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www.rhetorik.ch aktuell: (03. Jul, 2010)

Wulffs Antrittsrede

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Ähnlich wie bei Obama gab es bei der Vereidigung vom neuen Deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff einen Aussetzer. Doch bei der seiner rund 20-minütigen Rede gewann er die Zuhörer. Er zeigt sich demütig. Erstaunlich: zu Beginn seiner Antrittsrede dankte er seinem Konkurrenten Joachim Gauck und Luc Jochimsen für den "fairen Wettstreit". Daran hätten beide einen grossen Anteil. "Ich bin dankbar dafür, nun in diesem Amt dienen zu dürfen." Demut bei Reden ist immer eine Zier. Hauptziel seiner Amtszeit sieht Wulff im Brücken bauen und Versöhnen. "Mir ist es wichtig, Verbindungen zu schaffen: zwischen Jung und Alt, zwischen Menschen aus Ost und West, Einheimischen und Zugewanderten, Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Arbeitslosen, Menschen mit und ohne Behinderung", sagte Wulff. Das Verbindende war Wulffs Dachbotschaft. Ferner setzte er in seiner Rede den Menschen in den Mittelpunkt. "Wann wird es bei uns endlich selbstverständlich sein, dass unabhängig von Herkunft und Wohlstand alle gleich gute Bildungschancen bekommen? Wann wird es selbstverständlich sein, dass alle Kinder, die hier gross werden, die deutsche Sprache beherrschen?"


Es sollte nicht nach dem Trennenden, sondern nach dem verbinden gefragt werden, forderte Wulff. "Dann wird Neues, Gutes entstehen - aus urdeutscher Disziplin und türkischem Dribbling zum Beispiel, aus preussischem Pflichtgefühl und angelsächsischer Nonchalance, aus schwäbischer Gründlichkeit und italienischer Lebensart." Der neue Bundespräsident ging in seiner Rede auch auf das Parteiensystem in Deutschland ein. Die Parteien seien "viel besser als ihr Ruf", fand er. Er wolle die Menschen wieder dafür begeistern, sich stärker für die Politik einzusetzen und sich an der politischen Willensbildung zu beteiligen.

Anderseits müssten die Parteien mehr tun gegen Politikverdrossenheit: "Auch die Bürgerinnen und Bürger, die nicht in Parteien engagiert sind, müssen leicht die Erfahrung machen können, wie spannend die Mitarbeit an politischen Aufgaben sein kann." Ein Beispiel für die Suche nach politischen Lösungen sei die Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise. Zu ihrer Bewältigung hätten Gewerkschaften und Unternehmer beigetragen. "Das zeigte, wie gut es ist, miteinander statt gegeneinander zu arbeiten.

Die Antrittsrede wird sicherlich gut ankommen. Bilder wie "Brücken bauen" und "Verbindendes statt nach Trennendem suchen", sowie Gedanken, wie: "Rücken wir den Menschen in den Mittelpunkt unseres Tuns" sind nach meinem Dafürhalten sehr gute Kerngedanken. Sicher werden nun Wullfs Worte in der Presse aber auch im Volk ein gutes Echo finden.

Aus pz-news: Bis anhin wollten die bisherigen Bundespräsidenten in Ihren Berliner Reden dass ein "Ruck durch Deutschland" geht, so wie es Roman Herzog 1997 als geistiger Vater dieser Gattung gefordert hatte. Bei Wulff ging wohl kein Ruck durch die Bevö6lkerung. Das wäre mit Sicherheit zu viel verlangt gewesen in der heutigen br=C3=BCchigen politischen Situation. Doch wurden seine Worte nicht als Floskel empfunden. Ein bisschen mehr Vision hatte mir gefehlt. Das teilweise etwas abgehackte vorgetragenes Portrait der "unten Republik Deutschland", die Wulff beschrieben hatte (als Mischung aus "Urdeutscher Disziplin und türkischem Dribbling, aus preussischem Pflichtgefühl und angelsächsischer Nonchalance, aus schwäbischer Gründlichkeit und italienischer Lebensart), wie auch der Appell an den Gemeinsinn (über alle Nationalitäten, Gesellschafts- und Altersgruppen hinweg), wirkte angemessen. solche Worte sind in der jetzigen Situation staatstragend, obwohl die Gedanken nicht neu sind."

Wulff kann sonst sehr gut Klartext reden - stets in einer Sprache, die die Menschen verstehen. Als ehemaliger niedersächsischer Ministerprässident ist der neue Bundesprässident ein Politprofi, der mit beiden Beinen mitten im Leben steht.



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