Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy
duellierten sich in einer einer zweieinhalb stündigen TV-Debatte vor Mikrofon und Kamera.
20 Millionen Zuschauer sahen das Duell. Das ist ein Publikum wie bei einem Fussball
Finalspiel. Ex-Präsident Valéry Giscard d'Estaing
hatte vom "Höhepunkt der Kampagne" gesprochen. Er selbst hatte in der ersten
TV-Debatte in Frankreich 1974 die entscheidenden Punkte für seinen
Wahlsieg gegen Francois Mitterrand geholt. Nach Umfragen lag Royal vor
dem Duell immer noch knapp hinter Sarkozy zurück.
Die beiden sitzen an einem runden Tisch, zwei Meter von einander getrennt.
Nicht an einem Stehpult, wie es Sarkozy geschätzt hätte.
Das Los hatte entschieden, dass Royal auf der linken Seite sitzt.
Das Duell ist für Sarkozy eine grosse Herausforderung.
Auf Korsika soll sich der 52-Jährige gezielt auf das Duell vorbereitet
haben. Seinem Trainingsteam gehörten auch vier Frauen an, um den
Schlagabtausch mit weiblichen Partnern zu trainieren.
Es war sofort spürbar, dass sich beide Kontrahenten gut vorbereitet
haben. Beide trugen dunkle Kleidungen und sassen sich korrekt und gut
trainiert "mediengerecht" gegenüber. Ségolène Royal
sass überzeugend da und nahm ständig Blickkontakt mit dem Gegner
auf. Sowohl Haltung und Gestik als auch die Stimme überzeugten. Sie
wirkte über weite Strecken kompetent und engagiert. Wahrscheinlich
wurde ihr angeraten, Sarkozy hart anzugreifen und offensiv ins
Streitgespräch hineinzugehen. Sofort ging sie auf den Gegner los und
nutzte die Fragetechnik. Das belebte zwar den Dialog, doch übertrieb
sie zu oft mit lästigen Unterbrechungen und verlor damit bestimmt
Bonuspunkte. Die angriffige Art wirkte für mich antrainiert und
dadurch unglaubwürdig. Bei früheren Auftritten hatten wir schon
festgestellt, dass Royal lieber Fragen stellt als eindeutige Aussagen
macht. Auch Sarkozy hatte sehr wahrscheinlich Anweisungen bekommen, ruhig
zu bleiben und die Nerven nicht zu verlieren. Die Unterbrechungen konnten
ihn nicht irritieren. Er konterte als zahmer Macho.
Erst im zweiten Teil
übernahm er selbst die Destabilisierungstechnik des Unterbrechens. Er versuchte es auch mit
Unterbrechungen und gezielten Gegenfragen. Wenn er gestört wurde,
bat er jedoch Madame ruhig und "bewusst?" in freundlichem Ton, ihn doch
antworten zu lassen. Bei Sarkosy hatte ich oft das Gefühl, dass
er nicht immer völlig präsent war. Während Royal sprach,
spielte er zu oft mit dem Stift. Dies signalisierte Nervosität. Im
Gegensatz zu Royal, suchte er mit den Augen - während des Sprechens -
immer wieder den Kontakt mit dem Journalistenpaar. Sarkozys angemessene
Gestik unterstützte ebenfalls seine Aussagen. Mich störte es
nur, wenn er mit dem Zeigefinger gegen die Duellantin zeigte, als wollte
er sie abschiessen oder wenn er sich zu stark nach vorne neigte. Dies
wirkte zu aggressiv. Es gab Passagen, da sprachen beide durcheinander.
Der Moderator musste dann eingreifen. Das Bemühen, überlegen und
in angemessenem Tempo mit freundlicher Stimme (im Kammerton) zu sprechen
war offensichtlich. Die Emotionen, das Engagement fehlte dennoch nicht.
Analyse während des Duells:
Für uns ist es schwierig, eine Siegerin oder einen Sieger nach Punkten
auszumachen. Beide agierten rhetorisch geschickt. Richtig überzeugt
hat uns niemand. Es war ein Duell, bei dem es nicht nur um rechts oder
links ging. Es kämpfte ein Manager - mit ich-Aussagen - der
mit einem Schachspiel - gegen eine Landesmutter - die mit wir-
Aussagen - einen Boxmatch gewinnen wollte.
