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www.rhetorik.ch aktuell: (19. September, 2005)

Nach der Wahl

Links: Meinungsforscher als Meinungsmacher? Letzte Wahlkampfimpressionen Die Elephantenrunde TV Schlacht um die Macht


Pattsituation



Nach einem spannenden Abend sieht es so aus, als ob sowohl die SPD und die Union ihre Vorgaben nicht erreicht haben. Die FDP ist die Siegerin. Wer Kanzler wird und welche Parteien sich zu einem Bündnis zusammenschliessen, ist noch nicht klar.


Meinungsumfragen

Verloren haben für viele die Medien und Meinungsforschungsinstitute, welche mit ihren Prognosen ziemlich daneben lagen. Die letzte Umfragewerte (links) zeigen ein anderes Resultat als die letzten Hochrechungen um 10 Uhr abends (rechts). Wir zitieren Philip Plickert, der sich in einem Artikel aus dem Jahre 1999 mit Umfragen beschäftigt hat:


"Nicht Information und Aufklärung, sondern Manipulation und Beeinflussung der Wählermassen sind häufig die Motive einer Umfrage. Etwa durch eine suggestive Fragestellung kann das Resultat in die gewünschte Richtung gelenkt werden. Die Methodik der Forschung differiert von Institut zu Institut zum Teil erheblich."

"Betrachtet man die grössten Pannen der Wahlforscher in den letzten Jahren, so fällt eine gewisse Asymmetrie auf. Bei den etablierten Parteien gibt es zwar manchmal eine gewisse Lücke zwischen antizipiertem und tatsächlichem Ergebnis, doch der Wettbewerb zwischen den Meinungsforschern, sowie deren Sorge um ihren wissenschaftlichen Ruf verhindern zu offensichtliche Mogeleien. Wer ständig danebenliegt, bekommt keine Aufträge mehr. Kann vorsätzliche Manipulation nachgewiesen werden, ist ein Institut erledigt.


Auf jeden Fall erscheint nach diesem Wahlergebnis die empirische Sozialwissenschaft "Demoskopie" in keinem guten Licht. Siehe dazu den Artikel Meinungsforscher als Meinungsmacher.


Nachtrag vom 21. September, 2005: Die NZZ schreibt am 21. September analysiert under dem Titel "Deutschlands Wahlforscher als Verlierer" die Grenzen der Demoskopie:
  • Befragte tricksen: "Die Inflation der Umfragen - mindestens fünf pro Woche - hat auch die Befragten zu taktischem Verhalten animiert.
  • Grossen Anzahl von Unentschlossenen. Die Entscheidung fällt immer häufiger in der letzten Sekunde, in der Wahlkabine. Dagegen sind Demoskopen machtlos.
  • Washlumfragen sind kurzlebige Momentaufnahmen, die nur Stimmungen messen können. Sie sind keine Prognosen.
  • Politiker haben unterschiedliche Motivationen, Prognosen zu sehen: hohe Umfragewerte verspricht Motivation und Aufschwung, niedrige Umfragewerte könnte einen Mitleideffekt haben.
  • Letztes Umschwenken von CDU/CSU Wählern zur FDP wegen der Person Merkels.


Das Posaunen der Elefanten

Erstaunlich, wie sich Stress auf das Verhalten auswirkt. Am Sonntagabend trafen sich in der Elefantenrunde im ARD die Spitzenpolitiker Stoiber, Westerwelle, Schröder, Fischer und einem Vertreter der PDS. Die Runde stand unter einer grossen Spannung. Die Beteiligen versuchten zwar den Stress und die Müdigkeit zu überspielen. Alle gaben sich als Sieger, obschon niemand zu jubeln hatte. Unbestritten war bereits zu jenem Zeitpunkt: dass Rot-gGün abgewählt ist, Schwarz-Telb schaffte es aber nicht schaffte, die Regierung zu übernehmen.

