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www.rhetorik.ch aktuell: (19. Jun, 2008)

Telemedial: Ein fragwürdiges Medienphänomen

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Wer durch das Fernsehprogramm zappt, kann zwangsläufig auch bei oesterreicher Sender Telemedial hängenbleiben. Die Sache ist sonderbar. Ein Herr mit langem Haar meditiert über Sachen wie zum Beispiel über Energieaustausch. Die Sprache ist abgehackt und in ellenlange Pausen oder gar minutenlanges Schweigen eingebettes. Im Hintergrund sieht man esoterische Bilder - oft mit herzförmigen Symbolen. Vor ihm eine sonderbare Pyramidenkonstruktion. Eine brennende Kerze auf einem altarähnlichen Korpus. Aus einer Schale steigt Weihrauch auf.

Ist es eine Satiresendung? Ist es ein Kabarettist, der fragwürdige Magier karikiert? Die Plauderei vor Mikrofon und Kamera ist aber dermassen grotesk, dass diese erlösende These nicht zutreffen kann. Das Wortgestammel ist keine Parodie. Es handelt sich um den Gründer des Senders Telemedial: Thomas G. Hornauer.

Das Konzept ist insofern transparent, als die Hörer anrufen können. und für "die Energiezufuhr" oder das "Erlebnis" (Hornauer) bezahlen. Hornauer kann von diesem "Energiegeschäft" leben, denn wer von seiner Energiezufuhr profitieren will, berappt bis zu 30 Euro. Wer für das "Erlebnis" zahlt, darf sich entspannen und das Gesehene unbeschwert auf sich einwirken lassen. Am Schluss gibt Hornauer dann den Rat, diese Sequenz nochmals zu Hause auf sich wirken zu lassen. Doch zahlt man dann für diese aufgezeichnete Sequenz erneut 30 Euro. Hornauer versteht offensichtlich das Geschäft. Wenn die Energiezufuhr beispielsweise von einer Depression befreien kann, so sei dies der Preis wert, moniert der selbsternannte Heiler.

Hornauer forderte schon 1997 die Zuschauer auf, die Energie über die eingeblendeten Telefonnummern auszugleichen. 2008 wurde der Betrag später auf 10 Euro reduziert. Die Leute konnten aber auch nur so viel zahlen, wie ihnen die Hilfe wert ist. Das Sehen einer Sendung kostet 4 Euro. Das Sehen des ganzen Abends 7 Euro. Dies - wohlverstanden nur als Mindestbetrag.

Der Sender wird in der Schweiz, in Deutschland und Österreich ausgestrahlt. Damit läppern sich diese Beträge zu grossen Beträgen zusammen. Am 5. April erzählte Hornauer einer zweifelten Anruferin, dass die Sendung überhaupt nicht aufs Verstehen ausgerichtet sei. Es gehe lediglich ums Erleben - was einen Energieausgleich in Form von Spenden nötig mache. Nur wer sich bedingungslos auf die Sendung einlasse und "zu allem Ja sage", werde diese Energie empfangen. Das System ist einfach: Je mehr bezahlt wird, desto mehr Energie erhält der Zahlende.

Damit ist klar, dass Hornauer gar nicht so reden, dass man die triviale, endlose, sinnlose Plauderei verstehen muss. Der Guru kann stammeln, wirre Worte assoziativ daher reden, schweigen, lachen, tanzen, dilettantisch singen oder musizieren, dasitzen und atmen, trommeln usw. der Zuschauer hat nichts anderes zu tun, als sich auf alle Aktionen einzulassen, zu zahlen, um damit "Energie" zu tanken. Das "Dabei sein" allein genügt. Nur die Einwirkung der Sendung muss man sich erkaufen.

Das System scheint sich auszuzahlen. Hornauer besitzt mehrere Autos und hat auch im Ausland Land und Liegenschaften erworben.

An einem Abend schwärmte er davon, wie er sich mit seinem Mercedes auf deutschen Autobahnen entspannen könne, indem er sich mit der Geschwindigkeit von 250 km "befreie". Er empfahl dann den Zuschauern, dies ebenfalls zu tun. Man müsste lediglich Stellen suchen, wo es keine Lastwagen gibt.

