Der Erwartungsdruck dieser Sendung war enorm. Kommunikationsberater
prognostizierten einen Boxkampf und eine Konfrontation "Abgewählter
Bundesrat gegen die neue Bundesrätin". Im Vorfeld versprachen sich
die Medien einen Showdown, Ein Heer von Fotografen und Reportern pilgerten
zum Fernsehstudio. Es schien eine dreifache Win-Situation gegeben.
Ein neuer Moderator, der zu einer willkommenen Traumeinschaltquote
kommt, ein abgewählter Bundesrat, der sich auf der Werbeplattform
für die Einbürgerungsinitiative profilieren kann und Eveline
Widmer-Schlumpf, die ihre Chance nutzen wird, der Oeffentlichkeit
zu zeigen, dass sie eine würdige Bundesrätin ist, obwohl
sie sich persönlich voll und ganz gegen Kernanliegen der eigenen
Partei engagiert. Die Arena hinterliess aber keine eindeutigen
Gewinner. Nichts von Hass-Duell- nichts von Showdown. Dafür gab
die Arena Gelegenheit. die beiden Kontrahenten medienrhetorisch genauer
unter die Lupe zu nehmen. Einige medienrhetorischen Elemente beleuchtend,
stelle ich bei der neuen Bundesrätin fest:
Frau Widmer - Schlumpf war sehr gut vorbereitet. Ihr Eingangsvotum wurde -
gleichsam auswendig gelernt - engagiert, jedoch zu schnell - atemlos -
und zu abstrakt, aber gut strukturiert "heruntergeleiert". Inhaltlich
stimmte wahrscheinlich alles und könnte als Text gebraucht werden.
Doch war den Zuhörern und dem Moderator die Struktur nicht
auf Anhieb klar. Wenige der Worte, wie Grundregeln, Willkür,
Spielregeln, Verfahrenswildwuchs wurden gefestigt. Obschon sie
etwas nervös wirkte (Geschwindigkeit, Hektik), beeindruckte die
Bundesrätin durch ihr Engagement. Die Stimme stimmte für mich
mit ihrer inneren Stimmung überein. Im Mittelteil zeichnete sich
die neue Bundesrätin als gute aufmerksame Zuhörerin aus. Vor
ihrem abgesetzten Pult neben dem Moderator befand sie sich optisch auf
einer Metaebene. Wenn sie zu Wort kam, war ihr Engagement, ihre Kraft ,
ihre Präsenz spürbar . Sie verstand es gut, sich immer wieder
mit klaren Stoppzeichen durchzusetzen.
In der Schlussrunde überzeugte mich Eveline Widmer- Schlumpf
voll und ganz. Auch das Schlussvotum war gewiss trainiert worden. Es
wurde verständlich und einfach formuliert und war inhaltlich gut
nachvollziehbar. Es fehlten die üblichen Substantivsätze. Die
unkomplizierten, gut strukturierten sachlichen Gedanken wurden verankert:
Ich bin gegen Wildwuchs. Ich bin für Spielregeln. Ich bin für
Fair Play im Umgang miteinander!. Nicht nur mit dem nachhaltigen
Schlussvotum überzeugte die Justizministerin. In letzter Zeit
sah ich sie leider oft zögerlich, sie wirkte in jüngsten
Interviews verunsichert, angeschlagen und zu defensiv. Bei ihren Antworten
ärgerte mich beispielsweise, dass sie immer wieder den klassischen
Fehler machte, Vorwürfe und Negatives zu wiederholen: Ich bin keine
Lügnerin. Ich habe die SVP nicht hintergangen".
In der Arena fand ich erfreulicherweise keine derartigen rhetorische Pannen
mehr. In der Argumentation mangelte es bei der Magistratin lediglich an konkreten
Bildern, Beispielen, Geschichten. Fakten und nüchterne Inhalte
bleiben bekanntlich nur im Langzeitgedächtnis haften, wenn sie als
Stimulanz - mit Bildern - gekoppelt werden.
