Es ist ein unfreiwilliges Psychologie Experiment, das 33 Grubenarbeiter in
Chile über sich ergehen lassen müsen. Sie sind seit fast einem Monat
eingeschlossen und werden vorausssichtlich noch bis zum Ende des Jahres 700 Meter unter
Grund leben müssen, bis sich eine Bohrmaschine zu ihnen durchgegraben hat.
Ganz wichtig ist die Information. Was soll den Eingeschlossenen mitgeteilt werden?
Soll man die Information filtern?
Im Expertenteam der Rettungskräfte sind auch Spezialisten von der NASA. Wie
kann man in einer solchen Situation (ähnlich wie in einer Weltraumstation)
Depressionen, Schlaflosigkeit oder gar Panik vermeiden?
Der Marburger Psychotherapeut Georg Pieper im
Deutschlandfunk
vom 28. August:
Frage: Sollten denn die Einsatzkräfte, die Rettungsleute den Bergleuten
mitteilen, dass ihre Rettung tatsächlich möglicherweise noch
Monate, bis Weihnachten dauern wird?
Pieper: Das ist eine nicht so ganz einfache Frage. Aber ich denke schon.
Ich denke, es wäre besser, da mit offenen Karten zu spielen, dass
sie sich darauf einstellen können. Man sollte vielleicht jetzt
nicht gerade von Weihnachten erst sprechen, weil das sowieso so emotional
besetzt ist, dieses Fest, sondern schon von Wochen. Dann können sie
sich mehr darauf einstellen. Denn nach meiner Erfahrung, zum Beispiel auch
mit Gefangenen, die in Geiselhaft waren - ich habe mal einen Mann betreut,
der war drei Jahre im Libanon in Dunkelhaft, also unter ganz schrecklichen
Bedingungen, und was ihn am meisten belastet hat, war, natürlich
die Ungewissheit, nicht zu wissen, wann hat das Ganze hier ein Ende. Von
daher denke ich, die Bergleute dort in Chile können besser damit`
umgehen, wenn sie wissen, das wird noch mindestens mal vier Wochen dauern.
Frage: Sie sagen es: dieses unter Tage, das ist ja so eine Art
Dunkelhaft, wochen- und monatelang eingeschlossen auf engstem Raum,
ohne Sonnenlicht. Wie verändert dies denn die Psyche eines Menschen?
Pieper: Man ist natürlich erst mal sehr abgeschirmt von Aussenreizen,
von Reizen, von denen wir normalerweise alle leben. Wir bekommen alle viel
zu viele von diesen Aussenreizen mit, im täglichen Leben und durch
die Medien und durch Nachbarn und Freunde und die Arbeitssituation. Davon
sind sie abgeschirmt. Das heisst, sie sind extrem eingeschränkt an
Reizen und in dem Mass wachsen dann natürlich innere Gedanken, die
sowohl in das Negative reingehen können, also in Richtung Sorgen,
Anspannung, Ängste, Phobien, als aber auch in positive Dinge. Das
wäre zum Beispiel so etwas, was man auch stützen könnte
durch eine psychologische Begleitung - die Gefangenen, die da drei Jahre
lang in Dunkelhaft waren, die haben zum Beispiel sehr viel mit ihrer
Fantasie angestellt. Da kann man sehr positive Dinge mit anstellen. Die
haben sich da hingestellt und haben gekocht zum Beispiel, haben ihre
Lieblingsrezepte gekocht und ausgetauscht und davon geschwärmt,
wie lecker das ist, wenn man da noch eine Priese Safran dazutut und so
weiter. Das sind Dinge, die gefördert werden müssen und wo
die Psyche über erstaunliche Mechanismen verfügt.
|
Die Inhalte werden kontrolliert
(20 Min):
Tatsächlich ist es eine bewusste Strategie der chilenischen
Regierung, den Männern die schlechten Nachrichten von oben
zu ersparen. Die Psychologen helfen den Familien die Briefe zu
gestalten. Schlechte Nachrichten werden nicht zugelassen; wenn
Zeitungsartikel mitgeschickt werden, dann wird alles herausgeschnitten,
was "aufwühlend oder verstörend" wirken könnte.
Die chilenischen Psychologen haben auch Einfluss auf das Bildmaterial,
das unter die Erde geschickt wird. Die Filme, die die Männer
über einen kleinen Projektor seit einigen Tagen sehen dürfen,
werden sorgfältig ausgewählt.
|
Aber nicht alle sind mit solcher Zensur einverstanden:
(20 Min):
Für Nick Kanas ist das der falsche Ansatz. Als Experte im Bereich
Psychologie im All hat er über zehn Jahre Erfahrung im Umgang mit
Astronauten, die über längere Zeit im All isoliert sind. Kanas
warnt die chilenischen Behörden davor, den Eingeschlossenen
Informationen vorzuenthalten. "Ich würde nichts zensieren. Wenn
man damit anfängt, sät man bald Misstrauen. Die Bergleute
werden sich dann fragen: 'Was verbergen sie sonst noch vor mir?'",
erklärt er.
|
|
|