- Der "Spiegel" findet:
"Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen Harald Schmidt und
Sabine Christiansen. Harald Schmidt wurde schmerzlich vermisst. Sein
blitzschneller Abgang wurde von wahren Feuilleton-Fanfaren begleitet,
Heiligsprechung inklusive. Die ist bei Sabine Christiansen nicht zu
befürchten. Sie will noch ein ganzes Jahr weitermachen. Damit droht
ihr die Gefahr, zu einer "lame duck" zu werden, zu einer lahmen Ente der
politischen Talkshow. (...) Ironie der Geschichte: Jahr ein, Jahr aus
bildete das sonntägliche Seminar bei "Sabine Christiansen" eine Art
altgriechischen Trauerchor am deutschen Seinsabgrund; die Philharmonie
der deutschen Jammerkultur, in der man sich so schön eingerichtet
hatte - und gerade jetzt, da sich Deutschland in einem lange nicht
erlebten Stimmungshoch befindet, kündigt die TV-Kassandra ihren
Rückzug an. (...) Leider hat Sabine Christiansen der Versuchung
nicht widerstanden, aus ihrer zunächst gar nicht so politischen
Gesprächsrunde - zu Beginn 1997 war eher von anspruchsvoller
Unterhaltung die Rede - einen Gottesdienst der politischen Klasse zu
machen mit ihr als einsam thronender Hohepriesterin, profaner: eine
VIP-Lounge als televisionäres Ersatzparlament." (...)
Und wenn ein unerbetener Rat erlaubt wäre: Sabine Christiansen
sollte gleich aufhören, hier und jetzt. Es wäre ein Segen
für alle Beteiligten.
- Die "Zeit" schreibt in einem Artikel "Politik als Rauschen":
Dass die Sendung ein solcher Erfolg wurde und viele Politiker regelrecht
danach gieren, dort eingeladen zu werden, hat nun allerdings wenig mit
dem Konzept oder der Moderatorin zu tun. Sie versammelt regelmässig
eine irgendwie immer wieder gleiche Runde bekannter Politik- und
Parteigrössen, Wirtschaftsfürsten und selbst erklärter
Quer- und Vordenker, die ihre meist wenig originellen Sprechbausteine
absondern. Das Thema ist normalerweise wenig überraschend -
sozusagen das politische Quotenpartythema der Woche. An diesem
Sonntagabend etwa geht es um Der totale Kick! Chancen und Risiken
der Fussball-WM. Zu Gast sind unter anderem Innenminister Wolfgang
Schäuble, WM-Kulturkoordinator André Heller, ein Berater
des WM-Organisationskomitees und EnBW-Chef Utz Claassen. Da kann man
sich schon ungefähr denken, was sie sagen werden.
Ein echtes Gespräch kommt, anders als es die Idee einer Talksendung
eigentlich verspricht, selten zustande. Das liegt im wesentlich an der
Gesprächsführung der Ex-Stewardess Sabine Christiansen: Als
reine Stichwortgeberin verteilt sie die Wortmeldungen und unterbricht
regelmässig immer dann die Diskutanten, wenn es interessant und
lebhaft zu werden verspricht. So spiegelt die Sendung einen Trend
wieder, der schon länger zu beobachten ist, den sie aber anders
als Kritiker ihr vorwerfen nicht selber geschaffen, sondern nur auf die
Spitze getrieben hat: die Verflachung der politischen Diskussionskultur.
- "Focus":
"Dass die Diskutanten oft keine neuen Einfälle mit in den Polit-Talk
bringen, vertuscht eine geschickte Kamera-Regie. Erfolgt im richtigen
Moment der Zoom auf ein zitterndes Nasenhaar oder einen zuckenden
Mundwinkel, geraten Argumente schnell zur Nebensache. Mit der Zeit
verloren die Inszenierungen der Christiansen-Macher ihren Reiz,
zuletzt litt die ARD-Talkshow unter sinkenden Quoten. Neben einem
Sättigungseffekt liegt das aber auch daran, dass durch die grosse
Koalition politische Konfliktthemen und damit streitbare Gäste
rarer wurden."
Ein "Focus" Leser schreibt:
"Man sollte sie, Frau Christiansen, nicht gar so schlecht machen.
Schliesslich wurde die Sendung
jahrelang für gut befunden. Es ist klar, dass sich Moderatoren
und Sendungen ab- nutzen. Mal sehen ob es Herr Jauch besser macht,
denn auch er wird sich abnutzen.
- "Sueddeutsche":
"Sabine Christiansen ist eine Institution des gepflegten Talks. Ihr
sonntägliches Kaminfeuer im Ersten halten Manche für kaum
weniger bedeutend für das politische Geschehen der Republik als
das Agieren der Politiker.
Sabine Christiansen garantierte soetwas wie Stabilität im politisch
bewegten Leben der Hauptstadt. Regierungen mochten wechseln. Ihre
Talkrunde blieb - und der Grossteil ihrer Gäste auch. Ganz
gleich, ob sie nun gerade in Regierungsämtern weilten oder in der
Oppositionsfron darbten. Ob Kosovo-Krieg, Spenden-Affäre, Hartz-IV
oder vorgezogene Neuwahlen: Was immer sich in einer Woche als Generalthema
herauskristallisierte - Bei Christiansen landete es am Sonntagabend in
der Sendung und wurde noch einmal besprochen.
- "Frankfurter Allgemeine":
"Was bedeutet die gängige Rede von der Mediendemokratie? In
den kontinuierlich erhobenen Einschaltquoten artikuliert sich der
Souverän unverfälscht, während die sporadisch ermittelten
Wahlergebnisse natürlich, wie die Medien verkünden, immer schon
von den Medien manipuliert sind. So konnte man sich nicht mehr vorstellen,
dass man eine Sendung, deren Zuspruch mit etwa vier Millionen Zuschauern
stabil ist und bestenfalls ähnlichen Schwankungen unterliegt wie
der Kirchgang, absetzen kann.
Für diesen politischen Willensakt bedurfte es der Phantasie. Die
Intendanten der ARD hatten diese Phantasie, als sie den Beschluss
fassten, Sabine Christiansen spätestens am 1. Oktober 2007 durch
eine von Günther Jauch moderierte Gesprächsrunde zu ersetzen
(siehe auch: Christiansens Bühne schliesst - Vorhang auf für
Jauch). Politik, und wenn es nur Programmpolitik ist, verlangt den Mut,
sich von den Zahlen, in denen die Zustimmung des Publikums gemessen wird,
unabhängig zu machen.
Am 24. Juni: "Was wird aus Deutschland ohne 'Sabine Christiansen'? Es waren die
Politiker selbst, die als Hauptakteure der Christiansen-Bühne die
Gemeinplätze von den unaufschiebbaren Reformen herunterleierten und
durch ihre Rückkehr am nächsten Sonntag unter Beweis stellten,
dass schon wieder nichts geschehen war. Indem Frau Christiansen von
vornherein jeden Gesprächsfaden zerschnitt, liess sie den Gedanken
gar nicht erst zu, dass es auch Probleme geben könnte, die bei
geduldiger Beratung zu erledigen wären."
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