NZZ vom 6. September
| Die Geschichte schlug im Wahlherbst wie eine Bombe ein. Sie
könnte das politische Klima enorm beeinflussen. Obschon noch nichts
bewiesen und geklärt ist, erstaunte es uns , dass ungeklärte
Mutmassungen bereits so weitergegeben werden, als handle es sich um
gesicherte Fakten. Für uns wird diese Geschichte von verschiedensten
Seiten bestimmt noch publizistisch ausgeschlachtet werden. Die Gegner
Blochers warten bestimmt in ihren Startlöchern. Eines ist sicher:
Würde Christoph Blocher gelogen haben, so hätte er sich
selbst demontiert. Könnte nachgewiesen werden, dass die Dokumente
ein gezielte Aktion gegen Blocher sind, so würde nachträglich
die SVP profitieren. Jedenfalls ist der Medienwirbel erst der Auftakt
zu einer folgenschweren Geschichte.
Pressespiegel nach "20 Minuten":
Schweizer
Zeitungen nehmen die Komplott-Andeutungen im Bericht der
Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates zur Absetzung
von Bundesanwalt Valentin Roschacher vorsichtig auf.
- Die "NZZ" vermutet, dass die Affaire um den Komplott gegen
Roschacher politisch nicht so schnell ausgestanden sein dürfte. Die seit
Tagen anhaltende Nervosität der Parteispitze zeige, dass die SVP
die Sache ernst nimmt.
- Der "Tagi" und der "Quotidien jurassien" sind überzeugt, dass
der Bericht im Wahlkampf der SVP nützen wird, auch wenn Bundesrat
Blocher schlecht wegkomme. Die Partie könne Blocher nun als Opfer
einer Intrige darstellen und damit die Wählerschaft mobilisieren.
- Auch "Berner Zeitung" und "La Liberté" glauben, dass sich
Christoph Blocher und die SVP darin bestätigt fühlen, dass ein
Geheimplan für die Abwahl Blochers im Dezember bestehe. Für die
"Neue Luzerner Zeitung" ist offen, ob es sich um "Wahlkampfgetöse"
handelt.
- Für den "Bund" ist eine seriöse Diskussion noch nicht
möglich. Die Situation sei spekulativ. Die politische Fairness verbiete es,
die angebliche Verschwörung in die Erwägungen einzubeziehen,
ob Blocher im Dezember wieder gewählt werden soll. Sollte es
aber handfeste Beweise dafür geben, dass Blocher sein Amt als
Justizminister tatsächlich missbraucht habe, müsse er
zurücktreten
- Der "Blick" wirft die Frage auf, ob das Roschacher-Komplott ein
Justizskandal ist, der Blocher den Kopf kosten wird. Es stehe Aussage
gegen Aussage. Das seien gefährliche Machtspiele, schreibt der
Kommentator der "Basler Zeitung". Die Wahrheit müsse auf den Tisch,
und zwar noch vor der Bundesratswahl am 12. Dezember.
- Für die "Thurgauer Zeitung" tönen die Beschuldigungen
im Bericht der GPK zwar abenteuerlich aber nicht unplausibel.
"Die Umstände von Roschachers Rücktritt liessen durchaus ein
Drehbuch im Hintergrund vermuten", heisst es in einem Kommentar.
- Die "Südostschweiz" sieht in den Ereignissen vom Mittwoch
"Eigendynamiken, die sonst nur in munteren Operetten aufzutreten
pflegen". Die GPK müsse ihre Andeutungen zum Komplott so
schnell wie möglich ausdeutschen. Sonst werde vor den Wahlen ein
"unsägliches Parteien-Hickhack" die Szene beherrschen.
- Für die "Mittelland Zeitung" beweist der Entscheid des
Bundesrates, einen unabhängigen Rechtsberater einzusetzen, wie
ernst die Landesregierung den GPK-Bericht nehme.
- Die "24 Heures" fühlt sich an die Koppaffaire erinnert. Falls
Blocher sich tatsächlich in Justizfälle eingemischt habe, "wird
die Schweiz eine neue Affäre Kopp erleben" - nur "noch schlimmer,
denn der Minister wird seine Beteiligung bis zum Schluss geleugnet haben".
- Für den "Nouvelliste" ist bei dieser "Staatsaffäre" wie
einst bei der "Affäre Kopp" zu befürchten, dass sie der Kontrolle
der vernünftigen Politiker entwischt und zu einem gefunden Fressen
für die Medien wird.
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