritte (z.B. Calmy-Rey, Berlusconi oder Putin, die sich auch
als Sänger exponiert hatten) sind grundsätzlich fragwürdig.
Ein Politiker sollte sich mit seinem Tun profilieren. All diesen
inszenierten Auftritten wirken immer als Anbiederung und werden so
empfunden.
Diese fragwürdigen Selbstdarstellungen werden erstaunlicherweise
erst im mittleren Alter gemacht. Die Erklärung dieses Phänomens
überlasse ich jenen Psychologen, die sich mit "Midlife Crisis"
auseinandergesetzt haben.
Wenn Filippo Leutenegger im privatem Rahmen an einem Party, in einer
kleinen Runde oder in der Badewanne "O Solo Mio" singt, ist dies
seine Privatsache. Doch auch hier gilt zu bedenken: Wenn der Kreis
etwas grösser wird, besteht heute schon die Möglichkeit,
jemanden blosszustellen (indem jemand mitfilmt und das dann ins Netz
stellt). Also heisst es auf jeden Fall: Aufgepasst!
Es sind nicht die Experten, welche zu beurteilen haben, ob so ein Auftritt
peinlich ist. Entscheidend ist und bleibt das Urteil des Publikums.
Meine Umfragen beim Auftritt Filippo Leuteneggers waren eindeutig. Beim
grössten Teil der kontaktierten Zuschauerinnen und Journalisten
kam der Politiker schlecht weg:
- Leutenegger habe einige Töne falsch intoniert, d.h. es hat oft
falsch geklungen. - Gestört hat mitunter die gepresste Stimme.
Fazit: Wenn ein Politiker das Unprofessionelle zelebriert, schadet
er sich und seinem Ruf.
Der Spruch "Schuster bleib bei deinem Leisten" gilt auch für
Medienprofis. Es gibt wenige Ausnahmen, aber eben, es sind Ausnahmen.
Man muss etwas schon ausserordentlich gut können, damit es dann auch wirklich als
gut empfunden wird vom Publikum. Und dann ist entscheidend, wo man seine
seine "Fähigkeiten" zeigt.
Den Zuschauern ist bei Filippo Leutenegger aufgefallen, dass er immer
wieder mit der linken Hand in die Jackentasche gegriffen hat. Dieses
sonderbare Verhalten wurde mehrmals vermerkt. Ich habe mir den Auftritt
genau angesehen. Tatsächlich greift Leutenegger 17 Mal in seine
linke Jackentasche - ohne Grund. Leutenegger müsste wissen:
Bei Medienauftritten lenken Marotten ab. Das permanente eigenartige
Taschengreifen wirkte so, als suche er ein Präsent, das er am
Schluss den Gesprächspartnern als Ueberraschung überreichen
möchte. Das war aber nicht der Fall. Aus meiner Sicht war die
Griffmarotte ein pures Verlegenheitsverhalten (meist bei heiklen
Fragen oder Situationen). Dieses Detail - wie auch das Fingerspiel -
machten bewusst, dass es dem Duo Giaccobbo/Müller gelungen war,
den ehemaligen Dompteur in der ARENA zu stressen und zu destabilisieren.
Erkenntnis:
Prominente Persönlichkeiten sind gut beraten, wenn sie ihre
Privatsphäre der öffentlichen Neugier vorenthalten. Das
Interesse des Publikums Promis in einem ungewöhnlichen Umfeld zu
sehen, ist gross und verständlich. Aber das Interesse des Publikums
und das eigene Interesse sind 2 paar Schuhe. Auf der anderen Seite muss
man sagen: Es gibt halt einfach unverbesserliche Promis, die sich von
ihrer Lust am Darstellen zu vielen dummen Sachen hinreissen lassen. Da
ist Mitleid nicht nötig. SF-Börsen-Moderatorin Patrizia Laeri
ist auch so eine Kandidatin. Sie ist momentan dabei, sich vor lauter
Inszenierungen (Fotoshootings in vielen Heften/ständig Aussagen
zu ihrer Schönheit/als singender Engel in Happy-Day usw.) einen
irreparablen Image-Schaden zu holen.
Fazit:
Wer den Privatbereich der Klatschpresse preisgibt, hat es zwar
am Anfang einfacher. Die Geschichten werden von den Machern geschätzt.
Doch langfristig wirkt sich das "mediengeile" Verhalten kontraproduktiv aus.
Man kann später nicht mehr zurück.
Es sieht so aus, als käme - wieder einmal - aus den USA der Trend
zu unseren Politikern, ihre Familie, ihr Privatleben mit dem "Dienst am
Volk" zu verbinden. Was zeigen soll, dass sie immer und rastlos auf dem
Posten sind. Mit dem Risiko, dass es dann, wenn sie erkennen, dass es
ein Fehler war, in der Regel für Besserung zu spät ist.
Was können wir daraus lernen?
Alle haben es selbst in der Hand, die Trennungslinie zwischen Privatem
und der Oeffentlichkeit zu ziehen. Viele Medienopfer sind selbstverschuldet
Opfer geworden, weil sie nicht den Mut hatten, NEIN zu sagen.
Jeder Mensch kann selbst entscheiden, wie weit zu gehen ist mit dem
Offenlegen der Privatsphäre in den Medien. Aus meiner Erfahrung hat
sich jedenfalls Zurückhaltung immer bewährt.
Beim Preisgeben privater Informationen ist es, wie beim Auspressen einer
Zahnpastatube: Es ist einfach, eine Tube auszudrücken.
Doch ist es nachher beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, den
ausgepressten Inhalt wieder in die Tube zurückzubringen.
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