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www.rhetorik.ch aktuell: (4. April, 2006)

Das zweite Prodi-Berlusconi Duell

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Vor dem Duell hatte der italienische Oppositionschef Romano Prodi die Bedeutung des TV-Duells gegen Ministerpräsident Silvio Berlusconi relativiert:

"Das Fernsehen hat grosse Bedeutung, weil 16 Millionen Menschen das TV-Duell sehen werden. Es gibt jedoch auch andere bedeutende Faktoren. Das alltägliche Leben ist wichtiger. Die Menschen haben im Alltag Probleme, das wird ihre Wahlentscheidung beeinflussen".


Silvio Berlusconi hatte sich vor dem Duell in seine Luxusvilla auf Sardinien zurückgezogen, um sich vorzubereiten. Er hat eine Scharte auszuwetzen, denn beim ersten Wahlduell am 14. März hatte der von sich so eingenommene Regierungschef und Medienunternehmer schlechter abgeschnitten. Prodi bereitete sich im Hauptquartier der Opposition in Rom vor.

Die Regeln des zweiten "TV-Showdown" wurden wiederum nach amerikanischem Vorbild streng definiert: Zwei Journalisten werden acht Fragen an beide Kandidaten stellen. Die Antworten durften maximal zweieinhalb Minuten lang sein.

Am Ende der Sendung hatten Berlusconi und Prodi noch jeweils zweieinhalb Minuten freie Redezeit für einen Appell an die Wähler. Im Studio gibt es keine Zuschauer. Das Duell wurde vom öffentlich-rechtliche TV-Sender RAI UNO am Montagabend ab 21:15 Uhr übertragen.


Gemessen an den heftigen Verbalattacken der letzten Monate war das Bemühen um so viel Korrektheit vor den Kameras eine Farce. Das Bemühen um staatsmännisches Gebahren stand im krassen Gegensatz zu Italiens Medienrealität. Die italienische Presse meinte, Silvio Berlusconi und Romano Prodi hätten bislang den niveaulosesten Wahlkampf seit Ende des Zweiten Weltkriegs geliefert. Der nach Umfragen hinten liegende Ministerpräsident habe dazum am meisten beigetragen.. In den vergangenen Tagen wurden Berlusconis Angriffe auf Prodi und sein Mitte-Links-Bündnis noch ausfallender. Tiefpunkt war der Vorwurf, Linke, speziell Kommunisten, würden "Babys kochen" und zu Dünger verarbeiten:

"Im China zur Zeit Maos haben sie sie nicht gegessen. Aber sie haben sie gekocht, um Felder zu düngen. Es ist eine schreckliche Sache - die aber leider wahr ist." Die Linken bevorzugen rohes Fleisch ... "


Mit beissender Ironie konterte hierauf ein Kommunist aus Prodis Wahlbündnis: Die Linken würden Kinder nicht kochen, sondern immer noch roh essen. China fand zwar das Ganze weniger spassig und reagierte verschnupft auf Berlusconis Äusserung. Aber nicht nur der Regierungschef, auch Romano Prodi liess sich auf der Zielgeraden des Wahlkampfes zu überzogenen Attacken hinreissen. Weil Berlusconi und seine Leute das Mitte-Links-Bündnis wegen undurchsichtiger Steuerpläne angriffen, warf der dünnhäutig gewordene Prodi seinen Gegnern vor, sie argumentierten kriminell. Es handele sich um "politisches Verbrechertum". "Niemand von uns hat von Steuersätzen und schon gar nicht von 25 Prozent gesprochen."

In Wahrheit beherrscht Berlusconi das Fernsehen: Seine drei Sender, über die er die direkte Oberhoheit ausübt, und die drei RAI-Programme, die unter der Kontrolle der Regierung stehen, teilen sich den TV-Markt nahezu vollständig auf.

