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www.rhetorik.ch aktuell: (30. Nov, 2009)

Vemummung als Kommunikationssperre

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Bei Medientrainings mit Spitzensportlern vor Olympiaden wird Athleten immer wieder bewusst gemacht - zum Beispiel bei Beachvolleyballspielern - dass das Tragen von dunklen oder farbig spiegelnder Sonnenbrillen bei Interviews negativ wirkt. Die Augen, die "Fenster zur Seele" werden wir bei dieser Brille verdeckt. Es kommt beim Gesprächspartner der Eindruck auf, der Sportler habe Mühe, dem Gegenüber offen in die Augen zu blicken. Die Sportler erkannten im Mediensimulator meist sehr rasch, dass sie viel sympathischer wirken, wenn sie während des Interviews die schillernde Brille in die Haare schieben. Die unverhüllten Augen machen die Person kommunikativer, weil sie offener wirken. Als Kommunikationsberater mache ich beim Coaching immer wieder bewusst, dass man mit Blickkontakt eine Brücke zum Gegenüber aufbauen kann und Kommunikationsprozesse beeinträchtigt werden, wenn diese Brücke abgebaut wird.
Vor der Minarettverbotabstimmung wurde auf dem Befürworterplakat eine Frau mit einer schwarzen Burka prominent ins Bild komponiert. Diese Darstellung des durch das schwarze Netz total verdeckten Gesichtes hat auch in der Schweiz Emotionen geweckt. Im westlichen Kulturkreis ist es suspekt, wenn das Gesicht verhüllt wird. Selbst Klosterschwestern decken lediglich die Haartracht ab.

Die Stärke des Bildes ist die Analogie: Ein gewalttätiger Demonstrant, der sich einer Strafverfolgung entziehen will, vermummt sich. Auch die Assoziation mit einem Bankräuber mit Maske kommt verständlicherweise auf.

Es gibt auch praktische Gründe: Kontrollorgane wie der Zoll müssen begreiflicherweise ein Verhüllungsverbot durchsetzen, um die Identität zu überprüfen. Die Verhüllung könnte auch die Möglichkeit geben, dass ein Mann sich zum Beispiel unerlaubten Zugang zu einem Umkleideraum von Frauen beschafft. Nur an der Fastnacht wird bei uns das Maskentragen toleriert.
Nach dem überraschenden Abstimmungsresultat erkannten Analytiker, dass viele Menschen beim Ausfüllen des Stimmzettels einen Bauchentscheid gefällt hatten. Es ging nicht um den Bau von Minaretten. Sie wollten vor allem gegen Hassprediger, Zwangsehen, Frauensteinigungen, Beschneidungen oder eben das Verhüllen von Gesichtern protestieren. So wie bei Demonstranten ein Verhüllungsverbot gilt, darf auch von Schweizer Muslimen gefordert werden, dass sie das Gesicht nicht verdecken. Die breite Bevölkerung erwartet, dass Eingewanderte sich an Regeln halten, so wie wir uns in anderen Ländern deren kulturellen Spielregeln anzupassen haben.

Der Unmut gegenüber religiöse Symbole und vor allem gegen die Burka hat im Westen verschiedene Gründe:
  • Bildassoziation und Analogien (Bankräuber, Demonstrant)
  • Praktische Gründe (Identifikation, Sicherheitchecks)
  • Gleichberechtigung und Emanzipation (Schutz der Frau)
  • Kommunikation und Emotionen (Kommunikationsbarriere, Aversion, Angst)
  • Religion und Gruppenzwang (Einfluss von Religionen auf den Alltag)


Die Forderungen zu einem Verbot der Ganzverschleierung könnte sich in den nächsten Jahren durchsetzen, zumal auch der Koran bei Frauen das Tragen einer Burka nicht vorschreibt. Es sind Aussagen von Prophetengefährten, die muslimischen Frauen befohlen haben, Gesichter zu bedecken. Die Sache wird kompliziert, weil es ein Spektrum von Schleiern gibt
  • Kopftuch, keine Gesichtsverschleierung. wird von vielen Muslimen aus dem Koran oder dem Hadith abgeleitet.
  • Tschador, grosses Tuch, das um Kopf und Körper getragen wird.
  • Niqabs Gesichtsschleier, die aber meist die Augen frei lassen.
  • Hidschab, der auch Körper verdeckt.
  • Schleier, Überbegriff, der such Haarschleier oder Kleider beeinhaltet.
  • Burka, Ganzkörperschleier.
Nicht nur Frankreich, auch in der Schweiz wird das Burkaverbot erwägt - weil die Burka "nicht in unsere offene und gleichberechtige Kultur passt" (Widmer-Schlumpf). In der Schweiz gibt es aber kein Burka verbot.

Quelle: 20 Minuten
Nachtrag vom 13. Dezember: Auch in Ägypten soll die Vollverschleierung verboten werden


Nachtrag vom 4. Juli, 2010

Aus NZZ am Sonntag vom 4. Juli 10



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