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www.rhetorik.ch aktuell: (19. Okt, 2009)

Ballongeschichte platzt bei Interview

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Man weiss, dass in totalitären Regimes oft Kinder gefragt worden sind, um zur Wahrheit zu gelangen. Das Ausplaudern des "Ballonkindes", das in den USA die Medien für einen Tag in Atem hielt, illustriert dies gut. Die ganze Familie hatte sich einem Video CNN Interview mit Wolf Blitzer gestellt. Die Mediengeilheit war offensichtlich wichtiger als Vorsicht.
CNN Sendung vom 18. Oktober, 2009
Video
Im ominösen Interview mit CNN war die ganze Famile anwesend:

Vater: Hast Du uns nicht gehört, als wir Deinen Namen riefen? 
Kind:  Ja, Vater!
Vater: Du hast? Mutter: Du hattest nicht? 
Vater: Warum bist Du denn nicht herausgekommen?
Kind:  Ihr habt mir doch gesagt, wir machen das für die Show!
Vater: Nein!
Mutter:Nein?
Vater: (Pause) Du bist nicht herausgekommen? (Nimmt tiefen Atem)
Eine ehemalige Polizistin meint danach in CNN, dass das "tiefe Atem nehmen" des Mannes nach dieser Szene ein Zeichen sei, dass eine Person sehe, dass sie mit einen Berg von Indizien konfrontiert sei. Man sehe das oft in Interviews mit Kriminellen. Wenn die Aussage des Kindes nicht wahr gewesen wäre, dann hätte der Vater nachfragen müssen. Zum Beispiel mit: "Was meinst Du damit?"

Auch gebe es weitere Indizien. Das Massieren des Knies der Mutter nach der ersten Frage sei ein Zeichen der Anspannung, das man oft in heiklen Befragungssituationen sehe. Die Körpersprache sei kein Beweis, doch gebe sie Zusatzinformationen und zeige "heisse Stellen" in einem Interview. Schon die Antwort des Kindes, dass es die Rufe gehört habe, war für die Eltern überraschend. Der Vater fragte "Du hast?", die Mutter "Du hast nicht?" Das verunsicherte Kind gab darauf mehr Information preis, als geplant war.
Quelle: Youtube. Interview in NBC
Die Geschichte wird noch grotesker. "20 Minuten":

Falcon übergibt sich vor laufender Kamera Mitten in einer Frühstücks-Liveshow musste der Sechsjährige zum WC rennen, um sich zu übergeben. Seine Eltern redeten unterdessen ungerührt weiter. Stunden später eine ähnliche Szene, aber diesmal war Mutter Mayima vorbereitet: Sie reichte ihrem Sohn eine Dose, damit er sich übergeben kann.


Quelle: 20 Minuten


Nachtrag vom 21. Oktober: Im Blick

Blick: Ballon-Bub kotzt live im TV:

Er findet die Lügengeschichte seiner Eltern nur noch zum kotzen: Falcon (6) zeigt dies der ganzen Nation zur besten Sendezeit. Auch wenn sich herausgestellt hat, dass der Unfall mit dem abgehobnenen Heliumballon und dem kleinen Falcon (6) an Bord eine für die Medien inszenierte Lügengeschichte war - in den USA ist dies kein Grund, die Familie Heene aus dem Rampenlicht zu stossen. Jetzt interviewte die berühmte Journalistin Diane Sawyer die Familie für "ABC". Doch auch hier ging der Schuss nach hinten los. Vater Richard und Mutter Mayumi vermochten die Herzen der Zuschauer nach der Lügengeschichte nicht mehr zu erweichen, im Gegenteil: Denn während Sawyer sich mit Vater Richard unterhält und seine Frau und drei Kinder einmal mehr still daneben sitzen, muss sich Falcon auf einmal übergeben. Er schafft es zwar noch, mit Handzeichen auf das bevorstehende Malheur aufmerksam zu machen - bevor er es ihn mehrmals vor laufender Kamera zur besten Sendezeit landesweit "lupft". Vater Richard aber redet ungestört weiter, der Zustand seines Sohnes scheint ihn nicht im Geringsten zu interessieren.




Nachtrag vom 24. Oktober: Ein paar gute Gedanken von Frank Rich in der New York Times:
  • Die "Balloon Boy" Geschichte ist eine Reflexion unserer Zeit, ähnlich wie die vom Radio induzierte Panik "War of the Worlds" am Ende des zweiten Weltkriegs.
  • Die Zuschauer sind nicht ans Fernsehen gefesselt gewesen, weil sie sich um den Knaben gesorgt haben, nein, es war die Blutlust, die auch "Gaffer" zu Unfällen bringt. Nicht eine sanfte Landung, sondern ein Crash war erwartet.
  • Die Zuschauer waren nicht die Opfer einer Fälschung durch die Ballon Familie, sie waren das Opfer ihrer eigenen Kritiklosigkeit. Jederman, der ein Gefühl für Physik hätte, und mit einer natürlichen Skepsis die "News" betrachtet, hätte gesehen dass in diesem herumtanzenden Fetzen Folie kein Knabe hätte sein können. Was immer von den Netzwerken als "News" angeboten wird, wird heute als Wahrheit konsumiert, ohne es zu hinterfragen. Die Reporter, die den Flug kommentierten, haben die Flugtauglichkeit des Ballons sogar hervorgehoben, anstatt die Geschichte zu hinterfragen. Es war ein Festessen für die Medien. Nur nichts verderben!
  • Der Vater Richard Heene ist ein Produkt einer Medien Kultur, die in einem Umfeld von "Reality Show" möglich geworden ist. Er hatte das Gefühl, dass das "im Rampenlicht stehen" wertvoll an sich ist. Koste es was es wolle. Rich meint, dass mehr als ein Viertel des heutigen US Fernsehens zur Hauptfernsehzeit aus Reality Show Elementen besteht.



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