Ex-Armeechef Roland Nef hat erstmals nach eineinhalb Jahren
öffentlich Stellung zur Affäre genommen. Er rechnete auf "Tele Züri"
mit den Medien ab: Er sei ein Opfer der Medien und der Politik, das als
"lebenslänglich schuldig" gilt, obwohl er nie verurteilt worden sei.
Trotz medienrhetorischer Vorbereitung überzeugte der ehemalige Armeechef nicht.
Zuerst hatte man den Eindruck, als könnte Roland Nef die Chance
vor Mikrofon und Kamera nutzen. Er wirkte äusserlich gestylt,
sass selbstsicher da und war darauf bedacht, seine vorbereitete Kernbotschaft
zu verkaufen und sich als Medienopfer darzustellen.
Die Rechnung ging nicht auf. Der Auftritt war ein Flop.
Obschon Roland Nef nicht offiziell verurteilt worden ist - er konnte sich bekanntlich mit einer
Geldsumme gleichsam von einer Klage loskaufen - wurden peinliche
Details nochmals aufgewärmt: das Bild von "Nef als Stalker"
war vielleicht in einigen Köpfen schon vergessen, jetzt ist es wieder präsent.
Mit diesem Interview konnte Roland Nef seinen schlechtes
Image nicht beseitigen. Im Gegenteil: Er bleibt nun in den Augen der
Öffentlichkeit eine unglaubwürdige Person.
Auch die vielen Kommentaren im Internet zeigen, dass die Bevölkerung intuitiv
erkannt hatte, dass Nefs Auftritt unglaubwürdig war.
Viele haben gemerkt, dass Nef die eingetrichterte Kernbotschaft zu plump zementieren
wollte. Einige Antworten zu heiklen Fragen wirkten antrainiert.
Als Kommunikationsberater hätte ich Nef abgeraten - unter diesen Umständen - aufzutreten
Vor allen, weil er nicht viel Neues zu sagen hatte. Generell wirkte er zu überheblich,
zu selbstgefällig, von sich eingenommen und uneinsichtig. Nonverbal verriet
er an einigen Stellen, dass ihm heikle Frage zu peinlich waren.
Dann wich er mit dem Blick aus. Im zweiten Teil des Interviews griff er
sich bei heiklen Fragen auffallend oft an die Nasenspitze, als ob er nonverbal
sagen wollte: "Pass auf, dass du keine fahrlässigen Aussagen machst."
Der Versuch, die "Marke Nef" dank des Interviews in ein besseres
Licht zu rücken und Sympathiepunkte zu holen, misslang. Die
Beschönigungen und die Schuldzuweisungen wurden für Nef - einmal mehr - zum Bumerang.
Der Auftritt zeigte, dass ein ehrgeiziger,
gekränkter, narzisstisch veranlagter Führungstyp es schwierig hat,
über den eigenen Schatten zu springen.
Auch sein Kriegs - Vokabular wie "Medienvernichtungsschlacht, Treibjagd,
Hochwildjagd, es wurde auf mich geschossen, es war ein Vernichtungskampf"
machte hellhörig. Er versteht Kommunikation als militärstrategisches
Schlachtfeld.
Wenn man weiss, dass Nef mit einer Geldsumme, deren Höhe nicht
bekannt ist, eine Klage abwenden konnte, sind seine Versuche, sich als
Unschuldslamm darzustellen, unglaubwürdig. Gravierend war es,
dass er seine Opfer nicht in sein Boot genommen hat. Mit ein paar
Worten hätte er sagen können, dass es ihm leid tue, seine
Frau verletzt zu haben und er an alle denke, die durch sein Verhalten
haben leiden müssen. Mit einer solchen Anteilnahme - falls echt -
hätte er nach seinem Interview nicht so viele negativen Kommentare
gegen seine Person erhalten. Die Bevölkerung hätte bei diesem Bekenntnis
Hemmungen gehabt, mit Wortpfeilen auf ein Boot zu schiessen, in dem alle
Leidetragenden und besonders seine Frau sitzt.
Blick
Nachtrag vom 3. Februar, 2010:
Der folgende "Blick" Beitrag vom 3. Februar bestätigt, dass Nef mit seinem
Verhalten im Interview die Schmutzgeschichten aufgewärmt hat:
Über den Inhalt jenes Protokolls will Nef jedoch nicht sprechen. Kein
Wunder. Denn was seine Ex-Partnerin darin erzählt, zeigt Nefs
weniger propere Seite.
