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www.rhetorik.ch aktuell: (25. Apr, 2007)

Der Bundesrat als Sündenbock

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
"10 vor 10" Sendung vom 25. April 2007
Nach der Wahlniederlage in Zürich übte Micheline Calmy-Rey harte Kritik an ihrer Partei. Auf gewisse Fragen, die die Bevölkerung beschäftigten, gebe ihre Partei "zögerliche oder unsichere Antworten". Zu diesen Problemen gehörten etwa Jugendgewalt, Probleme an Schulen, das Zusammenleben mit Ausländern und der Missbrauch des Sozialstaats, sagte Calmy-Rey in einem Interview mit der "SonntagsZeitung". Die Schweizerinnen und Schweizer erwarteten klare Antworten und wollten wissen, wo die SP in diesen Fragen steht. Sie habe ausserdem den Eindruck, dass die Entscheide der Partei respektive der Delegiertenversammlungen sich nicht immer auf der Basis abgestützt. seien. Man müsse sich fragen, ob die Basis genügend in die Entscheidungsprozesse integriert sei. Als Beispiel dafür nannte Calmy-Rey die Initiative für eine Einheitskrankenkasse. Diese sei in der Deutschschweiz kaum mitgetragen worden.


Calmy-Reys Kritik vom Wochenende stiess der SP sauer auf. SP Nationalrat Andre Daguet erwartet von SP-Bundesräten mehr Parteitreue. Auch Moritz Leuenberger müsse sich Gedanken über seinen Rücktritt machen:

"Manchmal habe ich den Eindruck, dass die vielen hängigen Dossiers unserem Energie- und Verkehrsminister zu viel geworden sind - vor allem, wenn auch noch die SP Druck macht", sagte Daguet in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Interview des Nachrichtenmagazins "Facts" weiter.


Daguet erwarte von den SP-Bundesräten mehr. Es sei nicht hilfreich für die Partei, wenn Moritz Leuenberger laut über das Rentenalter 67 nachdenke oder den Bau von Kernkraftwerken in Betracht ziehe.

Bundesrat Moritz Leuenberger meinte in einem "10 vor 10" Interview im Schweizer Fernsehens zu den Verlautbarungen Daguets, dass die Gemüter nach der Wahlniederlage der SP im Kanton Zürich verständlicherweise erregt waren und eine falsche Reaktion seien:

"Eine klassische Reaktion ist halt dann, die Schuld bei anderen zu suchen."


Kommentar: Wer sich mit Phänomenen der Psychologie befasst, der weiss, dass die meisten Menschen Sündenböcke suchen. Die Schuldzuweisung von frustrierten Politikern ist ein verständliches Verhalten. Tatsächlich ist es falsch, wenn man nach Sündenböcken sucht, anstatt analysiert, was man selbst falsch gemacht hat.

Bundesrat Leuenberger äusserte sich im "10 vor 10" bedacht, klug und geschickt. Was wir immer wieder feststellen: Wenn er kritisiert wird, formuliert er präzis und gut verständlich, ohne falsche rhythmische Akzente. Er berichtigte im "10 vor 10" mit ruhigen Worten, dass er nicht für die Pensionierung mit 67 Jahren gewesen sei. Doch sei der Bundesrat verpflichtet, alle Optionen zu prüfen.

Am Schluss appellierte er noch an seine Partei, sich innerhalb der SP-Fraktion zusammenzuraufen.

"Ich habe diese Partei sehr nötig",


ergänzte der Verkehrsminister. Er könne die wichtigern Geschäfte seines Departements nur mit einer starken SP-Fraktion durchbringen. Dieser wohlwollende Appell wirkte weise und vermittelnd. Rhetorisch hat uns Bundesrat Leuenberger bei diesem Votum überzeugt. Seine Aussage demonstriert auch das Harvard Konzept: Er zeigte Verständnis für seine Kritiker, war aber mit deren Aussage nicht einverstanden.

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