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www.rhetorik.ch aktuell: (27. Jul, 2007)

Tour der Schande

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Sinkewitz : Beim "T-Mobile" Fahrer Patrik Sinkewitz wird Anfangs Juli beim Training in den Pyrenäen eine Urin- und Blutprobe genommen. Während der Tour wird bekannt, dass die A-Probe positiv ist. Sinkewitz beantragt die Öffnung der B-Probe. Winokurov : Der Russe Alexander Winokurov vom Schweizer "Astana" Team wurde positiv auf Fremdbluttransfusion getestet. Das Astana Team ist raus aus der Tour der France.
Moreni : Der Italiener Cristian Moreni vom Cofidis-Team wurde als Testosteron-Doper entlarvt. Die Cofidis Mannschaft verabschiedete sich darauf von der Tour. Moreni wurde von der französischen Polizei gleich nach der 16. Etappe abgeführt. Nach der 11. Tour-Etappe war ein Urintest durchgeführt worden, bei dem erhöhte Testosteronwert festgestellt wurden. Rasmussen : Am 25. Juli musste der im gelben Trikot fahrende Däne Michael Rasmussen die Tour verlassen. Die Sponsoren seines Teams "Rabobank" haben ihn gefeuert. Rasmussen habe internen Regeln des Rennstalls verletzt.
20 Minuten. Kommentare zur Rasmussen Geschichte. Bemerkenswert ist die Waschmaschine allegorie von Rudolf Scharping.
Rasmussen habe internen Regeln des Rennstalls verletzt. Als Grund wurden "unkorrekte" Informationen angegeben die Rasmussen dem Sportdirektor gegeben habe. Rasmusen hatte Doping-Tests entgangen indem er seinen Aufenthalt nicht korrekt angegeben hatte.
Der Pressesprecher von "Rabobank" Bergsma stellt sich der Presse.

Tour der Hoffnung?

Hoffnung zu einer Erneuerung des Radsportes gibt es, falls die Kontrollen künftig flächendeckend und professionell durchgeführt würden und die Vergehen Konsequenzen haben. Schöne Worte und Pseudomossnahmen nützen nichts, wenn nicht
  • der Radweltverband UCI die Verantwortung voll und ganz übernimmt,
  • Ärzte, Rennleiter und Fahrer, die mit Doping in Verbindung stehen nicht mehr zugelassen werden,
  • die Kontrollen mit unabhängigen und fähigen Instanzen zusammenarbeiten,
  • konsequent und rasch gehandelt wird, falls ein Sportler die Spielregel nicht einhält. (Ramussen hätte wegen der verpassten Trainingskontrollen nicht zur Tour antreten dürfen),
  • die Sponsoren ihre Gelder entziehen, falls es zu Dopingfällen kommt,
  • die Fahrer die Hälfe der Einkünfte auf ein Sperrkonto einzahlen, das im Falle eines Vergehens beschlagnahmt werden könnte,
  • die Zuschauer auch ein Zeichen setzen und bei Radsportveranstaltungen fernbleiben, die mit Dopingfällen verseucht sind,
  • die elektronischen Medien bei jedem Dopingfall einen Drittel weniger Übertragungsrechte zahlen müssten.
Es heisst immer wieder, die ganze Problematik wäre gelöst, wenn wir das Doping generell zulassen würden. Das stimmt. Doch gilt zu bedenken: Wer dann kein Doping konsumiert, ist der Geprellte, er hat keine Chance zu gewinnen und damit kommt er nicht ans grosse Geld. Man müsste zulassen, dass sich die Sportler gesundheitlich schädigen.

Die Werbekunden haben schon reagiert: nachdem die ARD und ZDF aus der Tour ausgestiegen ist, ist die Sat.1 eingesprungen. Die Werbekunden aber bleiben fern. Die Sorge der Unternehmen ist, dass der dopingverseuchte Sport sich negativ aufs Image abfärben könnte. Doping dreht also den Geldhahn ab.

Ob das funktioniert ist nicht klar. In einem Interview mit Swissinfo meint Alessandro Donati, der Berater der Welt Anti-Doping-Agentur WADA, dass Doping bei Ben Johnson in Seoul sogar den Sponsoren Gewinn gesteigert hat:

