"Live-8" war eine Konzertveranstaltung, die
Millionen im Kampf gegen die Armut vereinen sollte.
Mit Konzerten in Tokio, Berlin, London, Johannesburg, Philadelphia, Toronto und Cornwall
forderte die Pop- und Rockelite die
Staats- und Regierungschefs des bevorstehenden G8-Gipfels in Schottland auf,
den Ärmsten der Armen mit einer Finanzhilfe von 25 Milliarden Dollar zu helfen.
Gemäss Organisator Bob Geldof diente der Konzert-Marathon
weniger dem Spendensammeln, sondern dem Schärfen des Bewusstseins für die
Nöte der Armen:
Die Live-8-Veranstalter fordern von den Gipfelteilnehmern einen
Schuldenerlass, - eine Verdopplung der Entwicklungshilfe und
eine Öffnung der Weltmärkte für die
Entwicklungsländer.
Nach anfänglicher Euphorie über das Bob Geldofs Benefiz-Spektakel
wurden in den Medien aber auch kritische Stimmen laut:
Wir fassen ein paar Punkte zusammen, die Edgar Klüsener im Spiegel
zusammengetragen hat:
- Diskriminierung Afrikanischer Künstler?.
Afrikanische Künstler wurden zu "Live 8" erst gar nicht eingeladen, weil
es "schlecht für die Quote" sei. Geldof sei in Wahrheit nur ein
weisser Rassist, seine Sorge um das Wohlergehen
des Kontinents kaum mehr als die neokolonialistische Attitüde des
weissen Showmannes. Vor allem für die britischen Medien war dieser Streitpunkt
ein gefundenes Fressen.
- Afrikaprobleme simplifiziert.
Die Macher seien schamlose Vereinfacher,
die von Afrika und Afrikanern reden, dass der Kontinent
aber nicht einfach auf den kleinsten gemeinsamen Nenner Hunger gebracht
werden könne. Südafrika sei ein wirtschaftliches Schwergewicht und Botswana
habe eine ökonomische Wachstumsrate, die zu den höchsten
der Welt gehörten.
- Globalisierung und Liberalisierung?.
Für Grossbritanniens Linke wirkte
die implizite Forderung nach einer weitgehenden Liberalisierung
des Welthandels störend. Die von "Live 8"-Unterstützern
erwartete Wandlung von Globalisierungsgegnern zu
Globalisierungsbefürwortern machte misstrauisch.
- Neureiche Popstars irritieren.
Linke Intellektuelle waren auch konsterniert mit welcher
Selbstverständlichkeit neureiche Popstars auf Tuchfühlung mit
den Mächtigen gehen. Man ist zu Gast bei Blair und Bush, geht bei
Banken und Institutionen ein und aus und spielt im Millionärsclub
Golf.
- Eigentliche Probleme bleiben.
Ob der "Live 8" Ansatz und die verschwisterten Kampagne
"Make Poverty History" an Afrikas eigentlichen Problemen
vorbeiziele. Tatsächlich werden durch die Konzerte keine
Spendengelder zusammenkommen; die Veranstaltungen dienen lediglich
der politischen Sensibilisierung. Inwieweit die Monster Konzerte dazu
beitragen sollen, den Hunger in der Welt und in Afrika zu bekämpfen,
sei nicht klar.
- Nicht angesprochene Umweltprobleme.
Für die Autoren des Reports "Africa - Up in Smoke", einer Koalition
von 18 Hilfs- und Umweltorganisationen von "Oxfam" über "Greenpeace" bis
hin zu "Action Aid", ist es hingegen klar, dass die Konzerte nichts bringen
werden, weil das Hauptproblem des Kontinents, die Klimakatastrophe völlig
ausser Acht gelassen wurde. 14 afrikanische Länder haben gravierende Wasserprobleme.
In den nächsten 25 Jahren sollen weitere 11 dazukommen.
- Tropfen auf heissen Stein.
Die Folgen von Klimakatastrophe und Aids-Epidemie in Afrika
würden sich auch durch ein bisschen Schuldenerlass und mehr Freihandel
kaum lindern lassen. Die Bereitschaft
der G8-Staaten, mit einschneidenden Massnahmen auf die
Klimakatastrophe zu reagieren, sei nach wie vor eher gering.
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Kommentar:
Wir waren auch vom Gigantismus des Anlasses beeindruckt. Der Wirkung dieser
Monsterveranstaltung konnten wir uns nicht entziehen. Gewiss wurde
die Masse für die Armut in Afrika sensibilisiert. Während
des Betrachtens der Monsterkonzerte wurde uns aber bewusst, dass wir -
wie alle - den Phönomenen der Massenpsychologie erlagen. So erging
es gewiss Millionen von Menschen. Der Einzelnen konnte sich der Wirkung
dieser Massenphänomene so wenig entziehen, wie die Fans bei Massen-
Sportveranstaltungen .
Nach unserem Dafürhalten standen bei "Live 8"
nicht die Botschaften im Mittelpunkt, sondern die Stars, der Rhythmus,
die Musik, das Gemeinschafterlebnis, der einmalige Event. Auch wir
zweifeln an der Nachhaltigkeit dieser musikalischen "Megafon - Rhetorik".
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