Im zweiten Duell fehlten die Giftpfeile. Nun sassen sich zwei Kontrahenten gegenüber. Sie waren wiederum korrekt dunkel gekleidet und sassen gepflegt und in vorbildlicher Sitzhaltung da. Beide sprachen in angemessenem Tempo und in situationsgerechter Lautstärke. Berlusconi und Prodi wirkten sogar über weite Strecken recht dialogisch. Es gab Blickkontakt und Pausen und beide trugen ihre vorbereiteten Argumente eloquent vor. Obwohl die Voten gut eingeübt waren, wirkten sie spontan und natürlich. Berlusconi nahm sich im ersten Teil stark zurück. Die rechte Hand klammerte sich am Tisch, die andere fasst den Stift mit der zu einer Faust geballten Hand. Immerhin verzichtete Berlusconie beim zweiten Duell auf die "die das störende Kritzeln". Das wurde ihm gewiss im Training abgewöhnt. Prodi nahm sich in der Startphase ebenfalls enorm zurück und verschränkte immer wieder die Arme. Bei Prodi fielen uns vor allem seine zugekniffenen Augen auf. Vielleicht störten ihn die Scheinwerfer. Die "Schlitzaugen" stimmten nicht mit dem sonst so väterlich wirkenden Professors überein. Belusconi und Prodi redeten sich allmählich warm, wirkten im zweiten Teil viel entspannter.

Generell erlebten wir Prodi defensiver als im ersten Duell. Sein Sprechfluss stockte oft. Berlusconi konnte ihn oft als "Raubritter" hinstellen, der es auf die Steuern abgesehen hat und Anleihen aufnehmen wolle. Immer wieder musste sich der Herausforderer rechtfertigen. Obschon Prodi versuchte, die Angriffe mit Humor und Lächeln zu kontern, fiel es ihm nicht leicht, Berlusconi an seinen wunden Weichstellen zu treffen. Er hätte mit gezielter Wiederholungstaktik Berlusconis Mängel nachhaltig festigen müssen. Er kritisierte zwar die Regierung wegen ihrer laschen Haltung gegenüber der Steuerhinterziehung. Doch fehlte nach unserem dafür Prodi die wichtigste Kernbotschaft, die mit verschiedenen Bildern, Geschichten und Fakten zementiert werden muss. Einmal griff Prodi Berlusconi direkt an. Berlusconi konterte sofort. Prodi hatte viele Botschaften wie:
  • Berlusconi stürzt Italien in eine Krise
  • Er hat den Haushalt nicht im Griff
  • Die Truppen müssen aus Irak abgezogen werden
  • Die Erbschaftsteuer für Reiche muss eingeführt werden.
Die folgenden Bemerkungen zu den einzelnen Wortgefechten stammt von "20 Minuten": Trotz der strengen Regeln der von RAI 1 ausgestrahlten Fernsehdebatte versuchte Berlusconi mehrere Male, seinen Gegner zu unterbrechen, als der das Problem des ausufernden Defizits und der zunehmenden Steuerhinterziehung unter der Mitte-Rechts-Regierung anprangerte.

"Ich begreife nicht, wie es möglich ist, dass die Linke ständig Italien und ihre Regierung verleumdet, indem sie die Wahrheit völlig entstellt."


Prodi mahnte den Premier, ihn nicht zu unterbrechen und ihn zu respektieren. Er beschuldigte den Ministerpräsidenten und seine Regierungskoalition, ihn ständig beleidigt zu haben.
"Man hat mich als 'armen Mann' und als 'Hase' bezeichnet, doch ich lasse mich von diesen Tönen nicht beeinflussen"


betonte ein heiter wirkender Prodi. Der Oppositionschef ärgerte Berlusconi, als er den Zahlenschwall, mit dem der Ministerpräsident die Resultate seiner Regierung im Wirtschaftsbereich aufzulisten versuchte, als den Versuch eines Betrunkenen bezeichnete, sich an einer Strassenlaterne zu stützen, um nicht zu fallen. Auf diese Worte reagierte Berlusconi emotional. Auch Berlusconi sparte nicht mit Attacken gegen seinen Gegner:

"Lassen Sie mich sagen, dass Sie ein nützlicher Idiot sind. Sie borgen Ihr gutmütiges Pfarrersgesicht der Linken, die zu bis zu 70 Prozent aus Kommunisten besteht"


Öfters warnte der Regierungschef die Italiener davor, eine Mitte- Links-Allianz zu wählen, die aus elf Parteien besteht:

"Prodi wird nicht fähig sein, Italien die politische Stabilität zu sichern".


Die Steuerpolitik der beiden politischen Blöcke stand im Mittelpunkt der 90 Minuten langen Fernseh-Diskussion, die vom "König" der italienischen Polit-Show, dem Starjournalisten Bruno Vespa, moderiert wurde.