Mit der abstrusen Sendung hat Hornauer eine Marktlücke entdeckt, die heute Tausende von Zuschauern in Bann zieht. Es ist wie bei einem modernen Künstler, der eine Kunstrichtung entdeckt hat, bei der er mit wenig Aufwand viel Geld verdienen kann. So gab es einmal einen Maler, der sich nicht mehr bemühte, aufwendig zu malen, sondern auf ein riesige Leinwand Farbe ausgoss, um sich hernach in dieser Farbe zu wälzen. Diese Bilder zählen später zur Kunst und wurden teuer gehandelt. Auch Hornauers Event ist durch die Einmaligkeit wertvoll geworden. Der Zuschauer zahlt die Idee des Sendekonzeptes. Wer jedoch den einfachen Gag nachahmen würde, könnte nichts mehr verdienen. Das Werk wäre dann auch nur noch ein Plagiat.

Hornauer muss zugestanden werden, dass er etwas schuf, was es vorher in dieser Form noch nie so gab. Er verstösst darin gegen alle Regeln des professionellen Fernsehenmachens. Wie bei einer neuen Kunstrichtung, so könnte Hornhauers skuriles Modell einer Fernsehsendung höchstens noch kopiert werden. Telemedial hat hat bereits heute Kultcharakter. Man muss mit Magie, Religion oder Esoterik nichts am Hut haben, man verweilt dennoch ein paar Minuten im Telemedialkanal, selbst dann, wenn man sich ärgert oder den Kopf schüttelt.

Die Sequenzen finden heute auch in Youtube eine grosse Beachtung. Dies ärgert Kornbauer, weil von diesen Sequenzen nichts verdient. Der Erfolg der Filmsequenzen liegt darin: Hornauer setzt sich über alle Regeln des professionellen Fernsehmachens hinweg. Es gibt kein Drehbuch. Er plaudert einfach drauflos. Das "Still da sitzen" gehört mit zum Programm. Überlange Pausen sind keine Pannen. Die Sendungen sind stets völlig improvisiert. Es gibt minutenlange Hänger - oft geschieht nichts. Die Dramaturgie fehlt. Regieanweisungen gibt es während der Sendung. Beispielsweise sagt Hornauer zum ehrenamtlich arbeitenden Kameramann: "Robert, bitte nimm mich bitte mit den beiden hübschen Frauen ins Bild - so ist es schön ja - so - gut" (Dann strahlt er am orangen Tisch in die Runde und murmelt: "Schön dass ihr das seid."). Wenn ein Gast am legendären bananenförmigen Tisch spricht, so funktioniert das Mikrofon selten. Die Kamera ist vielfach am "falschen" Ort. Wenn die Teilnehmer monoton trommeln und tanzen, so kann dies endloslang dauern. Der Zeitaspekt ist gleichsam ausgeschaltet - in einem Medium, bei dem sonst jede Sekunde zählt. Es gibt keine Schnitte, kein Drehbuch, keinen Zeitdruck. Man hört manchmal Elemente buddistischer Meditationsklänge oder der Psalm 91 wird ab Band zitiert. Die Musikeinlagen sind dilletantisch. Amateurmusiker spielen zum Teil schrecklich falsch. Oft hat man das Gefühl, die Musiker improvisierten in Trance - unter Drogen? - ausschliesslich für sich selbst. Niemand scheint sich bewusst zu sein, dass das Ganze ausgestrahlt wird.

Hornauer hat immer wieder mit der Staatsanwaltschaft zu tun. Obschon ihm jetzt auch in Österreich die Konzession entzogen wird, versteht er es gewiss, erneut auf andere Kanäle (evt. auf andere Länder auszuweichen). Ich vermute, dass er sich im Zeitalter von Satelliten, Internet und Digitalisierung weiterhin zu helfen weiss. Das Handwerk kann ihm wohl kaum so schnell gelegt werden. Hornauer ist so clever, der Gefahr - als gefährlicher Sektenguru oder als unzulässiger Abzocker eingeklagt zu werden - zu entgehen. Er könnte zum Beispiel seine Fangemeinde künftig als Verein deklarieren. Dennoch sieht er sich als Heiler hat eine erstaunlich grosse Schar von Jüngern, die aufgerufen sind, die "Religion der wirkungsvollen Energieüberragung" weltweit zu verkünden. Die Kasse wird jedenfalls weiterhin klingeln.



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