Wir hatten das Gefühl, dass in der Runde alle Nerven blank lagen. Alle hatten einen Wahlmarathon hinter sich. Das Schauspielern war kaum mehr möglich. Gerhard Schröder behauptete stur, er werde in jedem Fall das Kanzleramt übernehmen. Er werde Kanzler bleiben und sprach Angela Merkel das Recht ab, Kanzlerin zu werden. Nur er könne eine stabile Regierung garantieren. Diese Fixierung erstaunte, zumal bei einer grossen Koalition die Union die stärkste Kraft wäre und damit das Kanzleramt stellen könnte. Schröders Verhalten erstaunte alle. Er lachte meist überheblich und wirkte für uns noch nie so arrogant. Wir fragten uns, wie ein Politiker in so einer wichtigen Situation die Souveränität verlieren kann. Auch Angela Merkel sah man die Müdigkeit und den Stress an. Vor allem, wenn die Kamera ihre Mimik aufzeichnete, wenn anderer sprachen. Auch die Moderatoren mussten einige Male ungehalten eingreifen und Teilnehmer zurechtweisen. Westerwelle massregelte Schröders überhebliches Verhalten und konterte:

"Ich bin zwar jünger als Sie, aber nicht blöder."


Nachdem die FDP ein Mitwirken bei einer Ampelkoalition konsequent ablehnt und die SPD mit den Linken Parteien unter keinen Umständen zusammenarbeiten wird sind nun nicht mehr viele Varianten möglich. Ob es zu schwarz, gelb,grün kommen wird oder es zu einer grossen Koalition unter der Führung Merkels kommen wird, bleibt völlig offen. Nach dem Kopf am Kopf Rennen folgt jetzt das grosse Seilziehen.
  • Bundeskanzler Gerhard Schröder wertete das Wahlergebnis als einen Sieg über "Medien-Macht und Medien-Manipulation". Bundeskanzler Schröder präsentierte sich nach der Wahl trotz der Verluste als Sieger.
  • Doch auch CDU-Chefin Angela Merkel forderte einen Regierungsanspruch. CDU und CSU hätten zwar wahrscheinlich ihr Ziel verfehlt, zusammen mit der FDP eine Regierungsmehrheit zu erreichen, räumte die Kanzlerkandidatin ein. Die Unionsparteien seien aber stärkste politische Kraft geworden.
  • Der FDP-Parteichef Guido Westerwelle begrüsste seine Mitkämpfer als Mitglieder der "drittstärksten Partei" im Bundestag. Er schloss eine Ampelkoalition aus.
  • In einer ersten Reaktion auf das Wahlergebnis räumte Joschka Fischer als Spitzenkandidat der Grünen das Ende der rot-grünen Bundesregierung ein, sprach aber von einem "sehr guten Ergebnis" für seine Partei.
  • Die Spitzenkandidaten der Linkspartei, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine habe das Verhindern einer schwarz-gelben Regierung als grossen Erfolg ihrer Partei gewertet.
Spiegel: "So skurril war die Elefantenrunde noch nie. Ein vor Selbstbewusstsein strotzender Kanzler, der seine Niederlage nicht eingesteht, ein Aussenminister, der sich deutlich von ihm absetzt und der Union Avancen macht sowie eine kleinlaute Kandidatin der Opposition." Claus Leggewie, ein Politikwissenschaftler von der Uni Giessen: Schröder spielt ein Powerspiel. Sein Argument ist: "Ich habe ein Mandat von den Deutschen Wählern gekriegt". Es ist aber nicht real, da er keine Mehrheit hat.




Nachtrag vom 21. September, 2005 Die verbalen und nonverbalen Entgleisungen Schröders (Ton, Mimik "Gesichtszüge") hatten wir bei ihm in so krassen Form noch nie erlebt. Ein deutscher Journalist vermutete, Schröder habe vor dem Auftritt zu viel getrunken. Für uns hatte das unkontrollierte Verhalten nichts mit seinen früheren ungehaltenen Auftritten zu tun. Wir hatten zwar Schröder einige Male erlebt, wie er nach Niederlagen gereizt reagiert hatte und ihm auch schon - trotz seines Bemühens, stets überlegt und staatsmännisch zu wirken- der Kragen geplatzt war.

In der Berliner Runde war Schröders Verhalten eine Selbstdemontage. Ein "Medienkanzler", der jahrlang von den Medien profitiert hatte, kanzelte zum Erstaunen der Moderatoren plötzlich die Medien generell ab. Nach dieser unangebrachten Medienbeschimpfung rügte der Moderator Nikolas Brender den Kanzler mit den Worten:

"So etwas Herr Schröder ziemt sich nicht in einer Sendung!"


Der Kanzler muss nachträglich selbst gemerkt haben, dass er von der Rolle gefallen war. Am Montag gab er jedenfalls zu, zu "krawallartig" aufgetreten zu sein. Ob ihn wohl seine Frau Doris den Spiegel vorgehalten hatte?


