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www.rhetorik.ch aktuell: (28. Aug, 2009)

Lernen aus der Libyen Krise

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Schweizer Tagesschau 28. August von Wattenwyl Gespräche
Reaktionen von Politikern Kommentar von Hans Bärenbold
Die Tripolis Krise zeigt sich, dass die Schweiz besser mit solchen Krisen umgehen könnte. Die Geiseln sind noch nicht zurück, und um die Sache nicht noch schlimmer zu machen, ist die Kritik noch verhalten.


Nach Albert Stahel wird das Vorgehen in der jetzigen, noch nicht ganz ausgestanden Krise noch Konsequenzen haben: Aus dem Blick Interview: meint er auf die Frage: Was hätte man besser machen müssen?

"Man hätte hart pokern sollen. Jetzt stehen wir als unfähig da und das Auslands fragt sich: Sind das Feiglinge? Lassen die sich ausbeuten, ist ihre Regierung erpressbar, hat sie denn keinen Mut? Dazu kommt die innenpolitische Krise, die Auseinandersetzung von Bund und Kantonen."
Bei Informationen und Kommunikationsprozessen dürfen sich Aussagen nicht widersprechen. Das gilt vor allen in Krisensituationen. Der Beim Komunikationsverhalten im Bundeshaus sieht es so aus, als würden die Bundesräte banale Grundsätze nicht kennen. (Siehe Virtuelle Krise). Immer wieder müssen Aussagen nachträglich korrigiert werden.
Tagi: Kommunikationspanne oder gezielte Fehlinformation?: Die Libyen-Affäre ist wirr und das Departement Merz verheddert sich immer noch stärker: Gestern hat sich das Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) mit inhaltlich komplett gegensätzlichen Äusserungen widersprochen. Gestern kehrte die Falcon des Bundesrates aus Tripolis zurück. Qadhafis Geiseln sassen nicht im Flugzeug. Ist der Deal von Merz geplatzt? Tagesanzeiger.ch/Newsnetz bat gleich am Freitagmorgen um 7.30 Uhr beim Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) und seinem Sprecher Roland Meier um Auskunft gebeten. Die Antwort kam schnell und war kurz: "Die Falcon ist heute Nacht zurückgekehrt. Sie wird anderweitig benötigt." Aber dem Bund würden doch mehrere Maschinen zur Verfügung stehen? Darauf antwortete Meier: "Ja, das ist richtig." Auch andere Medien vertrauten auf die gleichen Aussagen des Departements Merz. Der Widerspruch im Communiqué Doch es dauerte nicht lange, und Überraschendes kam an die Öffentlichkeit. Gegen 10 Uhr sagte Bundespräsident Merz gegenüber Tele Züri, dass die Falcon gar nicht leer gewesen sei. Sondern Gepäck der beiden Geiseln transportiert habe. Ein interessantes Detail. Und um 10.30 Uhr veröffentlichte das EFD ein Communiqué, dessen Inhalt der Aussage Meiers von 7.30 Uhr völlig widersprach: "Libyen besteht darauf, dass die beiden Schweizer das Land als Geschäftsleute verlassen. Die Schweiz erfüllte diese Bedingung, indem umgehend die Rückkehr der Falcon angeordnet wurde." Das bedeutet, dass Qadhafi die beiden Schweizer auf einem Linienflug ausreisen lassen will. Und so flog der Bundesratsjet nicht heim, weil er anderweitig benötigt wird. Die gestrige Informationspolitik in Bern war nicht gerade vertrauensfördernd. Das EFD war heute für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Mehr Reaktionen: Blick: "Eine beispielslose Blamage!", findet Christoph Mörgeli von der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK). "Uns und der Bevölkerung platzt langsam der Kragen!"

Kathy Riklin, CVP-Nationalrätin und ebenfalls in der APK, nimmt die Trockenflugübung Bern-Tripolis-Zürch "mit Galgenhumor". "Die ganze Libyen-Affäre ist eine peinliche Sache. Gut gemeint, aber schlecht gemacht", so Riklin.

Und auch APK-Kollege Mario Fehr (SP) spricht von "wachsendem Unbehagen" was die Verhandlungen zwischen Bundespräsident Merz und der libyschen Regierung angeht. Er fürchtet, dass das Ganze "in einem diplomatischen Desaster und in einer Blamage für die Schweiz endet." Fehr sieht die Fehler vor allem im plötzlichen Eingreifen des Bundespräsidenten und seinem Departement: ""Wichtige Entscheide dürfen nicht wie von Merz im Alleingang, sondern nur im Gesamtgremium Bundesrat gefällt werden."






