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www.rhetorik.ch aktuell: (07. Nov, 2010)

Praxisferne LehrerAusbildung?

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
In der NZZ am Sonntag vom 7. November, 2010 beanstanden Junglehrer die praxisferne Ausbildung an den Pädagogischen Hochschule. Dies stimmt mit meinen Erfahrungen aus meiner Tätigkeit bei zahlreichen Lehrerweiterbildungskursen überein. Die Lehrerinnen und Lehrer an den Hochschulen erhalten zwar einen fundierten Überblick über die Kommunikationstheorien, es fehlt ihnen aber meist das Rüstzeug, Kritikgespräche und schwierige Elterngespräche zu führen. Sie müssen dies später in teuren Weiterbildungsmodulen erarbeiten. Kommunikationsberater könnten zwar froh sein, dass sie hier ein braches Land beackern können. Dass sich Hochschulen auch als Forschungseinrichtung profilieren müssen, ist heute notwendig. Es kann jedoch nachgewiesen werden, dass Millionen vor allem in die Forschung umgeschichtet wird.

Der Rektor der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz, Hermann Forneck, behauptet:
"Aber wie man sich zum Beispiel in Konflikten im Schulalltag verhalten soll, kann man im Studium zwar behandeln, aber nicht wirklich vorwegnehmen. Jeder Fall liegt anders."
Dieser Aussage kann man entgegnen, dass die Pädagogische Hochschule den angehenden Lehrkräften jene Module und Werkzeuge mitgeben sollte, die sie im Schulalltag benötigen, damit sie in der Praxis den Mut nicht verlieren. In prozessorientierten Übungen könnten die wichtigsten praktische Situationen simuliert werden. Piloten werden auch im Simulator auf den echten Flug vorbereitet.

Es ist erstaunlich, dass Lehrer oder Theologen, die mit Jugendlichen zu tun haben, während des ganzen Studiums keine alltagstauglichen Übungen zum Umgang mit schwierigen Situation machen müssen.

Junglehrer können oft in der Praxis mit den abstrakten Kommunikationstheorien, die sich in den Vorlesungen konsumiert hatten, wenig anfangen d.h. Sie sind überfordert, wenn es darum geht, die Theorie umzusetzen. Obschon sie vom ersten Tag an im Schulzimmer mit Konflikten konfrontiert werden. Fragen der Disziplin, der Umgang mit Störungen wurden schon vor Jahren mitunter ausgeklammert, weil nicht sein darf, was nicht sein soll. Den Pädagogen wurde vermittelt: Jedes Kind will von sich aus lernen. Tauchten dennoch Konflikte auf, fühlte sich die Lehrerin schuldig.

Forschung an den Hochschulen ist wichtig, doch müssten an der Pädagogischen Hochschule ads Kerngeschäft, die Ausbildung zum Erzieher und Ausbilder Priorität haben. Die Lehrerbildung muss in erster Linie eine Ausbildungsstätte für die Praxis werden. Die Ausbildung hat sich nicht nach der Theorie zu richten, sondern die Theorie hat sich der Praxis anzulehnen. Die Erkenntnisse sollten aus den praktischen Erkenntnissen abgeleitet werden.
Aus dem Interview von Michael Furgler mit Hermann Forneck:
NZZ am Sonntag: Herr Forneck, der Lehrerberuf ist ein praxisorientierter Beruf. Weshalb braucht es dafür ein Hochschulstudium? Hermann Forneck: Würde man Ihrer Argumentation folgen, dann wäre auch für Ärzte, Juristen und Ingenieure kein Universitätsstudium nötig. Die heutige Lehrerbildung verbindet den praktischen Bezug zur Schule mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das geschieht an den pädagogischen Hochschulen. Wir bilden nicht nur aus, sondern betreiben auch Forschung und Entwicklung.
Forschung betreiben auch Pädagogikwissenschafter an den Universitäten. Weshalb muss eine Ausbildungsstätte für Lehrkräfte Forschung betreiben? Weil die Lehrerbildung und die Pädagogischen Hochschulen sonst international den Anschluss verlieren. Wollen wir nicht von der Diskussion und Wissensproduktion abgeschnitten werden, müssen wir uns als berufsfeldrelevante Lehr- und Forschungseinrichtungen profilieren. Wir sind nicht nur eine Ausbildungsstätte, sondern auch eine Innovationsagentur.
Ist es nicht Kernaufgabe der PH, gute Berufsleute auszubilden, statt an der internationalen Wissensproduktion mitzuwirken? Natürlich ist die Ausbildung unsere Kernaufgabe, aber wenn wir uns nicht an der internationalen Forschung beteiligen, haben wir ein Problem.
Welches Problem? Es wird erforscht, was in den Schulen wirksam ist. Wenn wir daran mitwirken, haben wir auch Zugang zu diesen Daten. Wenn nicht, sehen wir nur einen kleinen Teil der Resultate. Wir würden es ohne diesen Zugang schwer haben, eine eigene Hochschulkultur auszuprägen. Zu einer solchen Hochschulkultur gehört übrigens auch, dass wir Forschungsnachwuchs fördern können. Dafür sollte man auch an der PH doktorieren können.
Die meisten jungen Lehrer von heute wollen nicht doktorieren, sondern lernen, wie man sich gegen schwierige Schüler und Eltern durchsetzen kann. Sie kritisieren, die Ausbildung sei zu wenig nahe am Schulalltag. Den Vorwurf, die Lehrerbildung sei zu theoretisch, gibt es, seit Lehrer ausgebildet werden. Wir haben sehr gute Rückmeldungen zu unserer berufspraktischen Ausbildung erhalten. Aber wie man sich zum Beispiel in Konflikten im Schulalltag verhalten soll, kann man im Studium zwar behandeln, aber nicht wirklich vorwegnehmen. Jeder Fall liegt anders.
Warum wehren Sie sich gegen einen vereinfachten Ausbildungsweg für Quereinsteiger? Diese Wege schwächen das System der schweizerisch anerkannten Studiengänge. Mit diesem System kann ein Hochschulraum entstehen, in dem pädagogische Hochschulen eine Entwicklungsperspektive haben. Wir bieten an unserer PH keine vereinfachten Studiengänge mit einem kantonalen Lehrerdiplom an, sondern nur solche, die von der EDK anerkannt sind.

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