Die heftigsten Attacken während des Wahlkampfs

Quelle: Bild am Sonntag vom 18.9.05


Nachtrag vom 21. September 2005: Zur "Berliner Runde"

  • "Tagesspiegel online" gibt in einem Beitrag Schröder war in Trance. ein Interview mit ZDF-Chefredakteur Brender zum Kanzler-Auftritt in der Berliner Runde:

    Tagesspiegel: Herr Brender, wer ist bei der Berliner Runde mehr entgleist der Bundeskanzler oder das Journalisten-Duo aus Hartmann von der Tann und Nikolaus Brender? Brender: Die Journalisten sind nicht entgleist, sondern sie haben versucht, die Diskussion auf dem Gleise zu halten.
    Tagesspiegel: Warum sind Sie zum Beginn der Gesprächsrunde gleich auf den Schröder-Vorwurf der Medienmacht und Medienmanipulation eingestiegen? Brender: Weil der Bundeskanzler in seiner ersten Replik darauf verwiesen hat. Er hat uns Parteinahme vorgeworfen, und diesem Vorwurf musste in aller Klarheit widersprochen werden ...
  • "Die Welt" zitiert eine Sequenz vom Dialog Westerwelle-Schröder:

    Westerwelle: Darf ich dazu mal was sagen. Das ist ja auch eine schwere Stunde für Sie, Herr Bundeskanzler ... Schröder: Meinen Sie wirklich?
    Westerwelle: Ja, ich glaube schon. So gekünstelt, wie Sie hier mittlerweile Ihren Triumph feiern, das ist ja nicht mehr ernst zu nehmen, bei allem Respekt Herr Bundeskanzler. Der Wahlkampf ist jetzt auch vorbei, und ich glaube, wir können auch wieder normal miteinander respektvoll umgehen. Bisher ist es in Deutschland eine demokratische Gepflogenheit gewesen, dass derjenige, der die stärkste Fraktion führt, einen Auftrag hat, die Gespräche einzuleiten ... Schröder: Aber entschuldigen Sie, kennen Sie die Geschichte der sozial-liberalen Koalition?
    Westerwelle: Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Herr Bundeskanzler ... Schröder: ... aber Herr Westerwelle, kennen Sie die Geschichte der sozial-liberalen ...
    ... wenn es Ihnen nichts ausmacht, Herr Kollege Schröder, ich weiss nicht, was Sie hier vor der Sendung gemacht haben ... Schröder: Das sage ich gern.
    Westerwelle: ... ich bin mir nicht ganz sicher, was da vorher noch alles gewesen ist (...) Ich möchte Ihnen Ihre Nachtruhe nicht nehmen und Ihre gute aufgesetzte Laune, aber Sie werden mit uns nicht regieren. Wir werden Ihren Regierungsauftrag nicht verlängern.


  • "Der Stern" publizierte einen anderen Teil der Berliner Runde mit Nikolaus Brender dem ZDF Chefredaktor und Hartmann von der Tann, ARD-Chefredakteur als Moderatoren:

