Rhetorik.ch

Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com
Aktuell Artikel Artikel Inhaltsverzeichnis Suche in Rhetorik.ch:

www.rhetorik.ch aktuell: (17. Nov, 2009)

Schön und gewählt?

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Wer am 10. November die Sendung "10 vor 10" mit dem Titel Schöne werden besser gewählt verfolgt hatte, weiss dass "Schöne mehr Chancen haben, gewählt zu werden. Diese Behauptung basiert auf einem "Selects" Arbeitspapier des Politologen Georg Lutz, die FORS subventioniert worden war. 744 Kandidaten wurden von 25 Testpersonen nach Attraktivität und Kompetenz gefragt. Diese Testresultate wurden dann mit den Resultaten der Schweizer Nationalratswahlen vom Jahre 2007 korreliert.
Politologin Regula Stämpfli meint in einem "Kleinreport": publizierten Artikel Schöne werden nicht besser gewählt - aber lieber erforscht:

Schöne Nachrichten für die Werbewirtschaft: Plakate entscheiden gemäss Nationalfonds-Wahlstudie offenbar die Wahlen. Nicht nur das: Schöne Menschen auf schönen Plakaten seien sogar wahlentscheidend. Also aufgepasst, liebe Werberinnen und Politiker: Macht schöne Fotos auf schönen Plakaten, dann habt ihr nicht nur ein schön dickes Portemonnaie, sondern auch ein schönes Parlament! Ein Blick ins real existierende Parlament befremdet indessen: Wenn tatsächlich Wahlentscheidungen aufgrund von Attraktivität gefällt werden, dann finden entweder die meisten Wählerinnen und Wähler unattraktive Politiker attraktiv. Oder aber die Studie - mit Hunderttausenden von Steuerfranken finanziert - weist erhebliche Mängel auf. Schon in den 1970er Jahren wurde behauptet, dass Männer dank guten Aussehens kompetenter wirken während seit den 1990er Jahren schönere Frauen öfters Karriere machen sollen. Beides stimmt nicht. Kompetente Männer sind ebenso Mangelware wie schöne Männer. Und beide Kategorien weisen nicht die geringste Korrelation auf, siehe Carl Hirschmann ... Auch Karrierefrauen sind nach wie vor weder überdurchschnittlich schön noch besonders häufig an der Zahl. Die US-amerikanischen Wahlforscher Scott Armstrong und Andreas Graefe zeigen, wie die Kombination von Karriere, Schule sowie Militär, Familie, Biographie und besondere Eigenschaften wie persönliches Charisma viel mehr Gewicht haben als ein einzelnes Merkmal wie Partei, Schönheit, Zivilstand etc. Auf die Werbung übersetzt: Eine Miss Schweiz macht noch kein gutes Plakat und garantiert auch nicht automatisch einen Parlamentssitz. Gute Wahlkampagnen setzen auf eine Kombination der genannten Faktoren, Bilder und Zusammenhänge.

Auf den Nationalfonds übersetzt: Wenn weiterhin soviel Forschungsgeld in von Nationalfondtudienleitern vermessenen Körbchengrössen hübscher Parlamentariererinnen gesteckt wird anstatt in tatsächliche Forschung, erstaunt es nicht, dass die Schweiz im internationalen Wissenschaftskontext oft mit einem Lächeln quittiert wird. Wenn zwei FDP-Frauen für die Berner Grossratswahlen 2009 mit dem Slogan "4 Brüste für ein Halleluja" werben (siehe "Blick am Abend" vom 09.11.2009), dann ist es höchste Zeit, bei Nationalfonds, Studienleitungen, Universitäten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk für echte Forschung, Wissenschaft, vielleicht sogar für Klugheit zu werben. Wie wäre es mit einer Kampagne à la "Nicht immer ist Denken schön, aber Nicht-Denken dafür umso hässlicher"?
Politikerin Natalie Rickli Es ist nicht einfach ist, die Wirkung einer Persönlichkeit zu messen. An der Studie kann man bemängeln, dass 25 Testpersonen keine repräsentativen Schnitt durch die Bevölkerung gibt. Würde die rapportierte These wie im 10 vor 10 rapportiert zutreffen, würde es eine Schönheitskönigin im ersten Anlauf ins Parlament schaffen. Eine positive Korrelation heisst noch nicht, dass ein schöner Mensch auch automatisch gewählt wird. Und das hat die Studie auch nicht behauptet.

Vereinfachen ist zwar bei Kommunikationsprozessen gut. Simplifizieren ist hingegen ist immer fragwürdig.



Studie [PDF]

Rhetorik.ch 1998-2011 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com