Christoph Blocher auf der Gegenseite hat diese rhetorische Erkenntnis
(Bilder beeinflussen) im Blut. Seit je zog er das Publikum mit seinen
anschaulichen Beispielen in Bann (Vater Blocher war Pfarrer und kannte
die Wirkung der Gleichnisse). Nach seiner Wahl zum Bundesrat hatte
sich Bochers Rhetorik gewandelt. Ich stellte fest: Er trat magistraler
auf. In der jüngsten Arena machte ich eine wichtige Feststellung:
Blochers Rhetorik hat sich schon wieder verändert. Als Redner hat der
Vollblutrhetoriker deutlich nachgelassen. Der Druck, das Engagement
ist zwar noch da (Gestik, Stimme), doch zeigte sich: Blocher leidet
gleichsam unter einem "Überdruck". Seine permanent zu diffusen und
lauten Voten ziehen sich in die Länge. Es gibt immer wieder kleine
Wortfindungsprobleme - Konzentrationsmangel? Er kontrollierte sich
viel schlechter als früher und sprach während der Diskussion
nicht mehr so klar und eindeutig. Wirkt sich das Alter aus? Oder setzt
ihm das Gegenüber psychisch so zu, dass ihr die Gegnerin nicht
gegenüber steht, sondern auf der Ebene des Moderators gleichsam
über ihm steht. Oft lehnte er auf sein Pult, hörte nicht recht
zu, wirkte unbeherrscht, lachte mit dem SVP Partner als würde er den
Gegner auslachen. Er drehte sich immer wieder von seine Kontrahentin ab,
während die Bundesrätin sprach, machte Notizen, als nehme er
die Aussage gar nicht ernst und zeigt ihr konkret die kalte Schulter.
Wenn es um Glaubwürdigkeit geht, gebe ich im Vergleich Blocher/Widmer-
Schlumpf der Bundesrätin bei diesem Arenaauftritt mehr Punkte. Was
nicht heissen will, dass Blocher dafür mit den konkreten Beispielen
hinsichtlich Argumentation doch noch besser überzeugt hat. Die
SVP Beispiele wurden jedenfalls ständig wiederholt.
Zur Disziplinlosigkeit
Diese Arena war einmalig. Die Akteure missachteten die
Gesprächsprinzipien "Zuhören, ausreden lassen". Immer
wieder sprachen mehrere gleichzeitig.Es kam zu oft zu einem verbalen
Durcheinander. Ich habe mit Zuschauern gesprochen, die weggezappt hatten,
weil sie über Strecken nichts mehr verstehen konnten. Als normaler
Medienkonsument wäre ich wahrscheinlich auch ausgestiegen. Moderator
Reto Brennwald griff gezielt und engagiert ein, agierte, ermahnte
immer wieder, stoppte und versuchte als Dompteur, die disziplinlosen
Teilnehmenden zu zügeln. Er griff bei allen ein (kontrollierte die
Redeanteile) und konnte das Chaosschiff dank seines Einsatzes durch die
Wogen manöverieren. Mir kamen die Anwesenden wie eine Schulklasse
vor, die sich nicht an Spielregeln halten will und ihr eigenes Spiel
spielen will. Der Moderator war nicht zu beneiden. Er liess die Zügel
nicht schleifen. Doch die Redner waren kaum zu bändigen. Auch hier
punktete die neue Bundesrätin, weil sie dieses unrühmliche
Spiel nicht mitspielte.
Fazit:
Widmer-Schlumpf hat mit ihrer disziplinierten Art gepunktet.
Gefehlt haben bei ihr ledigllich konkrete Beispiele und
Geschichten. Alt-Bundesrat Blocher hatte überhaupt nichts mehr
bundesrätliches an sich. Mit dem verbalen Zweihänder versuchte
er seine Gegner zu besiegen, wirkte unbeherrscht und zuweilen rang er
um Argumente und Worte.
Diese aussergewöhnliche ARENA entsprach voll und ganz der
Produktionslogik der Medien:
- Personalisierung:
Alles konzentrierte sich auf Christoph Blocher und Eveline Widmer-Schlumpf
- Emotionalisierung:
Es wurde im Vorfeld von Hass-Duell von Schlagabtausch und Rache
geschrieben Gefühle dominierten: Mitleid mit der neuen
Bundesrätin usw.
- Simplifizierung:
Die komplexe Thematik Einbürgerungsinitiative wurde auf Fragen
reduziert, wie: Hat das Volk nichts mehr zu sagen? Steht die Demokratie
über den Menschenrechten?
- Polarisierung:
Im Vorfeld wurde das "Schwarz-Weiss -denken" geschürt.
Differenzierungen und Entgegenkommen war nicht gefragt.
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