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www.rhetorik.ch aktuell: (29. Jul, 2010)

Wende im Fall Kachelmann?

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Aus dem Blick

Heute um 13:34 trat Jörg Kachelmann ins Freie. Er lächelte frisch rasiert in die Kameras. Liess seinen Anwalt reden und schwieg selber.

Als er die schwere Gefängnistür zur Freiheit aufstiess, wurde aber auch klar, dass Kachelmann der Abschied nicht nur leicht fiel. So umarmte der Schweizer einen uniformierten Mitarbeiter des Gefängnis herzlich, drückte diesen zwei, drei Sekunfgen lang innig an sich. Offenbar hatte Kachelmann im Mannheimer Knast neue Freunde gefunden.

Denn er brauchte rund zweieinhalb Stunden, bevor er sich von allen im Mannheimer Gefängnis verabschiedete, packte, duschte und rasierte. 132 Tage lang hatte sich der Wettermoderator den strikten Gefängnisregeln beugen müssen. Um sechs Uhr aufstehen. Einen Rundgang im Hof. Dann als Essensausgeber arbeiten. Ein Job, der ihm den Knastalltag etwas verkürzte.


Nachtrag vom 30. Juli, 2010:

SN ThurgauerZeitung und Landbote, vom 30. Juli, 2010


Ist Kachelmanns Ruf auch bei Freispruch beschädigt?

Kommunikationsexperte Marcus Knill attestiert Kachelmann ebenfalls Intelligenz. Dessen bisheriges Verhalten bezeichnet er als professionell und "raffiniert": "Er ist ein Medienprofi, der weiss, wie er mit ihnen umgehen muss."

Mit dem weissen Shirt, dem sauber rasierten Gesicht und dem gelassenen Auftreten wirkte er gestern zurückhaltend lächelnd wie ein Sieger. Doch Knill glaubt nicht, dass dies ausreichen wird.

"Geschäftlich dürfte es auch bei einem späteren Freispruch schwierig werden." So seien etwa die detaillierten Frauengeschichten so oft in den Medien ausgebreitet worden, dass sie sich als Bilder in den Köpfen festgesetzt hätten. Bilder beeinflussen und bleiben haften. Frei heisst in diesem Fall noch nicht freigesprochen. Vom Rufschaden bleibt so oder so einiges hängen.

Medienmann Kachelmann geniesst eine aussergewöhlich hohe Medienpräsenz - so wie es sich ein Politiker nur im Traum vorstellen kann. Die Freilassung ist ein weiterer Baustein zu einer Mediengeschichte, die alles in sich hat für die Boulevardmedien. Einen beliebten verurteilten Promi - Sexgeschichten - Emotionen - Aussergewöhnliches - Überraschendes - Kriminelles usw.

PR Berater Klaus Stöhlker, der dem agilen Wettermann viel zutraut, senkt den Daumen noch nicht. Sollte er freigesprochen werden, könne ihm ein Neustart gelingen. "Er hat das Kaliber dazu." Stöhlker vergleicht ihn mit Medienpionier Roger Schawinski. "Die beiden kann man ohne Wasser in die Wüste stellen, und sie blühen auch dort auf."



Der Blick vom 30. Juli, 2010 hat eine Liste der Unwahrheiten von Petra:
  • Petra behauptete, sie sei nie in Kontakt mit einer anderen Freundin von Kachelmann gewesen. Wahr ist ... Petra hatte unter falschem Namen auf Facebook mit einer Nebenbuhlerin Kontakt aufgenommen.
  • Petra behauptete, sie habe kurz vor dem Abend der angeblichen Tat Flugtickets, die auf Kachelmann und eine andere Frau ausgestellt waren, gefunden. Wahr ist ... Petra bewahrte die Tickets seit einem Jahr bei sich auf.
  • Petra erklärte, den Flugtickets sei ein Schreiben mit den Worten "Er schläft mit ihr" beigelegen. Wahr ist ... Petra hatte selber die Zeilen "Er schläft mit ihr" geschrieben und zu den Tickets gelegt.


