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www.rhetorik.ch aktuell: (6. November, 2005)

Paris brennt



Seit mehreren Tagen herrscht ein bürgerkriegsähnlicher Zustand mit heftigsten Kravallen in den Pariser Vorstädten. Man sah ausgebrannte Busse, Brandschatzungen, zerstörte Autos und aufgebrachte Banden, die Polizei und selbst die Feuerwehr mit Molotwkocktail bewerfen. In der Nacht auf Samstag gingen 900 Autos in Flammen auf. Der Französische Premier Dominique de Villepin hat neben Innenminister Nicolas Sarkozy mehrere andere Minister zu einem krisentreffen zusammengerufen.

Ähnlich wie bei dein Jugendunruhen in Zürich vor Jahrzehnten als "Zürich brannte", haben auch hier die Medienkonsumenten das Gefühl, dass "Paris brenne". Es ist glücklicherweise noch nicht so weit. Doch besteht die Gefahr, dass die Saat der Gewalt auch in anderen Stadteilen und andere Städten aufgeht.

Sarkozys Rhetorik giesst Öl ins Feuer

Frankreichs Regierung scheint derzeit machtlos. Sie hat noch kein Rezept gegen diese neusten Krawalle. Der Innenminister des Landes, Nicolas Sarkozy reagierte mit unpassenden Worten und goss mit einer fragwürdigen Rhetorik zusätzlich Öl ins Feuer. Er sprach von "Gesindel", dessen man sich entledigen müsse. Das "Gesindel" versprach darauf, es werde dafür sorgen, dass der Innenminister verbrenne.

Beissende Worte sind das Markenzeichen von Sarkozy. Für "Abschaum" und "Ganoven" hält der Rechtsausleger der konservativen Pariser Regierung randalierende Jugendliche in den Vorstädten. Doch die markigen Worte des 50-jährigen Kandidaten für das Amt des Präsidenten heizen die Aktionen nur an. Seit einer einer Woche - Nacht für Nacht - eskalieren die Anschläge rund um Paris. Frustrierte jugendliche Einwanderer wagten umgehend eine Kraftprobe mit ihrem Feindbild :



"Das ist nur der Anfang, wir machen weiter, bis Sarkozy geht",


lautet eine Parole. Die Regierung gerät immer mehr unter Druck und wirkt derzeit hilflos.


"Wir sind dafür da, dieses Krebsgeschwür auszumerzen, wir werden uns dieses Gesindels entledigen."


lautet Sarkozys Philosophie. Er möchte unruhige Vorstädte am liebsten mit dem "Kärcher" (Hochdruckreiniger) säubern und hofft auf Zustimmung am rechten Rand der Wählerschaft. Wie Jean-Marie Le Pen weiss er recht genau, was der "Normalfranzose" von den "Krawallmachern aus Nordafrika" hält. Die Regierung versucht, unter Premierminister Dominique de Villepin die Flammen einzudämmen. Rezepte fehlen. Die Polizei wehrt sich.

"Wir sind rund um die Uhr mit der Lage in den Vorstädten konfrontiert, solche Äusserungen wie die von der 'Säuberung der Cités' sind jetzt einfach unangebracht",


fand Francis Masanet, Vize-Generalsekretär der Polizeigewerkschaft.

Gründe der Gewalt

Soziologen, Psychologen und Experten mutmassen in den Medien, wie es zu dieser unkontrollierbaren Gewalteskalation kommen konnte. Die Meinungen klaffen weit auseinander. So wird vermutet:
  • Frankreich habe die Integration vernachlässigt
  • Ghettos sind eine günstiger Nährboden für Gewalt
  • Armut und Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit treibe die Jugendlichen zu den Verzweiflungstaten
  • Die Einwanderungspolitik sei schuld. Man habe zu viele Asylanten aufgenommen
  • Das harte Durchgreifen der Polizei und die überhebliche Rhetorik Sarkozys habe das Fass zum Überlaufen gebracht
Brandanschläge gab es auch auf Autohäuser, Lagerhallen und öffentliche Einrichtungen wie ein Rathaus und Kindergärten sowie auf eine Synagoge. In Meaux östlich von Paris hinderten Unruhestifter zudem Sanitäter daran, einen Kranken in eine Klinik zu bringen. Laut der Polizei warfen sie Steine auf Rettungskräfte und setzten den Krankenwagen in Brand.
Am Samstag sind in mehreren Vororten der französischen Hauptstadt Kundgebungen gegen die Unruhen geplant. Der Bürgermeister von Rosny-sous-Bois, Claude Pernes, sprach von einem regelrechten Guerillakrieg und urbanem Aufstand.


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