Medienspiegel

  • Reuters: Mit einer überraschend angekündigten Steuererleichterung für Immobilienbesitzer hat Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi versucht, das letzte TV-Duell vor der Parlamentswahl für sich zu entscheiden. Der in Umfragen führende Herausforderer Romano Prodi hatte keine Gelegenheit mehr, während der Sendung am Montag Berlusconi direkt mit seinen Einwänden zu konfrontieren, da dieser das Wahlversprechen erst kurz vor Ende des mit Spannung erwarteten Schlagabtauschs preis gab. Nach der Veranstaltung forderte Prodi jedoch umso mehr eine Erklärung, wie Berlusconi das Vorhaben umsetzen wolle. "Vielleicht hat er ja vor, Papiergeld zu drucken", sagte er. Auch einige Vertreter von Berlusconis Koalitionspartnern zeigten sich skeptisch. "Das ist ein Eigentor", sagte etwa Amadeo Ciccanti von der christdemokratischen UDC. Die Ankündigung sei nicht glaubhaft, fügte er hinzu. Der Urnengang ist für den 9. und 10. April angesetzt. Berlusconi will jene Steuer abschaffen, die jährlich auf das erste Eigenheim von Immobilienbesitzern erhoben wird. Pro Jahr kommen durch die so genannte ICI rund 2.3 Milliarden Euro zusammen. "Für uns ist das erste Haus so heilig wie die Familie. Darum haben wir entschieden, die ICI abzuschaffen", sagte Berlusconi in dem TV-Duell. Beobachter hatten erwartet, dass die Steuerpolitik im Zentrum der Debatte stehen würde. Berlusconi warf Prodi vor, eine regelrechte Flut von Steuererhöhungen zu planen, die vor allem die Mittelklasse hart treffen werde. Prodi, Anführer eines Mitte-Links-Lagers, wies dies vehement zurück. Allerdings werde er von Berlusconi im Falle eines Wahlsieges eine desolate Finanzlage ausbügeln müssen. "Die öffentlichen Ausgaben sich ausser Kontrolle", sagte er. "Dies ist eine echte Krise." Zunächst war nicht eindeutig klar, ob einer der beiden Kandidaten die teils hitzig geführte und von gegenseitigen Verbal-Attacken geprägte Debatte für sich entscheiden konnte. Beobachter sagten, das Duell sei dieses Mal wesentlich ausgeglichener gewesen als vor einigen Wochen. Damals hatte Prodi bei den Zuschauern klar besser punkten können.
  • Tagesschau.de: Das erste TV-Duell Mitte März hatte Italiens Ministerpräsident Berlusconi laut Umfragen verloren. Beim zweiten Duell präsentierte er sich deutlich stärker. Herausforderer Prodi trat zurückhaltender auf, gab sich aber inhaltlich keine Blösse.
  • Die Presse.com: Berlusconi nahm seinem Gegner Romano Prodi mit einem überraschendem Versprechen von Steuererleichterungen den Wind aus den Segeln.
  • news.search.ch; Berlusconi hat, trotz strenger Regeln, mehrmals versucht, Prodi zu unterbrechen, als er das ausufernde Defizit und die zunehmenden Steuerhinterziehung unter Berlusconis Regierung anprangerte. Als Berlusconi die Resultate seiner Regierung im Wirtschaftsbereich anhand von Zahlen auflisten wollte, sprach Prodi von dem "Versuch eines Betrunkenen, sich an einer Laterne zu stützen, um nicht umzufallen". Berlusconi konterte: "Lassen Sie mich sagen, dass Sie ein nützlicher Idiot sind. Sie borgen Ihr gutmütiges Pferdegesicht der Linken, die bis zu 70 Prozent aus Kommunisten besteht".
  • NZZ .... Prodi versuchte abermals mit Gelassenheit zu gewinnen und erinnerte eingangs daran, das nicht nur seine Gattin, sondern auch jene Belusconis zu einem sachlichen und respektvollen Schlagabtausch gemahnt hätten. Allerdings wirkte Prodis permanentes Schmunzeln auch oft herablassend ...




Nachtrag vom 14. April 2006: Prodi gewinnt die Wahlen knapp

Nach Chaos, Siegesbekundungen, Widersprüchen scheint nun klar, dass Prodi die Wahlen gewonnen hat. Berlusconi will sich aber immer noch nicht geschlagen geben und wartet Nachzählungen ab. Berlusconi nennt sich "Moralischer Sieger" oder "Sieger der Herzen".


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