    Brender: Herr Bundeskanzler ... Schröder: ... Ist ja schön, dass Sie mich noch Kanzler nennen.
    Brender: Sind sie denn jetzt schon zurückgetreten? Schröder: Nein, überhaupt nicht, Herr Brender.
    Brender: Ich wundere mich nur. Ich sage noch einmal: Herr Bundeskanzler, weil das bleiben sie ja noch ... Schröder: ... das bleibe ich noch, Herr Brender, auch wenn Sie dagegen arbeiten.
    Brender: Ob wir dagegen arbeiten? Schröder: Ja.
    Brender: Sie haben von Medienmacht und Medienkampagne geredet. Schröder: Ja zu Recht. Zu Recht, wie ich finde.
    Ich weise darauf hin, dass der ARD und dem ZDF dies nicht vorzuwerfen ist. Nicht alles, was Ihnen passt Schröder: Der eine sieht das so, der andere sieht das so.
    Von der Tann: Herr Bundeskanzler, ich habe jetzt ein intellektuelles Problem. Ich habe von ihnen eine kämpferische Rede gehört, in der sie sagten, sie würden die nächste Regierung bilden. Sie haben gleichzeitig gesagt, eine grosse Koalition werde es nicht geben. Sie haben gehört, wie Herr Westerwelle ausgeschlossen hat, dass er mit ihnen koaliert. Und mit Herrn Bisky, das haben sie auch gesagt, wollen Sie nicht. Jetzt weiss ich nicht, wie sie eine Regierung bilden wollen. Schröder: Ist doch klar, Herr von der Tann. Ihr intellektuelles Problem in allen Ehren. Aber hier ist doch deutlich geworden, dass die demokratischen Parteien miteinander reden können und miteinander reden müssen. Das wird auch geschehen unabhängig von dem, was jetzt hier erklärt worden ist. Und da ist es nun einmal so, dass diejenigen, die eine Regierung bilden könnten, wenn man von den Realitäten ausgeht, nicht auf dieser Seite sitzen (zeigt zu den anderen). Frau Merkel müsste doch einmal sagen, ob sie sich vorstellen kann, mit einer Koalition zu regieren, die besteht aus einer Koalition von Herrn Westerwelle und den Nachfolgern von Herrn Fischer. Das kann doch wohl nicht der Ernst sein.
    Von der Tann: Aber die Frage geht doch an sie, Herr Bundeskanzler. Schröder: Glauben sie im Ernst, glauben sie im Ernst. Nicht mit den Nachfolgern, sondern natürlich mit den Nachfolgern im Amt des Parteivorsitzenden, also doch nicht im Amt des Bundesaussenministers. Also, ich sage ihnen: Glauben Sie im Ernst, dass meine Partei auf ein Gesprächsangebot von Frau Merkel bei dieser Sachlage einginge, in dem sagt, sie möchte Bundeskanzlerin werden. Also, ich meine, wir müssen die Kirche doch mal im Dorf lassen. Die Deutschen haben doch in der Kandidatenfrage eindeutig votiert. Das kann man doch nicht ernsthaft bestreiten,
      Schröder: Ich sage ihnen: Ich führe Gespräche. Und ich sage ihnen heute voraus: Die werden erfolgreich sein. Wenn Frau Merkel eine Koalition hinkriegt mit der FDP und den Grünen, dann kann ich dagegen nichts sagen. Das werde ich auch nicht tun. Aber sie wird keine Koalition unter ihrer Führung mit meiner sozialdemokratischen Partei hinkriegen. Das ist eindeutig. Machen sie sich da gar nichts vor.


  • Im Spiegel online gelesen : "Schröder hatte bereits nach dem TV-Auftritt mitgeteilt, seine Frau Doris Schröder-Köpf habe seinen Auftritt in der "Berliner runde" als "ein bisschen zu krawallig" kritisiert. Schröder gab jetzt zu erkennen, er sei von seiner Gattin offenkundig noch deutlich strenger zur Ordnung gerufen worden, als er das zunächst berichtet hatte."




Nachtrag vom 22. September: Ein "suboptimales" Verhalten?

Am 22. September wurde Schröder nochmals auf seine ungewöhnliche Medienschelte angesprochen. Sein Verhalten wurde mit der historischen Medienschelte Kohls verglichen. Der Medienkanzler wollte verständlicherweise nicht mehr über seine Entgleisung sprechen. Er verstand es geschickt, sein Fehlverhalten - einmal mehr - zu beschönigen. Schröder sagte lediglich, er wisse im Nachhinein, dass der Auftritt nicht suboptimal war.

"Suboptimal" könnte man zum Wort des Rhetorikjahres erküren. Der Begriff ist raffiniert gewählt. "Suboptimal" ist weder schlecht noch gut. Schröders Verhalten war zwar ungenügend - doch Schröders Formulierung machte daraus die Beschönigung: "Nicht so ganz optimal", Nur "ein wenig unter der Ideallinie". Wir haben verschiedentlich auf Schröders Schwäche hingewiesen, Mängel zu beschönigen. Die jüngste Selbstbeurteilung des Kanzlers bestätigt diese Wahrnehmung.



Nachtrag vom 24. September 2005: Schröders Realitätsverweigerung.

Der grüne Politiker Werner Schulz warf Schröder "Realitätsverweigerung" vor. Damit berührte er einen wunden Punkt der auch von verschiedenen Journalisten ähnlich gesehen wird. Spiegel sprach beispielsweise in einem langen Beitrag vom: Putsch gegen die Wirklichkeit. Schröder wolle das Wahlergebnis einfach nicht akzeptieren.

Schröder habe gewusst, dass es fürchterlich sein würde, seinen Terminplan als abgewählter Kanzler abarbeiten zu müssen: wenn die Journalisten in seinem Gesicht plötzlich Alter und Müdigkeit entdecken und Gebücktheit in der Haltung. Wenn die Blicke plötzlich bedauernd sind oder mitleidig. Wenn es die Soldaten interessanter finden, was Angela Merkel zu sagen habe.