So schildert die Musikerin der Polizei, Nef habe sich oft bis zur
Besinnungslosigkeit betrunken. An Weihnachten 2004 habe er zwei
Stunden getobt. Auch vor Gästen, auch vor Kindern. Seine Freundin
sei eine "Hure", schrie er. Sie behaupte, "er würde Männer
ficken". Auslöser für den Anfall: Nef habe einen Gartentisch
nicht zusammensetzen können. Aus Angst versteckten Partnerin und
Gäste alle Küchenmesser. Im Februar 2005 zieht die Freundin
aus. Nef kommt mit seiner heutigen Frau zusammen. Doch er belästigt
seine Ex mit Mails, Telefonaten, Postkarten. Ein Jahr später
fängt er gar an, im Namen der Ex im Internet Sex anzubieten. Er nennt
sie "flauto_66": Die Flötenspielerin sei "eine gute Bläserin",
schreibt er. Folge: Sexgierige Freier rufen sie an, stehen vor ihrer
Tür. Bis sie ihn im September 2006 anzeigt. Und heute? "Ich
habe sicher Fehler gemacht in dieser Beziehung", verwedelt Nef. Einer
Beziehung, die "exakt bis Karfreitag 2005 dauerte", schummelt er.
"Dafür musste ich büssen und Wiedergutmachung zahlen."
Seine Ex habe eine Entschuldigung akzeptiert, eine
Desinteresse-Erklärung unterzeichnet. Das Verfahren
wurde eingestellt. "Ich wurde also nie angeklagt. So gelte ich
gemäss Menschenrechtserklärung und Verfassung als
unschuldig." Tatsächlich? "Es gilt die Unschuldsvermutung",
bestätigt Strafrechts-Professor Franz Riklin. "Aber es kam ja
eben nicht zum Prozess, weil er selber Wiedergutmachung leistete." Das
Einstellungsverfahren nach Artikel 53 des Strafgesetzbuchs geht aber
nur bei geständigen Beschuldigten: "Man muss sich zwar nicht
für juristisch schuldig bekennen", erklärt Riklin, "aber
die Fakten anerkennen." Heute jammert Nef also, er habe sich nicht vor
Gericht verteidigen können. Aber daran ist er selbst schuld. Riklin:
"Hätte er alles bestritten, hätte der Staatsanwalt das Verfahren
weitergeführt." Warum bestritt Nef das Protokoll wohl nicht?
Jetzt strotzt Nef wieder von Selbstbewusstsein. Das psychiatrische
Gutachten, das die Staatsanwaltschaft 2006 von ihm erstellen liess, findet
er "Chabis": "Ich bin völlig gesund und biete an, mich jederzeit
neu begutachten zu lassen." Da könnte er sich wundern. Der Luzerner
Psychiater Andreas Frei macht schon mal eine Ferndiagnose: "Herr Nef hat
ganz klar narzisstische Persönlichkeitszüge." Dazu zählen:
erhöhte Kränkbarkeit und Uneinsichtigkeit. "Narzissten scheitern
meist irgendwann im Leben, beruflich wie privat", sagt Frei. "Bei Roland
Nef kam es relativ spät."
Der frühere Militärchef schweigt zur Höhe der
Wiedergutmachung, die er an seine einstige Partnerin zahlen musste. Die
Zeitung "Sonntag" nennt jetzt den angeblichen Betrag.
Roland Nef Schweigt zum Vergleich mit seiner Ex-Freundin:
Laut Informationen der Zeitung "Sonntag", die sich auf
Behördenkreise beruft, handelte es sich um 50'000 Franken.
In "Talk Täglich" von Tele Züri von letzter Woche wollte
Nef dazu noch keine Stellung nehmen und erklärte lediglich, die
Wiedergutmachung habe seine Familie "in ihrer Handlungsfähigkeit
eingeschränkt".
