Tour der Hoffnung?
Hoffnung zu einer Erneuerung des Radsportes gibt es, falls
die Kontrollen künftig flächendeckend und professionell
durchgeführt würden und die Vergehen Konsequenzen haben.
Schöne Worte und Pseudomossnahmen nützen nichts, wenn nicht
- der Radweltverband UCI die Verantwortung voll und ganz übernimmt,
- Ärzte, Rennleiter und Fahrer, die mit Doping in Verbindung stehen
nicht mehr zugelassen werden,
- die Kontrollen mit unabhängigen und fähigen Instanzen
zusammenarbeiten,
- konsequent und rasch gehandelt wird, falls ein Sportler die Spielregel
nicht einhält. (Ramussen hätte wegen der verpassten
Trainingskontrollen nicht zur Tour antreten dürfen),
- die Sponsoren ihre Gelder entziehen, falls es zu Dopingfällen kommt,
- die Fahrer die Hälfe der Einkünfte auf ein Sperrkonto
einzahlen, das im Falle eines Vergehens beschlagnahmt werden könnte,
- die Zuschauer auch ein Zeichen setzen und bei Radsportveranstaltungen
fernbleiben, die mit Dopingfällen verseucht sind,
- die elektronischen Medien bei jedem Dopingfall einen Drittel weniger
Übertragungsrechte zahlen müssten.
Es heisst immer wieder, die ganze Problematik wäre gelöst,
wenn wir das Doping generell zulassen würden. Das stimmt. Doch
gilt zu bedenken: Wer dann kein Doping konsumiert, ist der Geprellte,
er hat keine Chance zu gewinnen und damit kommt er nicht ans grosse
Geld. Man müsste zulassen, dass sich die Sportler gesundheitlich
schädigen.
Die Werbekunden haben schon reagiert: nachdem die ARD und ZDF aus der
Tour ausgestiegen ist, ist die Sat.1 eingesprungen. Die Werbekunden
aber bleiben fern. Die Sorge der Unternehmen ist, dass der
dopingverseuchte Sport sich negativ aufs Image abfärben könnte.
Doping dreht also den Geldhahn ab.
Ob das funktioniert ist nicht klar. In einem
Interview mit Swissinfo meint
Alessandro Donati, der Berater der Welt Anti-Doping-Agentur WADA,
dass Doping bei Ben Johnson in Seoul sogar den Sponsoren Gewinn gesteigert hat:
swissinfo: Noch bevor die Tour de France zu Ende ist, sagen Sie, dass der
Sieger nicht sauber sein werde. Was veranlasst Sie zu dieser Vermutung?
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Alessandro Donati: Praktisch alle gegenwärtigen Sportdirektoren
sind Ex-Radrennfahrer, die die Dopingzeiten voll miterlebt haben. Es
besteht also eine absolute Kontinuität.
Die verschiedenen Mannschaften wahren bezüglich Doping strengste
Zurückhaltung. Aus Angst, dass sich die Gegner weiter dopen, wagt
keiner damit aufzuhören.
Die Profi-Radrennfahrer, die sich seit Jahren dopen, kennen ihre eigenen
Grenzen gar nicht mehr. Und sie wissen nicht, wie sich ein Doping-Verzicht
physisch und psychologisch auswirken würde.
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swissinfo: Verschiedene deutsche Fernsehsender sowie die Schweizer
Tageszeitung Le Nouvelliste haben nach dem Fall Sinkewitz entschieden,
nicht mehr über die Tour de France zu berichten. Finden Sie diesen
Entscheid richtig?
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Alessandro Donati: Ja, sicher. Die Medien, die am Radrennsport hängen, müssen
klar Stellung beziehen. Dieser Entscheid hat auch etwas mit Selbstkritik
zu tun. Die Medien sind sich bewusst geworden, dass sie zu lange einem
gefährlichen Spektakel viel Platz eingeräumt haben.
Krebsen die Medien zurück, ist die Sportwelt verloren. Und die
Politiker werden gezwungen, Position zu beziehen.
Man darf auch nicht vergessen, dass ein Übertragungs-Stopp der
Fernsehsender, den kommerziellen Erfolg der Tour de France mindert und
den Druck auf die Sponsoren erhöht.
Die Sponsoren haben gemerkt, dass Doping-Skandale nicht unbedingt
mit wirtschaftlichen Einbussen verbunden sind. Als Ben Johnson an der
Olympiade in Seoul 1988 in einen Doping-Skandal verwickelt war, hat sein
Sponsor den Gewinn sogar noch gesteigert.
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swissinfo: An was fehlt es, um effizient gegen Doping vorzugehen?
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Alessandro Donati: Dem Anti-Doping-Gesetz fehlt vor allem eines: die Unterstützung
der Regierungen und des Rechtssystems. Die politischen Führer haben
den Spitzensport immer umworben, aber nie eingegriffen. Im Gegenteil:
Sie haben die gesamte Verantwortung dem Sportbetrieb abgegeben.
Dieser wollte das Doping-Problem jedoch nur etwas eindämmen. Aber
es wurde nie versucht, den Rückstand von rund 10 bis 15 Jahren
aufzuholen, den die Antidoping-Bewegung gegenüber neuen Dopingmitteln
hat.
Ich bin der Meinung, dass man eine Art digitalen Gesundheitspass
einführen sollte, auf dem die Resultate der periodischen
Überprüfungen und Analysen abrufbar sind. Sind die
physiologischen Parameter während einer Kontrolle abweichend,
muss der Athlet aussetzen, bis die Werte wieder auf normalem Niveau sind.
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swissinfo: Welche Rolle spielen die grossen Organe wie der internationale
Radsport-Verband (UCI), das Olympische Komitee (IOC) oder die WADA?
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Alessandro Donati: Der UCI und das IOC sind zu sehr vom wirtschaftlichen Aspekt des
Sports eingenommen. Die ethische Frage rückt in den Hintergrund. Die
WADA hingegen ist auf dem rechten Weg, aber sie ist noch etwas schwach,
denn als privates Organ ist der Dialog mit öffentlichen Stellen
schwierig.
Bis jetzt hat sie sich auf die Doping-Bekämpfung als einzige
Lösung des Problems gestützt. Nun werden aber auch alternative
Lösungen geprüft, wie etwa der medizinische Pass.
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swissinfo: Sie sagen, die Schweiz stehe wie bei der Geldwäscherei
auch beim Geschäft mit Doping-Produkten im Zentrum. Können
Sie das erläutern?
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Alessandro Donati: Die Schweiz spielt diesbezüglich eine wichtige, aber auch
sehr negative Rolle. Früher war es mehr als einfach, zu diesen
illegalen Produkten zu kommen: Sie wurden in den Apotheken frei verkauft.
Heute sind in erster Linie Länder in Osteuropa sowie Griechenland,
Spanien, Holland und Deutschland in den Doping-Markt involviert. Einige
Länder - darunter Frankreich, Italien und Österreich - haben
inzwischen ein Anti-Doping-Gesetz eingeführt. Es ist an der Zeit,
dass die Schweiz mitzieht.
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