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www.rhetorik.ch aktuell: (29. April, 2006)

Bundesrat, in die Rolle eines VIP gedrängt



Wir vertraten stets die Meinung, dass es für Politiker schwer ist, die Grenze zwischen Selbstdarstellung und Zurückhaltung im Umgang mit Medien zu finden. Wer die Marke ich verkaufen muss, kann sich den Medien nicht entziehen. Dennoch hat jede Person ein Anrecht auf Privatheit. Bei Angela Merkel wurde diese Grenze eindeutig überschritten. Hier ist ein weiteres Beispiel:

Bundesrat Leuenberger wurde von einem Schüler in den Ferien in Badehosen abgelichtet und musste bestimmt das weitere Vorgehen gründlich überlegen. Leuenberger verzichtete auf juristische Schritte. Er werde wegen einer solchen Angelegenheit niemals vor Gericht gehen, sagte der Medienminister vor den Bundeshausmedien.

Ein gerichtliches Vorgehen wäre bestimmt unklug gewesen. Leuenberger wählte einen geschickteren Weg, um Medien auf die Grenze zwischen Privatheit und Öffentlichkeit aufmerksam zu machen.




Leuenberger übte persönlich und öffentlich Kritik an der Publikation der Ferienfotos von ihm und seiner Gattin Gret Loewensberg.

"Ein Bundesrat wird auf diese Weise in die Rolle eines VIP gedrängt",


sagte er. Dies sei bedenklich, und diesen Standpunkt teile auch der Bundesrat.

"Dies ist ein grosser Wert unserer Demokratie"


fügte Leuenberger noch an. Daher bedauere er auch die Publikation der Bilder. Es sei eine gefährliche Entwicklung, wenn Zeitungen Touristen entlöhnen würden, die mit dem Teleobjektiv heimlich Fotos geschossen hätten.

Wer die Foto des Schülers Manuel Imboden betrachtet, stellt nachträglich fest, dass die Aufnahme im Grunde genommen wohlwollend aufgenommen war. Der Bundespräsident lächelt und macht keine lächerliche Figur.



Bundespräsident Leuenberger ist eine VIP Person, ob er dies will oder nicht. Wer in der Öffentlichkeit steht und die Medien nutzt, kann und darf sich dieser Nähe nicht entziehen. Ein Politiker der sich aussetzen muss, riskiert aber durch die Mediatisierung, dass sein persönliche Branding jederzeit durch dies selben Medien angeschlagen werden kann. Medien unterliegen den Versuchungen, eine aussergewöhnliche Aufnahmen d.h. eine Person in einer ungewöhnlichen Situation zu zeigen. Lustige, spezielle oder pikante Bilder garantieren die Auflage. Gemäss dem Gesetz: Emotionen, Persönliches haben eine immer eine grössere Einschaltquote als politische Sachfragen. Jeder Politiker muss deshalb die Grenze zwischen Privatheit und Öffentlichkeit immer wieder neu aushandeln. Das hat Bundespräsident Leuenberger getan.


Nachtrag vom 30. Januar, 2006: Ein NZZ Artikel illustriert die Geschichte mit älteren Badefotobeispielen:

  • 1910 posierte der deutsche Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg (1856-1921) beim Baden im Tiber.
  • 1997 wurde Helmut Kohl, trotz offiziellem Fotoverbot beim Baden fotografiert.
  • Russische Staatspräsidenten wie Breschnew oder Jelzin sind beim Baden abgelichtet worden.
Im Vergleich zu den veröffentlichten Fotos von Regierungschefs in Badehosen kommt Bundespräsident Leuenberger gut weg. Ob Leuenberger mit dem Protest über die Fotos von seinen ungeschickten Auftritt auf internationalem Parkett ablenken wollte?


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