NZZ am Sonntag: Herr Forneck, der Lehrerberuf ist ein praxisorientierter
Beruf. Weshalb braucht es dafür ein Hochschulstudium?
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Hermann Forneck: Würde man Ihrer Argumentation folgen, dann
wäre auch für Ärzte, Juristen und Ingenieure kein
Universitätsstudium nötig. Die heutige Lehrerbildung verbindet
den praktischen Bezug zur Schule mit wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Das geschieht an den pädagogischen Hochschulen. Wir bilden nicht
nur aus, sondern betreiben auch Forschung und Entwicklung.
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Forschung betreiben auch Pädagogikwissenschafter an den Universitäten.
Weshalb muss eine Ausbildungsstätte für Lehrkräfte Forschung betreiben?
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Weil die Lehrerbildung und die Pädagogischen
Hochschulen sonst international den Anschluss verlieren. Wollen wir nicht
von der Diskussion und Wissensproduktion abgeschnitten werden, müssen
wir uns als berufsfeldrelevante Lehr- und Forschungseinrichtungen
profilieren. Wir sind nicht nur eine Ausbildungsstätte, sondern
auch eine Innovationsagentur.
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Ist es nicht Kernaufgabe der PH, gute
Berufsleute auszubilden, statt an der internationalen Wissensproduktion
mitzuwirken?
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Natürlich ist die Ausbildung unsere Kernaufgabe,
aber wenn wir uns nicht an der internationalen Forschung beteiligen,
haben wir ein Problem.
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Welches Problem?
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Es wird erforscht, was in den Schulen wirksam ist.
Wenn wir daran mitwirken, haben wir auch Zugang zu diesen Daten.
Wenn nicht, sehen wir nur einen kleinen Teil
der Resultate. Wir würden es ohne diesen Zugang schwer haben, eine
eigene Hochschulkultur auszuprägen. Zu einer solchen Hochschulkultur
gehört übrigens auch, dass wir Forschungsnachwuchs fördern
können. Dafür sollte man auch an der PH doktorieren können.
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Die meisten jungen Lehrer von heute wollen nicht doktorieren, sondern
lernen, wie man sich gegen schwierige Schüler und Eltern durchsetzen
kann. Sie kritisieren, die Ausbildung sei zu wenig nahe am Schulalltag.
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Den Vorwurf, die Lehrerbildung sei zu theoretisch, gibt es, seit Lehrer
ausgebildet werden. Wir haben sehr gute Rückmeldungen zu unserer
berufspraktischen Ausbildung erhalten. Aber wie man sich zum Beispiel
in Konflikten im Schulalltag verhalten soll, kann man im Studium zwar
behandeln, aber nicht wirklich vorwegnehmen. Jeder Fall liegt anders.
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Warum wehren Sie sich gegen einen vereinfachten Ausbildungsweg
für Quereinsteiger?
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Diese Wege schwächen das System der
schweizerisch anerkannten Studiengänge. Mit diesem System kann
ein Hochschulraum entstehen, in dem pädagogische Hochschulen
eine Entwicklungsperspektive haben. Wir bieten an unserer PH keine
vereinfachten Studiengänge mit einem kantonalen Lehrerdiplom an,
sondern nur solche, die von der EDK anerkannt sind.
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