Nachtrag vom 1. August, 2010
Sontagsblick | Marcus Knill |
Für den Fall, dass der Prozess gegen Kachelmann mit einem Freispruch
endet, sehen Sie ihn jemals wieder in seiner alten Rolle als "Wetterfrosch"
auf dem Schirm?
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Selbst dann, wenn sich alle Anschuldigungen in Luft auflösen
würden, werden die Fernsehverantwortlichen vorsichtig sein, den
Wetterfrosch in der früheren Rolle agieren zu lassen. Es gilt bei ihm
zu berücksichtigen, dass er schon früher genügend Stoff
für Mediengeschichten geliefert hatte. Er wollte stets mit seinem
Anwaltsbüro Aussagen aus dem Netz löschen. Seine Anwälte
haben jedoch die Sache für ihren Mandanten
nur verschlimmert. Man nennt das den
Streusandeffekt. Gleichzeitig ist mir aber bekannt, dass Kachelmann,
auch nicht gerade sanft im Austeilen war und schnell mit Anwälten
zur Stelle war, sobald er seinen eigenen Ruf gefährdet sah. So
versuchte er vor Jahren mit massivem Druck eine Geschichte zu verhindern,
wonach er Vater geworden sei. In der Bevölkerung wurde dann durch die
Intervention der Juristen die Geschichte nochmals aktualisiert, Die Leser
fragten sich erst recht: Was hat Kachelmann tatsächlich gesagt?
Die Öffentlichkeit urteilt bekanntlich nach dem Prinzip: "Wo Rauch
ist, da ist auch Feuer". Auch Kachelmanns öffentliche Aeusserung,
er habe auf der Autobahn mit 120 km Sex gemacht, wurde in verschiedenen
Medien publiziert. Kachelmanns Anwälte wollten dann erst nach
Monaten, dass diese Beiträge aus dem Netz gelöscht werden.
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Kann er sich jemals wieder voll rehabilitieren?
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Er könnte sich rehabilitieren - aber nach meinem Dafürhalten
nicht mehr vollständig. Kachelmann wäre nicht der erste
Freigesprochene, der trotz des Urteils weiterhin darunter leiden muss
und auf das Moderieren verzichten muss.
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Es würden Sie ihm raten, um sein "Schmuddel-Image" in der
Öffentlichkeit wieder loszuwerden?
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Den ersten Schritt hat er bereits äusserlich getan. Sauber
gekleidet, rasiert, gewaschene Haare. Dennoch wird Kachelmann seinen
Ruf als zwielichtige Figur nicht so schnell los. So wie man verlorenes
Vertrauen nur mit grösstem Aufwand zurückgewinnen kann,
so bleiben alle colportierten dubiosen Sexpraktiken und Geschichten
im Langzeitgedächtnis der Bevölkerung haften. Negatives,
Emotionen, Bilder wirken leider nachhaltiger als eine nüchterne
Urteilsverkündung.
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Sein bisheriges Leben war von Lug und Trug gekennzeichnet. Was Kann
Kachelmann tun, um seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen?
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Falls tatsächlich Lug und Trug im Spiel war, könnte sich
Kachelmann nur noch mit einem "Mea culpa" retten. So ein Befreiungschlag
gelang beispielsweise Moderator Michel Friedman im Jahre 2003. Der
gefürchtete Interviewer hatte die Grösse, zu seinen Fehlern
(Drogen, Frauengeschichten) zu stehen. Er bat die Öffentlichkeit, ihm
eine zweite Chance zu geben. Von einem Rücktritt als Talkmaster
sprach er damals nicht. Er sagte nur: "Ich bitte Sie, nicht zu
vergessen, dass dies nicht mein ganzes Leben war, dass dies nicht
der ganze Friedman ist. Ich bitte Sie um eine zweite Chance!" Der
inszenierte Auftritt war einmalig. Friedman punktete dank seinem
eindeutigen Schuldeingeständnis. Nichts wurde beschönigt.
Begründungen und Ausreden fehlten. Wer die Schuld auf sich nimmt,
reduziert bekanntlich den Druck. In vielen Fällen lohnt sich der
"Gang nach Canossa": "Klipp und klar - ohne Wenn und Aber: Ich habe
einen Fehler gemacht, ich akzeptiere meine Strafe."
Vier Monate nach seiner Kokain-Beichte war Michel Friedman wieder auf
dem Bildschirm zurück. Sein "Mea culpa" zahlte sich aus.
Ein Befreiungsschlag in den Medien ist nur möglich, wenn alles offen
auf den Tisch gelegt wird. Wer lügt, beschönigt oder verdeckt,
macht die Rechnung ohne die Medien. Die Glaubwürdigkeit geht
verloren, wenn dann aber nach und nach weitere "Sünden" enthüllt
werden, wie beispielsweise bei den Teilgeständnisse des Fussballers
Kresimir Stanic. Diese waren nicht viel wert. Der Schuldige gab nur
scheibchenweise Fehler zu, nachdem er mit seinem Auto eine Horror Crash
gebaut hatte. Er führ mit 140 km in einer 60 km Zone.
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Würden Sie ihm raten, nach dem - hypothetischen Freispruch
- öffentlich reinen Tisch bezüglich seines Privat- und
Liebeslebens zu machen?
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Ja - sein Rechtsanwalt wird aber aus verständlichen Gründen
meinen Rat nicht teilen.
Was beim Fall Kachelmann auch erwähnt werden muss: Die Pressearbeit
der Staatsanwaltschaft und gewisse Medien kann Kachelmann nicht nur bei
einem Freispruch für die mediale Hetzjagd verantwortlich machen,
zumal laufend neue ungeklärte Details aus seinem Intimleben an
die Öffentlichkeit preisgegeben worden sind. Sein Privatleben
ist in einer Weise offen gelegt worden, wie es selten der Fall ist.
Kachelmann kann so oder so Schadenersatzforderungen stellen. Dennoch
ist der Rufschaden nicht mehr völlig rückgängig zu machen.
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