Nachtrag vom 30. August, 2009: Radio Munot Interview:
Ein Spiegel Artikel widmet sich der Geschichte:

Zum aussenpolitischen Scherbenhaufen kommt die innenpolitische Konsternierung. Wieder zu Hause hagelte es heftige Kritik für Merz. Nicht wenige Eidgenossen würden gerne ihr eigenes Staatsoberhaupt in die Wüste schicken. "Das Vorgehen von Merz war gottvergessen naiv und hochgradig unprofessionell", schimpfte der Thurgauer CVP-Ständerat Philipp Stähelin in der "NZZ am Sonntag". Selbst aus den Reihen seiner eigenen Partei, der FDP, wurde scharf geschossen: "Merz ist Weltmeister darin, von Fettnapf zu Fettnapf zu hüpfen", sagte Merz' Parteikollegin und Ständerätin Christine Egerszegi der "NZZ am Sonntag".
Nachtrag vom 31. August, 2009





Kommen sie oder kommen sie nicht? Bis Ende August dürften die beiden Schweizer Geiseln aus Libyen ausreisen, verkündete Bundespräsident Merz vorletzte Woche nach der umstrittenen Vertragsunterzeichnung.

An irritierenden Informationen mangelte es seit dem Libyenbesuch des Bundespräsidenten nicht. Zuerst hiess es die Geiseln dürften am Dienstag nach Hause. Dann wurde ein Flugzeug nach Libyen beordert um die Geiseln zu holen. Der teure Falcon musste dann aber nach tagelangem Warten nur mit dem Gepäck zurückfliegen. Merz kann endlich hoffen, dass ihn der 1. September erlöst. Doch ist die Affaire nach der allfälligen Rückkehr noch nicht ausgestanden. Es gab zu viele Kommunikationspannen, die nach der Rückkehr analysiert werden müssen. Ueber die groteske Geschichte (Kniefall vor einem Diktator) zirkulierten bereits zahlreiche Karikaturen. Profiteur der langen Politposse waren die Medien. Sie hatten eine Geschichte, die laufend neu aufgekocht werden konnte.




Die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr der beiden Schweizer Geiseln in Libyen schwindet: Sie sollen angeblich vor Gericht gestellt werden, habe ein libyscher Minister gesagt. Ein anderer Funktionär sprach von einer Busse. Das Bundeshaus schweigt. Wenn Informationen fehlen, gedeihen Gerüchte.


Nachtrag vom 2. September: Obwohl die Geiseln noch nicht zurück sind, hat niemand Interesse an einem Rücktritt von Merz.

Eine "Blick" Umfrage zeigt, dass Vielen Schweizern das Verhalten Gaddafis massiv zu weit geht. 57 Prozent sagen Ja auf die Frage, ob die Schweiz die Handelsbeziehungen mit Libyen abbrechen soll. Libyen liefert 20 Prozent des in die Schweiz importierten Öls. 350 Tamoil Tankstellen gibt es in der Schweiz.




Nachtrag vom 4. September, 2009: Der Blick:
Im Juli, am Rande des G-8-Gipfels, hatte Gaddafi angekündigt, der Uno zu beantragen, die Schweiz unter den Nachbarländern aufzuteilen. Seine Begründung: Die Schweiz sei keine Nation, sondern eine "Mafia", die den "internationalen Terrorismus" finanziere. Hintergrund der Attacke: die Verhaftung seines gewalttätigen Sohnes Hannibal in Genf. Und Gaddafi machte tatsächlich Ernst. Er reichte vor rund einem Monat einen entsprechenden Antrag bei der Uno ein. Doch die wollte nichts davon wissen, wie Farah Haq, Sprecher von Uno-General-sekretär Ban Ki-Moon, gestern erklärte. Die Forderung von Gaddafi widerspricht den Grundsätzen der Uno-Charta, das für die Traktandenliste zuständige Generalkomitee hat ihn umgehend abgelehnt. Der Text zirkulierte nicht als Uno-Dokument und wurde auch nicht veröffentlicht.
Leser von "20 Minuten" haben Gegenvorlschläge : Siehe Artikel:



Nachtrag vom 4. September, 2009: Blicke sagen mehr als Worte

Es sollte ein Medienkonferenz werden, die Einigkeit und Geschlossenheit signalisiert. Ich habe mir die ganze Konferenz mitverfolgt. Doch das Verhalten der Akteure sagte mehr als die abgelesenen Worte. Die dunkeln Farben, die Spannung in der Muskulatur, die Blicke und das gespielte Lächeln - Alles Aussagen, die nachhaltiger sind als die verlesenen sachlichen Mitteilungen.

Man braucht kein Samy Molcho zu sein, um zu sehen, wie es hinsichtlich Beziehungsebenen zwischen den beiden Ministern bestellt ist. Der Körper kann bekanntlich nicht lügen. Die Geschichte mit dem SMS der Aussenministerin hatte die Bundespräsident hart getroffen. Die Aussenministerin war sauer, dass der Bundespräsident ihr das Szepter aus der Hand genommen hatte. Das grosse Zerwürfnis zwischen Merz und Calmy-Rey ist trotz Entschuldigung, trotz gespielter Einigkeit den beiden Kontrahenten deutlich ins Gesicht geschrieben. Wer glaubt, man könne Risse in der Beziehungsebene so rasch rasch kitten, täuscht sich. Es gibt leider keinen Seelen Araldit, der hilft, wenn zu viel Geschirr zerschlagen wurde. Ich kenne Fälle, da brachten weder Mediationen, Interventionen noch teure Beratungen etwas. Die persönliche Verletzung war zu gravierend.