Beide haben sicherlich ihre eigene Wählerschaft überzeugt. Es
ist nach unserer Meinung sinnlos, in diesem Duell nach einem Gewinner
zu fragen. Dank Training haben beide ihre Klischees erfolgreich
überwunden. Ségolène Royal musste kompetent wirken
und Nicolas Sarkozy durfte nicht ausrasten - das ist beiden gelungen.
Spannend wird es zu sehen, in welches Lager die Unentschlossenen gehen.
Das Rennen bleibt offen.
Nachtrag vom 5. Mai, 2007: Sarkozy bleibt Favorit:
Auch nach der Fernsehdebatte
ist Sarkozy Favorit für die Wahl.
Die internationale Presse beschreibt das Rede-Duell zwischen
Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal als harten
Schlagabtausch. Generelle Meinung: Gewonnen haben beide Kandidaten.
Einige Reaktionen:
"Libération" "Ségolène Royal hat bewiesen,
dass sie in der Lage ist, Präsidentin der Republik zu werden. War
Sarkozy schlecht? Im Gegenteil: Doch trotz seiner ganzen Willenskraft
hat der imperiale Führer der Rechten seine Rivalin doch nicht
beherrscht".
"Le Figaro": "Nicolas Sarkozy hat sich, präzise und
selbstsicher, nicht zu einem Übermass an Selbstzufriedenheit
hinreissen lassen, was noch alles hätte umreissen können".
"El Mundo": "Sie setzte Sarkozy mächtig unter Druck,
griff ihn pausenlos an und versetzte ihm so manchen Fusstritt. Doch der
Kandidat der Konservativen gewann das Duell, weil er sich als Staatsmann
positionierte."
"Corriere della Sera": "Es war die letzte Prüfung, vielleicht
die wichtigste. Und auch dieses Mal hat Ségolène Royal
die Prüfung bestanden."
"Spiegel": "Er gab sich mal bissig, mal galant, sie mal
giftig und wieder höflich kühl. Ein harter Schlagabtausch
ohne technischen K.o. Sarkozy spricht sogar davon, dass Madame die
Boxhandschuhe rausholt".
Politik-Kommentatorin Anita Hausser von LCI TV:
"Ich denke nicht, dass einer der beiden das jeweils andere Lager
überzeugen konnte"
Beide hätten in erster Linie ihre jeweils eigene
Wählerschaft erreicht.
Der in Frankreich bekannte Wahlexperte Christophe Barbier
vom Nachrichtenmagazin "L'Express" meinte, es habe zwei Gewinner gegeben,
Keiner der Kandidaten sei dem anderen in die Falle gegangen. Sarkozy
habe sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und Royal habe es geschafft,
nicht inkompetent rüber zu kommen.
Erste Umfragen zeigten, dass bei der Wahl
Sarkozy die Nase vorne haben dürfte. Er ist beim TV-Duell
seiner Favoritenrolle offenbar gerecht geworden. Laut einer ersten
Umfrage des Instituts Opinionway und des Nachrichtensenders LCI
erschien der bürgerliche Kandidat einer Mehrheit der Befragten
glaubwürdiger als Royal. 53 Prozent gaben an, Sarkozy sei am Vorabend
"überzeugender" aufgetreten, nur 31 Prozent sagten das von Royal.
Nachdem 3/4 der Stimmen gezählt worden sind, scheint
Sakozy die Wahl mit 53 % und einer Stimmbeteiligung von 85 zu
gewinnen.
Nachtrag vom 13. Mai, 2007:
nach dem Wahlsieg ruhte sich Sarkozy auf der
60 Meter langen Yacht des Milliardärs Vincent Bolloré
aus. An Kritik mangelte es nicht. Patrick Menucci, ein früherer
Berater von Royal meinte, das sei ein schlechtes Signal für ein Land, wo
53 Prozent weniger als 800 Euro pro Monat verdienten.
Nachtrag vom 19. Mai, 2007:
Geschickter als mit seinen Ferien hat sich Sarkozy bei der Kabinettsbildung verhalten.
Sarkozy hat die Regierung für Linke und Liberale geöffnet.
Dieser Coup hat die Opposition verwirrt.