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www.rhetorik.ch aktuell: (22. Mai, 2006)

Hardrock Hallelujah



Beim Eurovision Grand Prix der besten Schlager, Songs und Balladen räumte am 20. Mai ein "Anti-Song" ab. Nach "Bild" wurde die heile Sangeswelt kräftig erschüttert als die Rockband "Lordi" aus Finnland mit ihrem Song "Hallelujah" den Wettbewerb gewannen. Kein Schlager- oder Popsong gewann, sondern ein relativ atonaler Metal-Hammer-Beitrag wurde zum Sieger erkoren. Die Monster-Rocker aus Skandinavien holten sich 292 Punkte und lagen damit 44 Punkte vor dem zweitplatzierten Russland. Das war ein neuer Punkterekord für diesen Wettbewerb und gab keine Zweifel am Sieger.
Mit furchterregenden Monsterkostümen gelang es der Band, ein Millionenpublikum in den Bann zu ziehen und die Jury für sich zu gewinnen. Sänger Lordi stampfte, schrie, grunzte. Manchmal waren ab und zu sogar ohrgerechte Töne zu hören.

Mit überdimensionalen Batman-Flügeln, einer Riesen-Axt und Pyroshow heizten Lordi dem Publikum kräftig ein. Die Gruppe wurde zum Gag des Abends.

Sänger Lordi sagte noch selbstbewusst vor der Show: Nur wenn wir an den Sieg glauben, können wir gewinnen. Er bekam mit dieser Einstellung recht.

Gewiss werden morgen Musikkritiker, Psychologen und Experten dieses unerwartete Phänomen zu analysieren wissen. Wir vermuten, dass die die Band vor allem zu einen überraschenden Kontrapunkt zur heilen perfekten makellosen Schlagerwelt geworden ist und damit:

  1. Aufgefallen ist
  2. Emotional aufgerüttelt hat
  3. Viele mit dem Gagbeitrag unterhalten, amüsiert hat
  4. Bewusst machten, dass dem Grand Prix oft innovative Elemente mangeln
  5. Religiöse Elemente (Engel und Teufel in der Lyrik)


Das Phänomen des Sieges einer Rockband macht ferner deutlich: Der Grand Prix wurde während der letzten Jahre immer mehr zum Einheitsbrei mit aufwändiger Choreographie und perfektionierter Technik.



Wir glauben nicht, dass der Stil der Gruppe nachhaltig Erfolg haben wird. Angenommen, Lärmsoundproduzenten würden zu Schrittmachern des künftigen Schlagerstils und Arrangeure und Komponisten würden bei zukünftigen Auftritten die Finnen kopieren, dann könnte möglicherweise wieder eine Solosängerin mit einer lieblichen Ballade abräumen. Im Heer der Hardrockbeiträge würde dann eine natürlicherer Beitrag zum wohltuenden Kontrapunkt und als Sieger gefeiert werden.

Bei der Musik gibt es Parallelen zum Journalismus: Das Aussergewöhnliche, das Unterhaltende, das Emotionale hat ebenfalls mehr Erfolg als billige Nachahmer, Gleichförmiges und Plagiate.


Vom musikalischen zum optischen Wettbewerb (Quelle: "Die Welt")

Seitdem die Fernsehzuschauer per Telefon abstimmen dürfen, wird der Wettbewerb, der inzwischen Eurovision Song Contest heisst, von einer Ausweitung der musikalischen und optischen Tabuzonen bestimmt. Den Anfang machte 1998 die transsexuelle Sängerin Dana International, die Israel vertrat und gewann. Es folgten unter anderem ein deutscher Metzger in P-Funk-Kostüm, ein Lesben-Duo aus Russland, drei als Stewardessen verkleidete Herren aus Slowenien oder eine Gruppe tätowierter Ska-Punks aus der Türkei. Auch in diesem Jahr dürfte wieder für reichlich von den Liedern ablenkende Unterhaltung gesorgt sein. Fürs Finale in Athen am 20. Mai haben sich eine kroatische Sängerin mit Porno-Vergangenheit, ein Hamburger Country-Pop-Quintett sowie der "Bernhard Brink Rumäniens" qualifiziert.

