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Samuel Schmids Rede wurde während
seiner 1. Augustansprache auf dem Rütli massiv gestört.
Ungefähr 600 Rechtsextreme haben die Worte des Bundespräsidenten.
Seine Ausführungen wurden mit Sprechchören mehrfach massiv
gestört. Auf Schlagworte wie Integration, Ausländer, bilateraler
Weg oder die Abstimmung vom 25. September quittierten die Pöbler zum
Teil mit minutenlangen Sprechchören. Worte, wie "Verrat, Verrat,
Halbbundesrat" oder "Samuel Schmid, Deine Lügen haben kurze Beine",
waren auf dem Rütli zu hören. Der Bundesrat wurde gar mit "Judas"
und "Sau" beschimpft.
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In Winterthur wurde die Rede von Bundesrat Christoph Blocher
gestört. Rund 80 teils vermummte Linksextreme störten seine Ausführungen mit
Knallkörpern. Die Polizei riegelte das Gelände ab und lieferte ein Scharmützel mit
den zum Teil vermummten "Chaoten". 29 Personen wurden kontrolliert,
4 wurden festgenommen. Die Polizei setzte Tränengas ein.
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Kommunikationskultur
Bei verbalen Auseinandersetzungen gelten bei Kommunikationsprozessen
Regeln. Zuerst sollten andere Meinungen angehört werden. Alle
müssten das Recht haben, sich zu artikulieren. Es gibt aber Kravallmacher,
die vertreten die Meinung, auch die Störaktionen zählten zum Recht auf
Meinungsfreiheit. Demonstrationen und Proteste sehen sie ebenfalls als
Freiheitsrecht. Tatsächlich sollte jede Seite das Recht
haben, ihre eigene Meinung kundzutun. Doch gibt es auch Regeln
des Anstandes und rechtliche Vereinbarungen: Niederschreien,
Beleidigungen, akustische Störungen oder Aufrufe zur Gewalt haben
nichts mit Meinungsfreiheit oder Redefreiheit zu tun.
Berichtserstattung
Es lohnt sich, im Blätterwald die Stellungsnahmen
zu den Störaktionen des gestrigen ersten Augustes zu verfolgen. Wer
die Artikel vergleicht, erkennt, wie wichtig Pressefreiheit, und
Medienvielfalt ist. Es wäre gravierend, wenn uns nur noch der
Einheitsbrei einer Staatszeitung mit ideologisch gefärbten
Medienpriestern vorgesetzt würde. Das Vergleichen von Artikeln
ist angewandter Staatskundeunterricht und angewandte Medienkunde.
Erstaunlich war zum Beispel, dass es Zeitungen gab, die an einem
Auge blind waren und nicht über beide Vorkommnisse berichtet haben.
Die meisten haben jedoch über beide Störaktionen informiert.
Blocher als Sündenbock
Am 1. August wurde Bundespräsident von Rechtsextremen am Reden
gestört. Auch Bundesrat Blocher wurde in Winterthur mit
Knallkörpern am Reden gehindert. Nach dem ersten August fokussierte sich der "Blick"
ausschliesslich auf die Geschehnisse auf dem Rütli und brandmarkte
tagtäglich mit gewichtigen Beiträgen die "Neonazis". Nach
einigen Tagen wurde nun angeblich ein Sündenbock gefunden:
Bundesrat Blocher und die SVP soll an den Vorkommnissen auf dem Rütli
schuld sein.
Leuenbergers Aussagen
Bundesrat Leuenberger schien nach einem Beitrag im Tagesanzeiger Blocher
und die SVP direkt beschuldigt zu haben. Doch dann präzisierte
Bundesrat Leuenberger seine Aussagen. Er habe nur darauf hinweisen wollen,
woher die Ausdrücke gegenüber dem Bundespräsidenten, wie
charakterlos oder Halbbundesrat kommen. Aus den Federn und Mündern
einer Bundesratspartei. So wird eine hasserfüllte Stimmung
geschaffen. Es habe Blocher und die SVP lediglich indirekt beschuldigt.
Die Namen der erwähnten "Münder" sind allen bestens bekannt:
SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli stellte einmal den Charakter von
Samuel Schmid in Frage, und
Christoph Blocher bezeichnete den heutigen
Bundespräsidenten als "halben SVP-Bundesrat".
Mörgelis Antwort
Christoph Mörgelis Antwort auf diese Kritik fiel harsch aus:
"Das ist eine peinliche Reaktion eines überforderten Bundesrats, der
seine Dossiers nicht im Griff hat und neidisch ist auf den erfolgreicheren
Kollegen." Nie habe jemand aus der SVP den Begriff "Halbbundesrat"
verwendet, entgegnet Mörgeli. Der heutige Justizminister Christoph
Blocher habe als Nationalrat seinerzeit das Regierungsmitglied Samuel
Schmid als "halben SVP-Bundesrat" tituliert. In der Folge hätten
die Medien den Begriff verdreht und daraus den "halben Bundesrat"
gemacht. Mit der SVP hätten die Pöbeleien auf dem Rütli
nichts zu tun.
Keine Stellungsname von Blocher
Der "Blick" verlangte hierauf von Bundesrat Blocher eine persönliche
Stellungnahme. Doch dieser schwieg. Wir fragten uns: War dieses
Schweigen in den Medien klug oder ungeschickt? Wer Bundesrat Blocher
beraten müsste, hätte es in diesem Fall nicht einfach gehabt:
Schweigt er weiterhin, so ist es nicht recht und es heisst: Nichts sagen
= akzeptieren. Nimmt Blocher jedoch Stellung, so kann jedes seiner Worte
beliebig interpretiert werden. Differenziert er, indem er beispielsweise
bei der Integration oder den Ausländerfragen gewisse Bedenken
beleuchtet, so könnte dies postwendend als ausländerfeindlich
ausgelegt werden. Die Rechtsradikalen haben nämlich vor allem bei den
Begriffen Integration, beim Dank an die Ausländer,
demWerbespot für die Abstimmung zur Personenfreizügigkeit
usw. ihre Störaktionen eingeleitet.
Lohnte sich Blochers Schweigen?
Blocher hat sich bis heute fürs Schweigen entschieden. Das wird ihm
zwar vom "Blick" übel genommen. Obwohl vom "Blick" aufgefordert,
unbedingt etwas zu sagen, schweigt Blocher weiter. Vielleicht
machte er sich folgende Überlegung: Wenn ich nichts sage, so kann man
mir auch der "Blick" das Wort im Mund nicht verdrehen. In diesem Fall
ist es tatsächlich schwierig zu entscheiden, welches Verhalten
richtig ist. Beide Optionen haben Vor- und Nachteile.
Persönlich hätte ich Bundesrat Blocher geraten, etwas zu sagen.
Und zwar: Niemand darf am Reden gehindert werden. Eine Demokratie lebt von
der Rede- und Meinungsfreiheit.
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