Aber Schröder witterte nach der Niederlage eine letzte Chance und erhofft sich in die Verlängerung retten zu können. Das lässt ihm die Chance auf eine nächste Runde. Nach Spiegel kommt zwar im Fussball die Verlängerung erst nach dem Unentschieden. Schröder habe jedoch eindeutig verloren. Er holte fast 450.000 Stimmen weniger als die Union. Damit wäre er eigentlich aus dem Spiel, weil es in Deutschland üblich sei, dass die stärkere Partei die Führung einer Grossen Koalition übernimmt.

Schröder inszenierte am letzten Sonntag den ersten Putsch der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nach Spiegel ist dies aber ein Putsch gegen die Wirklichkeit. Noch am Wahlabend kündigte Gerhard Schröder an, dass er auf keinen Fall daran denke, Angela Merkel die Führung einer Grossen Koalition zu überlassen.

Tatsächlich: Seitdem erfahren wir Schröders Vorstellung von der Wirklichkeit. Seither gibt es ein nur das grosse Projekt der SPD, das den Vorstellungen Schröders angepasst werden soll. Am Dienstag vergangener Woche standen beide vor der Presse - Schröder und Müntefering - im Reichstag, zwei gutgelaunte Männer, die sich so lange gesagt haben, dass sie grosse Sieger sind, dass sie wie grosse Sieger wirken. Nur Gerhard Schröder kann Kanzler werden!

Nun wurde durch ein Trick die SPD zur stärksten Partei gemacht werden, indem CDU und CSU getrennt gewertet werden sollen. Es gab auch raffinierte Überlegung, die Geschäftsordnung des Bundestags zu ändern, damit die beiden Parteien keine Fraktionsgemeinschaft mehr bilden können.

Als es um die Vertrauensfrage ging, hatte schon damals Müntefering für Schröder eine Schein-Minderheit organisiert. Jetzt wird plötzlich eine Schein-Mehrheit zusammengebastelt.

Keine Frage: Angela Merkel hatte ihr Ziel nicht erreicht. Schwarz-Gelb kann nicht allein regieren. Doch könnte sie nach der üblichen Spielregel in einer grossen Koalition Kanzlerin werden.

Was uns als Kommunikationsberater stört, ist das kommunikative Verhalten Schröders: Er bestritt Merkel bei seinem Fernsehauftritt vom Wahlabend generell das Recht, Kanzlerin zu werden. Schröder spielte den Richter.

Die von uns kritisierte Fernsehrüpelei bezeichnet heute Schröder beschönigend als kleiner Ausrutscher. Hat uns Gerhard Schröder bei diesem Auftritt sein echtes Gesicht offen gelegt? Der Kanzler konnte nach Aussagen von Journalisten schon früher das Temperament aus der Kontrolle geraten: Widerborstigen Parteikollegen hat er beispielsweise am Rande des Parteitags in Bochum 2003 zugezischt: "Euch mach ich fertig." (Quelle Spiegel)

Es erstaunt uns deshalb nicht, dass Schröder seit diesem unbeherrschten Auftritt im Blätterwald demontiert wird:
  • Die "Süddeutsche Zeitung" sieht Schröder als Blender, der die Wirklichkeit ausblendet. Als Einer, der sich ans Amt klammert, aber Fakten ausklammert, der hinter den Kulissen kungelt, trickst und spielt. Schröder glaube heute an das Unmögliche, trotz der eindeutigen Niederlage dennoch zu siegen. Jetzt dominiere eine Phase der Finten. Schröder habe die Vertrauensfrage gewonnen d.h. Er habe das Vertrauen verloren und glaube nun nach der verlorenen Schlacht plötzlich, die einzige Person zu sein, die das Vertrauen verdiene. Nach dem Südkurier war der arrogante Fernsehauftritt Schröders ein Sündenfall.
  • Die NZZ vom 28/29 September findet: "Die Wahlberechtigten haben sich von einer fast dämonischen Reformverhinderungskampagne des Amtsinhabers überrumpeln lassen, der einst als Herold des wahren Wandels aufgetreten war und sich jetzt als simpler Macht- Narziss demaskiert habe. Sein Auftritt am Wahlabend würden die letzten Zweifel beseitigt haben. Gerhard Schröder sei es als genialer Volksverführer gelungen, eine erfolgreiche Aufholjagd zu inszenieren. Merkel sei jedoch als sprödes Naturell nicht gegen Schröder angekommen."


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