Der Skandalwert dieser Ländervertreter ist jedoch gar nichts verglichen mit dem Beitrag Finnlands. Für das heutige Halbfinale des Song Contest, bei dem aus 23 Nationen zehn für die Endausscheidung gewählt werden, haben die Skandinavier die Band Lordi nominiert. Sie besteht aus fünf Gruselmonstern, die die Hymne "Hard Rock Hallelujah" intonieren. Um Europa auf den Schock vorzubereiten, wurde Lordi-Sänger Tomi Putansuu alias Lordi auf Interviewtour nach Deutschland geschickt. Vor dem Gespräch in Berlin nimmt der ehemalige Filmstudent und bekennende Kiss-Fan erst mal die braunen Fangzähne aus dem Mund und lässt sich von einer Mitarbeiterin die Plastik-Klauen von den Händen ziehen. Mit ihm sprach Josef Engels.
"Welt": Kennen Sie den Kölner Karneval? Lordi: Nein. Wieso?
"Welt": Ihre Aufmachung erinnert mich ein wenig daran. In Köln verkleidet man sich einmal im Jahr sechs Tage lang und betrinkt sich hemmungslos. Lordi: Oh, das gibt's bei uns in Finnland jeden Abend. Nur ohne die Verkleidung.
"Welt": Warum wurden Sie von den Finnen gewählt? Lordi: Der Song ist gut. Ausserdem gab es beim Vorentscheid auch viele Protestwähler. Es ist ja im Finale normalerweise immer so: Finnland, 0 Punkte. Wir haben die Hardrock-Fans geweckt. Die, denen der Eurovision Song Contest normalerweise vollkommen egal ist. Wir haben 42 Prozent der Stimmen bekommen. Bei zwölf Mitbewerbern keine schlechte Quote.
"Welt": Inwiefern repräsentieren Sie als Monster Ihr Heimatland? Lordi: Wir sind ein gutes Beispiel für die Verrücktheit der Finnen. Aber in erster Linie repräsentieren wir unseren Musikstil: Melodischen Rock im Geist der achtziger Jahre. Death-Metal-Fans würden uns als Pop-Band bezeichnen.
"Welt": Haben Sie eigentlich den Grand Prix in den vergangenen Jahren regelmässig verfolgt? Lordi: Ja. Der Contest ist ein eigenes Genre. Das Schlüsselwort dürfte wohl camp sein. Vielleicht nicht für die Interpreten und die eingefleischten Fans. Aber für den Rest der Welt. Es gibt da immer dieselben Klischees. Es gibt den Abba-Song, den Euro-Disco-Song, den Ethno-Song mit Dudelsäcken und Glöckchen. Und natürlich die Eurovisions-Ballade. Kein Künstler bei klarem Verstand würde so etwas auf ein normales Album pressen! Ich habe mir das Spiel aber immer angeschaut. Es ist zweifellos gutes Entertainment.
"Welt": Es gab selbst in Finnland viel Aufregung um Ihre Wahl. Priester werfen Ihnen satanische Botschaften vor. Lordi: Das regt mich auf. Es ist eine Beleidigung für die Band, was wir da von finnischen Priestern gehört haben. Wir haben nichts, aber auch gar nichts mit dem Satan zu tun. Eine unserer Singles hiess "The Devil Is A Loser". Dadurch haben wir viele christliche Fans gewonnen. Unser Schlagzeuger hat lange in einer Kirchengemeinde gearbeitet und sogar Lieder für Kindergottesdienste komponiert. Ich bin von den Priestern enttäuscht, die auf uns den ersten Stein werfen. Wenn jemand sagt: "Aber die sehen doch aus wie Satan!", denke ich nur: Ich würde mal gern einen kennenlernen, der Satan persönlich getroffen hat. Und was die Hörner, die Fangzähne und die roten Augen angeht - nach dieser Logik müssten Kühe, Hunde und Hasen auch satanisch sein.
"Welt": Wie wird Ihre Show in Athen aussehen? Lordi: Pyrotechnik. Und fünf Monster auf der Bühne, die Hardrock spielen. Wir haben leider nur drei Minuten, und die Umbaupausen sind gerade mal 30 Sekunden lang. Natürlich hätten wir gern unser Spukschloss dabei, unsere Kettensägen und die Leichen. Aber das haut zeitlich nicht hin. Trotzdem: Diese drei Minuten werden etwas sein, das der Eurovision Song Contest niemals zuvor gesehen oder gehört hat.
"Welt": Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein? Lordi: Wir haben doch schon längst gewonnen! Soviel Aufmerksamkeit hat eine finnische Gruppe beim Contest noch nie bekommen.
"Welt": Ihre Botschaft an Europa? Lordi: Habt keine Vorurteile, seid nicht engstirnig. Wir mögen wie schlimme Monster aussehen, aber das liegt ganz im Auge des Betrachters. Unsere Fans jedenfalls finden uns süss.


Nachtrag vom 23. Mai 2006: Medienecho:
  • Die Finnische Stadt Rovaniemi (die Hauptstadt von Lappland) hat angekündigt, einen Platz in der Stadt nach Lordi zu benennn Quelle: BBC. Die Stadt beschreibt sich auch als der Heimatort des "wahren Santa Klaus". Dieser in einer Stellungsname:

    "Lordis Gewinn zeigt uns, dass mit harter Arbeit selbst die grössten Träume wahr werden."


  • Eine Schlagzeile in "Sky TV": Eurovision: Good Lordi (good lord=mein Gott) , oder Oh Lordi!.