Journalisten wurden nur zum Verlesen einer Medienmitteilung aufgeboten. Es durften beim Medienauftritt der Aussenministerin und des Bundespräsidenten keine Fragen gestellt werden. In diesem Fall ist dies gewiss aus der Sicht der Akteure verständlich. Sie wollten kein Wäsche waschen, bevor die Geiseln im Land sind. Dennoch gibt dies zu denken. Es wäre nämlich denkbar gewesen, dass bei harten Fragen das künstliche Falschspielen während der Diskussion wie ein Kartenhaus hätte zusammenbrechen können. Die gespielte Einigkeit war offensichtlich eine Show an die Adresse von Libyen. Der vielsagende Auftritt war wohl kaum für die Schweizer Bevölkerung gedacht.




Nachtrag vom 4. September: Geschäftsleute werden vor Gericht gestellt Eskalation: Die Schweizer Geschäftsleute werden vor Gericht gestellt. Quelle: Spiegel.


NZZ am Sonntag vom 6.9. 2009:


Sonntag vom 6.9. 2009




Nachtrag vom 8. September 2009 Der Blick hat eine Übersetzung des Briefes: "Schliesslich möchte ich Ihre Exzellenz dessen versichern, dass die zwei Schweizer Staatsbürger, gegen die ein Verfahren wegen Verletzung der Immigrationsgesetze in Libyen läuft, sich immer frei innerhalb von Libyen bewegen konnten und nie in irgendeiner Weise unter Arrest standen. Das Verfahren gegen sie ist im Gange, und der Generalstaatsanwalt behandelt ihren Fall beschleunigt und in Übereinstimmung mit den libyschen Gesetzen und Bestimmungen. Wir rechnen damit, dass die Verfahren in einigen Tagen abgeschlossen sein werden. Ausgehend vom normalen Verlauf der Dinge in ähnlichen Situationen, glauben wir, dass ihr Fall sehr bald entschieden sein wird und dass sie vor Ende Monat aus Libyen ausreisen können."


Nachtrag vom 24. September, 2009: Bundespräsident Merz hat sich in New York mit Gaddafi getroffen. Gaddafi hat die Schweizer an einem ungenannten Ort verlegt, weil er eine Befreiung der Schweizer durch das Schweizer Militär befürchtete 20 Minuten.




Nachtrag vom 24. Oktober:


Karikatur in der NZZ vom 24. Oktober von Peter Gut: "Wüstensohn mit Lieblingskamelen"




Nachtrag vom 1. November:

Nach Blick hatte Merz den Bundesrat über seine Absichten getäuscht, nach Libyen zu fliegen.


Nachtrag vom 9. November 2009:

Die Geiseln sind zurück in der Schweizer Botschaft.


Nachtrag vom 14. Juni 2010:

Max Göldi hat Libyen verlassen und ist zurück in der Schweiz. Quelle


Nachtrag vom 16. Juni 2010:

Lybien entführte unrechtmössig zwei Schweizer, missachtete Verträge, führte den Bundesrat an der Nase herum und garnierte möglicherweise noch als Dank eine hohe Summe als Entschädigung für die Verhaftung des Staatschef Sohns, weil er Angestellte misshandelt haben soll. Nachdem Gaddafi Aussenministerin Calmy-Rey nochmals gezwungen hatte vor der Freilassung von Max Göldi sich vor den Medien zu entschuldigen, wird die Bundesrätin als altes Weib bezeichnet und mit üblen Karikaturen mit einer abgemagerten Streunerkatze verglichen. Es ist erstaunlich was sich der Gaddafi-Clan alles in diesem Trauerspiel erlauben konnte.


Nachtrag vom 18. September, 2010:

Die NZZ am Sonntag berichtet, dass eine Aktion "SAKR DUE" zur Befreiung der Geiseln in Lybien kurz vor deren Beginn abgebrochen worden war. Dabei wäre das Aufklärungsdetachement AAD 10 der Schweizer Armee zum Einsatz gekommen:

20 Minuten:

Wie die "NZZ am Sonntag" gestützt auf ein Papier aus dem Aussendepartement berichtet, hatte das Verteidigungsdepartement (VBS) die Aktion "SAKR DUE" genannt. Das Papier zeigt, dass man damals kurz davor war, diese Befreiungsaktion auszulösen. Involviert waren dabei auch Angehörige eines Beduinenstamms in einem Nachbarstaat Libyens. Nur eine Stunde, bevor diese zu ihrer Mission hätten aufbrechen sollen, und 36 Stunden vor der eigentlichen Befreiungsaktion, wurden die Vorbereitungen abgebrochen: Libyen hatte offenbar Wind bekommen von den Schweizer Plänen. Im Papier legt das EDA ausserdem dar, dass EDA und VBS "vernünftigerweise und in gutem Glauben" davon ausgegangen waren, dass für die blossen Vorbereitungshandlungen allfälliger Befreiungsaktionen keine Information des Gesamtbundesrates nötig gewesen sei.





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