swissinfo: Noch bevor die Tour de France zu Ende ist, sagen Sie, dass der Sieger nicht sauber sein werde. Was veranlasst Sie zu dieser Vermutung? Alessandro Donati: Praktisch alle gegenwärtigen Sportdirektoren sind Ex-Radrennfahrer, die die Dopingzeiten voll miterlebt haben. Es besteht also eine absolute Kontinuität. Die verschiedenen Mannschaften wahren bezüglich Doping strengste Zurückhaltung. Aus Angst, dass sich die Gegner weiter dopen, wagt keiner damit aufzuhören. Die Profi-Radrennfahrer, die sich seit Jahren dopen, kennen ihre eigenen Grenzen gar nicht mehr. Und sie wissen nicht, wie sich ein Doping-Verzicht physisch und psychologisch auswirken würde.
swissinfo: Verschiedene deutsche Fernsehsender sowie die Schweizer Tageszeitung Le Nouvelliste haben nach dem Fall Sinkewitz entschieden, nicht mehr über die Tour de France zu berichten. Finden Sie diesen Entscheid richtig? Alessandro Donati: Ja, sicher. Die Medien, die am Radrennsport hängen, müssen klar Stellung beziehen. Dieser Entscheid hat auch etwas mit Selbstkritik zu tun. Die Medien sind sich bewusst geworden, dass sie zu lange einem gefährlichen Spektakel viel Platz eingeräumt haben. Krebsen die Medien zurück, ist die Sportwelt verloren. Und die Politiker werden gezwungen, Position zu beziehen. Man darf auch nicht vergessen, dass ein Übertragungs-Stopp der Fernsehsender, den kommerziellen Erfolg der Tour de France mindert und den Druck auf die Sponsoren erhöht. Die Sponsoren haben gemerkt, dass Doping-Skandale nicht unbedingt mit wirtschaftlichen Einbussen verbunden sind. Als Ben Johnson an der Olympiade in Seoul 1988 in einen Doping-Skandal verwickelt war, hat sein Sponsor den Gewinn sogar noch gesteigert.
swissinfo: An was fehlt es, um effizient gegen Doping vorzugehen? Alessandro Donati: Dem Anti-Doping-Gesetz fehlt vor allem eines: die Unterstützung der Regierungen und des Rechtssystems. Die politischen Führer haben den Spitzensport immer umworben, aber nie eingegriffen. Im Gegenteil: Sie haben die gesamte Verantwortung dem Sportbetrieb abgegeben. Dieser wollte das Doping-Problem jedoch nur etwas eindämmen. Aber es wurde nie versucht, den Rückstand von rund 10 bis 15 Jahren aufzuholen, den die Antidoping-Bewegung gegenüber neuen Dopingmitteln hat. Ich bin der Meinung, dass man eine Art digitalen Gesundheitspass einführen sollte, auf dem die Resultate der periodischen Überprüfungen und Analysen abrufbar sind. Sind die physiologischen Parameter während einer Kontrolle abweichend, muss der Athlet aussetzen, bis die Werte wieder auf normalem Niveau sind.
swissinfo: Welche Rolle spielen die grossen Organe wie der internationale Radsport-Verband (UCI), das Olympische Komitee (IOC) oder die WADA? Alessandro Donati: Der UCI und das IOC sind zu sehr vom wirtschaftlichen Aspekt des Sports eingenommen. Die ethische Frage rückt in den Hintergrund. Die WADA hingegen ist auf dem rechten Weg, aber sie ist noch etwas schwach, denn als privates Organ ist der Dialog mit öffentlichen Stellen schwierig. Bis jetzt hat sie sich auf die Doping-Bekämpfung als einzige Lösung des Problems gestützt. Nun werden aber auch alternative Lösungen geprüft, wie etwa der medizinische Pass.
swissinfo: Sie sagen, die Schweiz stehe wie bei der Geldwäscherei auch beim Geschäft mit Doping-Produkten im Zentrum. Können Sie das erläutern? Alessandro Donati: Die Schweiz spielt diesbezüglich eine wichtige, aber auch sehr negative Rolle. Früher war es mehr als einfach, zu diesen illegalen Produkten zu kommen: Sie wurden in den Apotheken frei verkauft. Heute sind in erster Linie Länder in Osteuropa sowie Griechenland, Spanien, Holland und Deutschland in den Doping-Markt involviert. Einige Länder - darunter Frankreich, Italien und Österreich - haben inzwischen ein Anti-Doping-Gesetz eingeführt. Es ist an der Zeit, dass die Schweiz mitzieht.




Nachtrag vom 30. Juli, 2007: Weiterer Tour-Fahrer positiv getestet

Einen Tag nach dem Ende der Tour de France ist ein weiterer prominenter Dopingfall bekannt geworden: Der spanische Bergspezialist Iban Mayo ist gemäss der Sportzeitung "L'Equipe" während der Tour de France positiv auf EPO getestet worden.


Nachtrag vom 8. August, 2007: Kaschetschkin auch gedopt

Auch bei Andrej Kaschetschkin aus dem "Astana" Team ist nun Blutdoping nachgewiesen worden. Damit sind in der kasachischen Mannschaft zwei der drei Topfahrer als Dopingbetrüger entlarvt.

Quelle



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