Der Spiegel:

Deutliche Kritik am Verhalten der Mannheimer Justiz äusserten Strafverteidiger und Medienrechtler. Der Berliner Presserechtsanwalt Christian Schertz hält Schadensersatzansprüche des Moderators für möglich. "Ich gehe davon aus, dass die sehr frühe Information der Öffentlichkeit über die Inhaftierung die Persönlichkeitsrechte Kachelmanns verletzt hat", sagte Schertz. "Sollte Kachelmann im Hauptverfahren freigesprochen werden, stehen Amtshaftungsansprüche im Raum. Die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft war Auslöser für die mediale Hetzjagd auf Kachelmann, bei der immer neue Details aus seinem Intimleben an die Öffentlichkeit kamen." Das Privatleben des Wettermoderators sei in einer Weise an die Öffentlichkeit gezerrt worden, wie es bei weniger prominenten Verdächtigen nie der Fall gewesen wäre, kritisierte der Präsident des Verbandes deutscher Strafrechtsanwälte, Jürgen Möthrath. "Es ist wahrscheinlich ein bisschen schön, wenn man einen Prominenten vorführen kann", sagte Möthrath. "Jeder, der in der Öffentlichkeit steht, der Erfolg hat, wird schnell mit Namen genannt und nicht nur mit dem Kürzel", kritisierte der Strafverteidiger. Unter der Hand würden Informationen an die Presse weitergeben.


Nachtrag vom 1. August, 2010



Sontagsblick Marcus Knill
Für den Fall, dass der Prozess gegen Kachelmann mit einem Freispruch endet, sehen Sie ihn jemals wieder in seiner alten Rolle als "Wetterfrosch" auf dem Schirm? Selbst dann, wenn sich alle Anschuldigungen in Luft auflösen würden, werden die Fernsehverantwortlichen vorsichtig sein, den Wetterfrosch in der früheren Rolle agieren zu lassen. Es gilt bei ihm zu berücksichtigen, dass er schon früher genügend Stoff für Mediengeschichten geliefert hatte. Er wollte stets mit seinem Anwaltsbüro Aussagen aus dem Netz löschen. Seine Anwälte haben jedoch die Sache für ihren Mandanten nur verschlimmert. Man nennt das den Streusandeffekt. Gleichzeitig ist mir aber bekannt, dass Kachelmann, auch nicht gerade sanft im Austeilen war und schnell mit Anwälten zur Stelle war, sobald er seinen eigenen Ruf gefährdet sah. So versuchte er vor Jahren mit massivem Druck eine Geschichte zu verhindern, wonach er Vater geworden sei. In der Bevölkerung wurde dann durch die Intervention der Juristen die Geschichte nochmals aktualisiert, Die Leser fragten sich erst recht: Was hat Kachelmann tatsächlich gesagt? Die Öffentlichkeit urteilt bekanntlich nach dem Prinzip: "Wo Rauch ist, da ist auch Feuer". Auch Kachelmanns öffentliche Aeusserung, er habe auf der Autobahn mit 120 km Sex gemacht, wurde in verschiedenen Medien publiziert. Kachelmanns Anwälte wollten dann erst nach Monaten, dass diese Beiträge aus dem Netz gelöscht werden.
Kann er sich jemals wieder voll rehabilitieren? Er könnte sich rehabilitieren - aber nach meinem Dafürhalten nicht mehr vollständig. Kachelmann wäre nicht der erste Freigesprochene, der trotz des Urteils weiterhin darunter leiden muss und auf das Moderieren verzichten muss.
Es würden Sie ihm raten, um sein "Schmuddel-Image" in der Öffentlichkeit wieder loszuwerden? Den ersten Schritt hat er bereits äusserlich getan. Sauber gekleidet, rasiert, gewaschene Haare. Dennoch wird Kachelmann seinen Ruf als zwielichtige Figur nicht so schnell los. So wie man verlorenes Vertrauen nur mit grösstem Aufwand zurückgewinnen kann, so bleiben alle colportierten dubiosen Sexpraktiken und Geschichten im Langzeitgedächtnis der Bevölkerung haften. Negatives, Emotionen, Bilder wirken leider nachhaltiger als eine nüchterne Urteilsverkündung.
Sein bisheriges Leben war von Lug und Trug gekennzeichnet. Was Kann Kachelmann tun, um seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen? Falls tatsächlich Lug und Trug im Spiel war, könnte sich Kachelmann nur noch mit einem "Mea culpa" retten. So ein Befreiungschlag gelang beispielsweise Moderator Michel Friedman im Jahre 2003. Der gefürchtete Interviewer hatte die Grösse, zu seinen Fehlern (Drogen, Frauengeschichten) zu stehen. Er bat die Öffentlichkeit, ihm eine zweite Chance zu geben. Von einem Rücktritt als Talkmaster sprach er damals nicht. Er sagte nur: "Ich bitte Sie, nicht zu vergessen, dass dies nicht mein ganzes Leben war, dass dies nicht der ganze Friedman ist. Ich bitte Sie um eine zweite Chance!" Der inszenierte Auftritt war einmalig. Friedman punktete dank seinem eindeutigen Schuldeingeständnis. Nichts wurde beschönigt. Begründungen und Ausreden fehlten. Wer die Schuld auf sich nimmt, reduziert bekanntlich den Druck. In vielen Fällen lohnt sich der "Gang nach Canossa": "Klipp und klar - ohne Wenn und Aber: Ich habe einen Fehler gemacht, ich akzeptiere meine Strafe." Vier Monate nach seiner Kokain-Beichte war Michel Friedman wieder auf dem Bildschirm zurück. Sein "Mea culpa" zahlte sich aus.