In Anbetracht dessen, was er nach seinem Abgang bekommen hat,
sind die 50'000 Franken aber nur ein Bruchteil davon. Nach seiner
Rücktrittsankündigung im Juli 2008 erhielt er noch gut
420'000 Franken bis zu seinem Amtsaustritt vor einem Jahr, wie das
Blatt vorrechnet. Die Summe setzte sich aus einer Lohnfortzahlung
von 150'000 Franken für die verbliebenen sechs Monate sowie einer
Abgangsentschädigung von 275'000 Franken zusammen. Zudem hat er seit
März 2009 Anspruch auf Arbeitslosengeld. Nef musste seinen Posten
als Armeechef räumen, weil er seine Ex-Freundin massiv bedrängt
hatte.
Ohne sein Interview wäre es nicht zu diesem Beitrag gekommen.
Nachtrag vom 8. Februar 2010: auch der "Blick" Beitrag verstärkt und
bestätigt, den Eindruck, dass Nefs TV- Auftritt zum Bumerang geworden ist:
Bei seinem Fernsehauftritt vergangene Woche jammerte Roland Nef (50),
dass seine Familie unter der Wiedergutmachung leide, die er an seine
Ex-Partnerin zahlte. "Ich habe kein grosses Bankkonto. Meine Familie
ist heute in ihrer Handlungsfähigkeit massiv eingeschränkt."
50'000 Franken soll der Ex-Armeechef seiner Ex-Freundin laut der Zeitung
"Sonntag" gezahlt haben. Damit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird.
Ein Verfahren, das für den hohen Militär höchst peinlich
war. So soll Nef zwischen 2005 und 2006 Dutzende Sexinserate geschaltet
und beantwortet haben - mit dem vollen Namen und der Wohnadresse seiner
-Ex-Freundin.
Zudem hat er laut Polizeiprotokoll die Musikerin mit SMS, Telefon und
Postsendungen monatelang terrorisiert.
Nef hat die Stalking-Vorwürfe auch in seinem TeleZüri-Auftritt
vom vergangenen Montag nicht dementiert. Trotzdem sieht er sich als
Opfer und klagt, dass seine neue Familie jetzt finanziell zu leiden habe.
Dabei verdiente Nef als Armeechef rund 330'000 Franken im Jahr. Nicht
zu vergessen: Nef erhielt nach seinem Abgang noch ein halbes Jahr den
vollen Lohn sowie eine Abgangsentschädigung von 275'000 Franken.
Als Arbeitloser erhält Nef bis zu 20'000 Franken im Monat.
Seit März 2009 hat Roland Nef Anspruch auf Arbeitslosen-geld. Als
Ex-Angehöriger der höchsten Bundes-Lohnklasse 38 erhält
er also weiterhin bis zu 20´000 Franken - pro Monat. Und auch vor seiner
Ernennung zum Armeechef war er kein Kleinverdiener: Bereits als Kommandant
Lehrverband Panzer/Artillerie gehörte er zu den Bestbezahlten der
Schweizer Armee, mit einem Jahreslohn von über 180'000 Franken.
Verschiedene Anwälte bezeichneten Nefs "Wiedergutmachung"
gegenüber BLICK als eher tief, "sollten die Vorwürfe
tatsächlich stimmen". "Mangels Aktenkenntnissen" will sich keiner
öffentlich zum Fall Nef äussern.
Auch Nefs Ex schweigt - dafür hat sie ja die 50#000 Franken erhalten.
Geld, das wohl nur -einen Teil des monatelangen Terrors aufwiegt.
"Gerade beim Stalking werden die finanziellen Folgen fürs Opfer
unterschätzt", sagt die Zürcher Anwältin und Co-Leiterin
der Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt, Cornelia Kranich
Schneiter. "Neben der extremen psychischen Belastung entsteht dem Opfer
ein manchmal hoher Schaden, z.B. bei Einkommensausfall, Wohnortswechsel
oder Psychotherapie. Das summiert sich."
Roland Nef wird künftig für die Firma Swisssec
als Sicherheitsberater tätig sein. Segmüller ist
Verwaltungsratspräsident des Unternehmens. Der Ex-Armeechef werde auf
Mandatsbasis arbeiten, bestätigte Segmüller am Dienstag einen
Bericht der Zeitung "Blick". Er kenne Nef aus dem Militär und habe
ihn immer geschätzt. Nef könne differenzierte Lagebeurteilungen
vornehmen und analytisch denken.