  • Die Gruppe musste sich schon gegen Vorwürfe wehren, sie seien "Satanisten". Der Finnische Botschafter Jaakko Laajava meinte in der BBC:

    Das ist Unterhaltung. Man muss das nicht so ernst nehmen. Die Gruppe hat auch ein Album mit dem Titel "Der Teufel ist ein Verlierer" veröffentlicht. Das sagt vielleicht etwas darüber aus.


  • Im Spiegel online vom 22. Mai schreibt Markus Becker in einem Artikel "Lordi und der Grand Prix": "Die grösste Überraschung des Abends aber war, dass auch volle 30 Jahre nach den ersten Auftritten von Kiss und Alice Cooper eine Rockband eine solche Entrüstung auslösen kann, nur weil sie in Grusel-Kostümen auftritt und ansonsten - ja, was eigentlich getan hat? Nichts. Die Lordi-Truppe hat auf der Bühne keinem Kleintier den Kopf abgebissen, keine Babypuppen aufgespiesst und nicht einmal verbal versucht, sich den Anstrich von Wochenend-Satanisten, geschweige denn echten Teufelsanbetern zu geben."


Lyrik

Original (von Lordi):
Hard Rock Hallelujah!
Hard Rock Hallelujah!

The saints are crippled
On this sinners night
Lost are the lambs with no guiding light

The walls come down like thunder
The rocks about to roll
Its the Arockalypse
Now bare your soul

All we need is lightning
With power and might
Striking down the prophets of false
As the moon is rising
Give us the sign
Now let us rise up in awe

Rock n roll angels bring thyn hard rock hallelujah
Demons and angels all in one have arrived
Rock n roll angels bring thyn hard rock hallelujah
In Gods creation supernatural high

The true believers
Thou shall be saved
Brothers and sisters keep strong in the faith
On the day of Rockoning
Its who dares, wins
You will see the jokers soonll be the new kings

All we need is lightning
With power and might
Striking down the prophets of false
As the moon is rising
Give us the sign
Now let us rise up in awe

Rock n roll angels bring thyn hard rock hallelujah
Demons and angels all in one have arrived
Rock n roll angels bring thyn hard rock hallelujah
In Gods creation supernatural high

Wings on my back
I got horns on my head
My fangs are sharp
And my eyes are red
Not quite an angel
Or the one that fell
Now choose to join us or go straight to Hell

Hard Rock Hallelujah!
Hard Rock Hallelujah!
Hard Rock Hallelujah!
Hard Rock Hallelujah!

Rock n Roll angels bring thyn hard rock hallelujah
Demons and angels all in one have arrived
Rock n Roll angels bring thyn hard rock hallelujah
In Gods creation supernatural high

Hard Rock Hallelujah!
Deutsche Übersetzung:
Hard Rock Hallelujah!
Hard Rock Hallelujah!

Die Heiligen sind verkrüppelt
In dieser Nacht der Sünder
Verloren sind die Lämmer ohne wegweisendes Licht

Die Wände stürzen wie Donner
Die Felsen beginnen zu rollen
Es ist die Arockalypse
Nun pass auf Deine Seele auf

Alles was wir brauchen sind Blitze
Mit Kraft und Stärke
Um die falschen Propheten niederzuschlagen
Wenn der Mond aufgeht
Gib uns ein Zeichen
Und lass uns in Ehrfurcht auferstehen

Rock n Roll Engel bringen Hard Rock Hallelujah
Teufel und Engel vereinigen sich
Rock n Roll Engel bringen Hard Rock Hallelujah
In Gottes übernatürlicher Schöpfung 

Die wahren Gläubigen
Sie werden gerettet werden
Brüder und Schwestern bleiben stark im Glauben
Am Tag der Abrocknung  ( ~ Abrechnung, engl: Rockening statt Reckoning)
Ist wer wagt der gewinnt
Du wirst die Narren als neue Könige sehen

Alles was wir brauchen sind Blitze
Mit Kraft und Stärke
Um die falschen Propheten niederzuschlagen
Wenn der Mond aufgeht
Gib uns ein Zeichen
Und lass uns in Ehrfurcht auferstehen

Rock n Roll Engel bringen Hard Rock Hallelujah
Teufel und Engel vereinigen sich 
Rock n Roll Engel bringen Hard Rock Hallelujah
In Gottes übernatürlicher Schöpfung 

Flügel auf meinem Rücken
Ich habe Hörner auf dem Kopf
Meine Krallen sind scharf
Meine Augen sind rot
Nicht ganz wie ein Engel
Oder eher wie einer, der gefallen ist
Nun komm mit uns oder geh direkt zur Hölle

Hard Rock Hallelujah!
Hard Rock Hallelujah!
Hard Rock Hallelujah!
Hard Rock Hallelujah!

Rock n Roll Engel bringen Hard Rock Hallelujah
Teufel und Engel vereinigen sich 
Rock n Roll Engel bringen Hard Rock Hallelujah
In Gottes übernatürlicher Schöpfung

Hard Rock Hallelujah!
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