Ein Befreiungsschlag in den Medien ist nur möglich, wenn alles offen auf den Tisch gelegt wird. Wer lügt, beschönigt oder verdeckt, macht die Rechnung ohne die Medien. Die Glaubwürdigkeit geht verloren, wenn dann aber nach und nach weitere "Sünden" enthüllt werden, wie beispielsweise bei den Teilgeständnisse des Fussballers Kresimir Stanic. Diese waren nicht viel wert. Der Schuldige gab nur scheibchenweise Fehler zu, nachdem er mit seinem Auto eine Horror Crash gebaut hatte. Er führ mit 140 km in einer 60 km Zone.
Würden Sie ihm raten, nach dem - hypothetischen Freispruch - öffentlich reinen Tisch bezüglich seines Privat- und Liebeslebens zu machen? Ja - sein Rechtsanwalt wird aber aus verständlichen Gründen meinen Rat nicht teilen. Was beim Fall Kachelmann auch erwähnt werden muss: Die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft und gewisse Medien kann Kachelmann nicht nur bei einem Freispruch für die mediale Hetzjagd verantwortlich machen, zumal laufend neue ungeklärte Details aus seinem Intimleben an die Öffentlichkeit preisgegeben worden sind. Sein Privatleben ist in einer Weise offen gelegt worden, wie es selten der Fall ist. Kachelmann kann so oder so Schadenersatzforderungen stellen. Dennoch ist der Rufschaden nicht mehr völlig rückgängig zu machen.


Quelle: Stern
Nachtrag vom 1. August, 2010: Überzeugte Kachelmann im letzten Interview?

Wie wirkte Jürg Kachelmann's Interview 24 Stunden nach der Haftentlassung? Jörg Kachelmann trat wie erwartet als erfahrener Medienprofi auf, der genau weiss, wie man sich vor Mikrofon und Kamera zu verhalten hat. Seine Auftritte waren stets säuberlich vorbereitet und inszeniert. Schon Auftritte vor dem Gefängnis zeigten dies. Beim besagten Interview gab er sich selbstsicher und offen. Er trat leicht lächelnd auf. Die Körpersprache, die Aufmachung wie auch die Kernbotschaft unterstrichen dass er unschuldig sein müsste. Das Wort unschuldig hat er bewusst wiederholt. Auch die Aussage "Es war ein Albtraum!" wurde gezielt platziert. Der Auftritt wirkte etwas zu inszeniert und kontrolliert. Obschon sich Kachelmann offen, locker und entspannt gegeben hat, spürte man, dass sich der Profi bewusst in Szene gesetzt hat. Kachelmann bestimmte als Medienprofi die Fragen und die Antworten. Eine nonverbale Kleinigkeit viel auf: Es war sein Blickkontakt. Immer wenn er sagte: Ich bin unschuldig, schaute Jörg Kachelmann weg. Er schwächte dadurch diese wichtige Aussage ab. Die Unschuldsbezeugung überzeugte somit nicht ganz. Ein eindeutiger sicherer Blick hätte die Aussage glaubwürdiger gemacht. Eine Umfrage im deutschen Fernsehen bestätigte, dass ein Teil der Zuschauer noch nicht von seiner Unschuld überzeugt ist.

Quelle:




Nachtrag vom 2. August, 2010:

Im Fall Kachelmann fehlte die Distanz von verschiedensten Seiten:
  • Die Anwälte, die Einsicht in die Akten hatten koportierten Details vor der offiziellen Gerichtsverhandlung.
  • Die Medien publizierten Vermutungen und halfen so, dass der Angeklagte vorverurteilt wurde.
  • Kachelmann ging vorschnell in die Offensive, um die Gerichtsbarkeit zu beeinflussen. Er präsentierte sich schon vor der Abklärung bereits als Medienopfer und Unschuldiger präsentierte. Kachelmann ist noch nicht frei gesprochen. Die Oeffentlichkeit kennt die Details noch nicht. Erst das Urteil wird Klarheit verschaffen.
Das Haftentlastungsgesuch hat nichts mit dem kommenden Gerichtsurteil zu tun. Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet jede Klage ernst zu nehmen. Sie durfte Kachelmann nicht grundlos in Untersuchungshaft behalten. Der Fall wird nun von einer anderen Instanz beurteilt. Die Vorwürfe werden eingehend geprüft.



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