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www.rhetorik.ch aktuell: (15. Januar, 2006)

Zum Kommunikationsproblem in der Landesregierung:

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Quelle: http://www.unipublic.unizh.ch
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Das Bild der orientierungslosen Brieftaube, als Analogie zur bedenklichen Kommunikation im Bundesrat, zeichnete Finanzminister Merz selbst das Verhalten nach dem Swisscom-Chaos. Damals erfuhr die Öffentlichkeit durch Print und elektronische Medien, dass etwas bei der Exekutive nicht stimmen konnte. Der Bundesrat hatte wie ein Taubenschlag reagiert Er schwirrte wirr auseinander, um sich dann erst später wieder zu organisieren. Es war von "Kommunikationskatastrophe", "Kommunikationsproblemen", "Entscheidungsfindungsproblemen", "Schnellschussmentalität", "Kakophonie", "Chaos", "grandioser Inkompetenz", "gegenseitigem Misstrauen", "Irrungen und Wirrungen" oder "Theater" zu lesen.


Die Berner Politologin Regula Stämpfli hatte damals nicht übertrieben, als sie das Ganze als "Kommunikationsgau" bezeichnet hatte. Immerhin gaben die Bundesräte nachträglich die internen Kommunikationsprobleme zu.

Die Geschäftprüfungskommission stellte hierauf Fragen, die im Bundesrat im neuen Jahr besprechen musste. Die Parteien forderten bei dem bedauerlichen Kommunikationsdurcheinander vermehrte Transparenz. Der Bundesrat könnte beispielsweise das Stimmenverhältnis offen legen. Wolf Linder, Professor für Politologie, fand dies hingegen nicht sinnvoll. Wichtig sei, das der Bundesrat in Ruhe um Entscheide ringen könne. Sonst käme es zu noch mehr Hähnenkämpfen für die Öffentlichkeit.

"Dann findet die richtige Bundesratsitzung zwischen 0700 bis 0900 statt. Um neun Uhr gehen dann die Türen auf - dann ist es öffentlich. dann ist es noch für die Medien und das Volk. Eigentlich nur noch eine Show!"


Weil das Ringen um Entscheide in einer Kollegialbehörde schwierig sei, brauche es Teamplayer. Darum habe man früher kantige Persönlichkeiten oder Parteipräsidenten bewusst nicht in den Bundesrat gewählt.

"Mit Bundesrat Blocher kam sicher ein ganz anderer Politiker in den Bundesrat. Insofern darf man sich nicht wundern, dass es heute ein wenig anders funktioniert."


Beobachter scheinen sich einig zu sein, dass das Hauptproblem des Bundesrates nicht die Kommunikation ist. Sie sind sich über die eigene Rolle nicht im Klaren. Politberater Iwan Rickenbacher sagte dazu im Radio DRS 1:

"Die Rolle des Bundesrates muss geklärt werden: Ist sie die von einer Partei unabhängigen Landesregierung oder ist sie jene von der Spitze der Parteien und Fraktionen, welche in einem ständigen Wahlkampf sind? Wie unterschiedlich diese Rolle gelebt wird, zeigt sich darin, das sich zu Beginn der 90er Jahre die Bundesräte geweigert hatten, sich für den Wahlkampf einspannen zu lassen. Heute ist es umgekehrt: die Parteien versuchen über die Bundesräte Politik zu machen."


Weil der Bundesrat so polarisiert ist, fände es Otfried Jarren, Publizistikprofessor an der Universität Zürich peinlich, wenn die Widersprüche in der Regierung öffentlich gemacht würden.

"Es kann nicht angehen, dass der Staat - dass der Bundesrat als Teil des Staates - mit verschiedenen Zungen spricht. Das würde die Gesellschaft irritieren. Das könnte in verschiedenen Krisensituationen - denken wir nur an die Vogelgrippe oder anderen Themen zu erheblichen Problemen und Irritationen führen."


In den Sonntagszeitungen vom 15. Januar stellte man nun mit Erstaunen fest, dass der Bundesrat am Montag wohl beschlossen hatte, zu der FAX Affaire keine Stellung zu nehmen. Dennoch redeten dann die Bundesräte Merz, Couchepin und Calmy-Rey.

Regula Stämpfli: In jedem anderen europäischen Land würden Minister, die trotz Regierungsrichtlinien reden, entlassen. Nach Stämpfli wäre es nicht denkbar, dass beispielsweise einzelne Minister in der grossen Koalition öffentlich Angela Merkel kritisieren, ihre Politik relativieren oder persönlich kommentieren?

So etwas kommt hingegen in der Schweiz vor. Einmal mehr zeigt sich, wie bei der Swisscomgeschichte, (wo der Tagesanzeiger am 14. Januar übrigens auch wieder ein geheimes Papier zugespielt bekam), dass die Regierung keine Kommunikationsrichtlinien hat.

Stämpfli meint, der Bundesrat müsste sich einen Berater engagieren und sich an die eigenen Richtlinien halten. Denn Indiskretionen werden aufgrund der politisch hoch polarisierten Situation in der Schweiz sicherlich weiter zunehmen und die Regierung wird ohne interne Klärung des heutigen Missstandes kommunikativ wieder auf die Nase fallen. Wiederum würden alle reden und erneut eine schlechte Falle machen. Die Reputation des Bundesrates würde noch mehr leiden und die Bevölkerung zusätzlich verunsichert. Wenn der Bundesrat beschämendes Bild abgibt, wird das Vertrauen in Politik und Regierung kaum gestärkt und Vertrauen ist eine wichtige Voraussetzung für Demokratie und den Rechtsstaat.



Fazit: Bei der Kommunikation des Bundesrates zeigt sich, dass die Landesregierung sowohl wegen Polarisierung als auch wegen internen Differenzen ein inhaltliches Problem hat. Die Landesregierung hat auch ein Rollenproblem, wenn Bundesräte sich als Einzelkämpfer verstehen, die der Partei verpflichtet sind. Ferner ist sich der Bundesrat nicht einig, wer, wann und wie kommuniziert. Der Bundesrat benötigte einen Bundesratberater, der von allen Bundesräten akzeptiert wird.




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