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www.rhetorik.ch aktuell: (1. August, 2005)

Kämpferischer Schröder bei Christiansen

  • Köhler bejaht Neuwahlen
  • Angela Merkel's Vorbereitung auf ihre Rede


  • Bei Sabine Christiansen erlebten wir einen Kanzler, der es verstand, im Regen kritischer Fragen nicht nass zu werden. Schröder mit gerötetem, etwas aufgedunsenen Gesicht und einem sichtbarem "Bäuchlein", gelang es - rhetorisch geschickt - seine Trümpfe auszuspielen. Der Medienprofi spielte sogar die erfahrene Medienfrau an die Wand. Er beanstandete ihre Fragen, stellte sogar bei unangenehmen Themen selbst die Frage, die gestellt werden müsste:

    "Frau Christiansen, es geht um die Frage: Wem traut man die Führung unseres Landes zu?"


    Als Befragter, sagte er immer wieder, wenn ein Thema abgeschlossen werden sollte.

    "Soll ich basta sagen?"


    Schröder bestimmte das Gespräch und dominierte. Er redete meist lang und ausführlich. Er fuhr Christiansen auch mal übers Maul, und liess sich nicht unterbrechen. Neben der Peitsche nutzte er auch den Zucker:

    "Es geht darum, Menschen gesamthaft zu beurteilen. Auch Manager, Politiker aber auch Journalisten, die unangenehme Fragen stellen müssen."


    Nach Schröders Antworten applaudierte jeweils die Hälfte des Publikums meist heftig. Hatte sich der schlaue Fuchs beim Sender ausbedungen, 50% Sympathisanten mit dabei zu haben, die den Auftrag hatten, Schröder immer wieder zu beklatschen? Wir wissen es nicht. (Als Begründung wäre denkbar: Alle stellen kritische Fragen. Der Kanzler hat keine Unterstützung. Da darf ein gewisser Ausgleich verlangt werden).

    Geschickt wie ein Zauberkünstler hörte er die Vorwürfe ruhig an. Man sah kein Zittern und keine Signale der Unsicherheit. Nur bei Nahaufnahmen erkannte man eine gewisses Zucken in den Augen oder stellte fest, dass er mit dem Gegenüber generell beim Sprechen weniger Augenkontakt hatte als sonst. Auch das vorschnelle Antworten war ungewohnt. Schröder sass während der Befragung immer vorbildlich, gepflegt und angeblich locker da. Er gestikulierte angemessen. Das Äussere, Schuhe, Anzug und Haartracht, stets sauber und gepflegt. Rasch, manchmal zu rasch zückte der Medienkanzler seine Karten: Er differenzierte, korrigierte, stoppte und lenkte.
    Er gab immer wieder Probleme offen zu: "Keine Frage..." Er nutzte seine beliebte Wiederholungstaktik: Lafontaine und Gysi sind geflohen. Sie sind unfähig Verantwortung zu übernehmen, sie haben keinen Standfestigkeit Ich habe Erfahrung, bin mutig, flexibel und risikofreudig. Dieses Bild wurde mehrmals eingeflochten. Er unterstrich immer wieder die eigenen Leistungen. Er bat um Geduld. "Ich kann doch nicht über Nacht alles ändern", obschon er nicht nur eine Nacht Zeit zur Änderung gehabt hatte. Die offensichtlichen Mängel wie hohe Arbeitslosenzahl oder Schuldenwirtschaft bestritt Schröder nicht. Doch hat dies hat nach Schröders Argumentation nichts mit seiner Führung zu tun. Denn ein Kanzler kann ja nichts dafür, wenn die Wirtschaft international seit Jahren tümpelt, der Öpreis ins unermessliche gestiegen ist und vor Jahren ein unvorhergesehener Börsen-Crash alles Kopf gestellt hatte.

    Schröder formulierte frei, konkret, verständlich. Er begab sich nie aufs dünne Eis. Als er etwas zu seiner Herausforderin Merkel hätte sagen sollen, stellte er die Kontrahentin nicht in ein schlechtes Licht. Er sagte geschickt:

    "Ich kann nichts sagen zu ihr, ich kenne sie privat zu wenig."


    Dann riet er ihr zu einem respektvollen Umgang mit dem Gegner. Er hoffe, dass auch sie die persönliche Würde des Gegners respektiere. Doch dürfe die Auseinandersetzung ruhig in der Sache deftig sein. Dann liess Schröder er nur für sich einen gewissen Freiraum: Falls er einmal zu hart kämpft:

    "Falls mir in der Hitze des Gefechtes einmal ein Ausrutscher unterläuft, so kann ich nachher Entschuldigung sagen."


    Der Wahlkampf hat begonnen



    Die Staatskassen sind leer. Dennoch versprechen alle Parteien vor der Wahl, dass sie solide wirtschaften. Sie versprechen schöne Geschenke, falls sie gewählt werden Bei den Uannehmlichkeiten bleiben die Politiker meist schwammig, doch beteuern sie alle, einen Feldzug gegen Betrug und Schwindelei zu führen. Alle sind sich einig:

    Auf ihrer Internetseite verspricht Merkel eine "Politik ohne Lüge. SPD-Chef Franz Müntefering beteuert seine Partei mache keine "leeren Versprechungen." Und CSU-Boss Edmund Stoiber versichert "Die Menschen brauchen eine ehrliche Ansage." Selbst der Kapitän der FDP, Guido Westerwelle behauptet: Alle Vorschläge basierten auf "soliden Rechnungen"!


    Ob rot, schwarz oder gelb. Sämtliche Wahlkämpfer predigen Verlässlichkeit und Vertrauen. Die Wahlprogramme zeigen hingegen ein ganz anderes Bild. Dass vor Wahlen getrickst und getäuscht, geschönt und geschummelt wird ist nichts Neues. Die wenigsten Kandidaten tischen schon vor der Wahl jene Menues auf, die es nach der Wahl zu verdauen gibt.

    Die leeren Staatskassen werden in Deutschland kaum thematisiert - obwohl allein der Bund jedes Jahr rund 40 Milliarden Euro mehr ausgibt, als er einnimmt. Erstaunlich: Allein die Zinsen für die Bundesschulden von 870 Milliarden Euro kosten jeden Bürger mittlerweile fast 500 Euro im Jahr. Tendenz steigend! Dieses zentrale Problem scheint vernachlässigenswert.

    Dafür erwähnen die Politiker den Bürgern vor allem jene Annehmlichkeiten, mit denen gerechnet werden kann - wenn sie nur gewählt werden.

    Das Kindergeld soll erhöht oder die Körperschaftsteuer gesenkt werden. Bei der Forschung soll es Milliarden geben. Ganztagsschulen werden ausgebaut. Die Arbeitslosen werden mehr Geld bekommen. All das soll mit höheren Steuern für Reiche, dem Abbau von Subventionen oder dem Streichen von Steuerschlupflöchern bezahlt werden.

    Die Wohltaten werden ausführlich, konkret und farbig geschildert. Bei den Unannehmlichkeiten hingegen sind die Beiträge vage, allgemein und schwammig. Wer tatsächlich herausfinden will, wie die Wünsche konkret finanziert werden sollen, hat keinen Ueberblick, was es letztlich zusätzlich kostet.

    Zinsverbilligte Kredite werden in Aussicht gestellt. Mit 250 Millionen Euro will die SPD ältere Arbeitnehmer fördern, etwa so viel dürfte auch die Anhebung des Arbeitslosengeldes II Ost auf den Westsatz kosten.

    Die Massnahmen der SPD sollen rund zwei Milliarden Euro kosten, doch an konkreten Einsparungen nennt die Partei nur die Einführung einer Reichensteuer - die rund 1.2 Milliarden Euro bringen würde. Bleibt eine geschätzte Deckungslücke von mindestens 20 Milliarden Euro.

    Nicht viel günstiger fällt die Bilanz bei Union aus. Das Parteien-Duo, das gern die rot-grüne Schönrechnerei brandmarkt, stellt genauso viele ungedeckte Schecks aus wie die Sozialdemokraten. Wo die Partei konkret wird, bleiben die Rechnungen unvollständig - oder gehen nicht auf.

    Als mutigen Schritt zur Wahrheit findet die Union beispielsweise, dass sie den Bürgern bereits vor der Wahl einen Teil ihrer Steuerpläne enthüllt hat. Die Mehrwertsteuer soll zur Jahreswende von 16 auf 18 Prozent gesteigert, der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4.5 Prozent gesenkt werden.

    Das klingt schön - und ist es vielleicht auch. Allein schon der Unionsplan, allen Bürgern einen Einheitspreis für ihre Krankenversicherung abzufordern und die Kinderkosten vom Staat bezahlen zu lassen, würde nach Einschätzung des Wirtschaftsweisen Bert Rürup ein von der CDU verschwiegenes Loch von 16 Milliarden Euro in die Bundeskasse reissen.

    Es lohnt sich deshalb sich bestimmt, während des kommenden Wahlkampfes genauer mit zu verfolgen, wie das Thema der Verschuldung von den Parteien konkret angesprochen wird. Welche Partei hat taugliche Lösungen?


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